[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.An Cidli. Unerforschter, als sonst etwas den Forscher täuscht, Ist ein Herz, das die Lieb' empfand, Sie, die wirklicher Werth, nicht der vergängliche Unsers dichtenden Traums gebahr, Jene trunkene Lust, wenn die erweinete, Fast zu selige Stunde kommt, Die dem Liebenden sagt, daß er geliebet wird! Und zwo bessere Seelen nun Ganz, das erstemal ganz, fühlen, wie sehr sie sind! Und wie glücklich! wie ähnlich sich! Ach, wie glücklich dadurch! Wer der Geliebten spricht Diese Liebe mit Worten aus? Wer mit Thränen? und wer mit dem verweilenden, Vollem Blick, und der Seele drinn? Selbst das Trauren ist süß, das sie verkündete, Eh die selige Stunde kam! Wenn dieß Trauren umsonst Eine verkündete; O dann wählte die Seele falsch, Und doch würdig! Das webt keiner der Denker auf, Was vor Irren sie damals ging! Selbst der kennt sie nicht ganz, welcher sie wandelte, Und verfehlt sie nur weniger. Leise redets darin: Weil du es würdig warst, Daß du liebtest, so lehrten wir Dich die Liebe. Du kennst alle Verwandlungen Ihres mächtigen Zauberstabs! Ahm den Weisen nun nach: Handle! die Wissenschaft, Sie nur, machte nie Glückliche! Ich gehorche. Das Thal, Eden nur schattete, Wie es schattet, der Lenz im Thal Wei!t dich! Lüfte, wie die, welche die Himmlischen Sanft umathmen, umathmen dich! Rosen H 3
An Cidli. Unerforſchter, als ſonſt etwas den Forſcher taͤuſcht, Iſt ein Herz, das die Lieb’ empfand, Sie, die wirklicher Werth, nicht der vergaͤngliche Unſers dichtenden Traums gebahr, Jene trunkene Luſt, wenn die erweinete, Faſt zu ſelige Stunde kommt, Die dem Liebenden ſagt, daß er geliebet wird! Und zwo beſſere Seelen nun Ganz, das erſtemal ganz, fuͤhlen, wie ſehr ſie ſind! Und wie gluͤcklich! wie aͤhnlich ſich! Ach, wie gluͤcklich dadurch! Wer der Geliebten ſpricht Dieſe Liebe mit Worten aus? Wer mit Thraͤnen? und wer mit dem verweilenden, Vollem Blick, und der Seele drinn? Selbſt das Trauren iſt ſuͤß, das ſie verkuͤndete, Eh die ſelige Stunde kam! Wenn dieß Trauren umſonſt Eine verkuͤndete; O dann waͤhlte die Seele falſch, Und doch wuͤrdig! Das webt keiner der Denker auf, Was vor Irren ſie damals ging! Selbſt der kennt ſie nicht ganz, welcher ſie wandelte, Und verfehlt ſie nur weniger. Leiſe redets darin: Weil du es wuͤrdig warſt, Daß du liebteſt, ſo lehrten wir Dich die Liebe. Du kennſt alle Verwandlungen Ihres maͤchtigen Zauberſtabs! Ahm den Weiſen nun nach: Handle! die Wiſſenſchaft, Sie nur, machte nie Gluͤckliche! Ich gehorche. Das Thal, Eden nur ſchattete, Wie es ſchattet, der Lenz im Thal Wei!t dich! Luͤfte, wie die, welche die Himmliſchen Sanft umathmen, umathmen dich! Roſen H 3
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An Cidli.
Unerforſchter, als ſonſt etwas den Forſcher taͤuſcht,
Iſt ein Herz, das die Lieb’ empfand,
Sie, die wirklicher Werth, nicht der vergaͤngliche
Unſers dichtenden Traums gebahr,
Jene trunkene Luſt, wenn die erweinete,
Faſt zu ſelige Stunde kommt,
Die dem Liebenden ſagt, daß er geliebet wird!
Und zwo beſſere Seelen nun
Ganz, das erſtemal ganz, fuͤhlen, wie ſehr ſie ſind!
Und wie gluͤcklich! wie aͤhnlich ſich!
Ach, wie gluͤcklich dadurch! Wer der Geliebten ſpricht
Dieſe Liebe mit Worten aus?
Wer mit Thraͤnen? und wer mit dem verweilenden,
Vollem Blick, und der Seele drinn?
Selbſt das Trauren iſt ſuͤß, das ſie verkuͤndete,
Eh die ſelige Stunde kam!
Wenn dieß Trauren umſonſt Eine verkuͤndete;
O dann waͤhlte die Seele falſch,
Und doch wuͤrdig! Das webt keiner der Denker auf,
Was vor Irren ſie damals ging!
Selbſt der kennt ſie nicht ganz, welcher ſie wandelte,
Und verfehlt ſie nur weniger.
Leiſe redets darin: Weil du es wuͤrdig warſt,
Daß du liebteſt, ſo lehrten wir
Dich die Liebe. Du kennſt alle Verwandlungen
Ihres maͤchtigen Zauberſtabs!
Ahm den Weiſen nun nach: Handle! die Wiſſenſchaft,
Sie nur, machte nie Gluͤckliche!
Ich gehorche. Das Thal, Eden nur ſchattete,
Wie es ſchattet, der Lenz im Thal
Wei!t dich! Luͤfte, wie die, welche die Himmliſchen
Sanft umathmen, umathmen dich!
Roſen
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