Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwölfter Morgen.

Die Aldermänner halten Vortrag. Die Zunft
der Drittler widersezt sich denselben. Was
darauf erfolgt. Bitte einiger Jünglinge.
Die Anwalde der Weltweisen, der Natur-
forscher, und der Dichter erklären sich über
den Vortrag der Aldermänner.

Die Aldermänner waren heute beym Herauf-
gehn auf die Fragen, welche ihre Beglei-
ter an sie richteten, sehr kurz in ihren Antwor-
ten. Sie schienen mit tiefen Entwürfen be-
schäftigt zu seyn. Dieß währte fort, und wur-
de, als man nun ganz versammelt war, überall
bemerkt; und vielleicht war es die Ursach, daß
kein Anwald vor den Aldermännern erschien,
Vortrag zu halten. Als diese sahen, daß ihnen
kein anderes Geschäft im Wege stünde; so
trat ihr heutiger Wortführer aus dem halben
Kreise hervor, sahe kurze Zeit mit kaltem
Nachdenken umher, und sagte:

Es sind wenig Zeitpunkte, in denen man
durch zusammentreffende Umstände unterstüzt,
grosse Entschliessungen fassen kann; und noch
seltner ist es, daß die gefasten Entschliessungen
ausgeführt werden. Wie oft bleibt man so gar
auf der Schwelle der Ausführung stehen.
Kaum daß sich Schwierigkeiten zeigen, und

es
E e
Zwoͤlfter Morgen.

Die Aldermaͤnner halten Vortrag. Die Zunft
der Drittler widerſezt ſich denſelben. Was
darauf erfolgt. Bitte einiger Juͤnglinge.
Die Anwalde der Weltweiſen, der Natur-
forſcher, und der Dichter erklaͤren ſich uͤber
den Vortrag der Aldermaͤnner.

Die Aldermaͤnner waren heute beym Herauf-
gehn auf die Fragen, welche ihre Beglei-
ter an ſie richteten, ſehr kurz in ihren Antwor-
ten. Sie ſchienen mit tiefen Entwuͤrfen be-
ſchaͤftigt zu ſeyn. Dieß waͤhrte fort, und wur-
de, als man nun ganz verſammelt war, uͤberall
bemerkt; und vielleicht war es die Urſach, daß
kein Anwald vor den Aldermaͤnnern erſchien,
Vortrag zu halten. Als dieſe ſahen, daß ihnen
kein anderes Geſchaͤft im Wege ſtuͤnde; ſo
trat ihr heutiger Wortfuͤhrer aus dem halben
Kreiſe hervor, ſahe kurze Zeit mit kaltem
Nachdenken umher, und ſagte:

Es ſind wenig Zeitpunkte, in denen man
durch zuſammentreffende Umſtaͤnde unterſtuͤzt,
groſſe Entſchlieſſungen faſſen kann; und noch
ſeltner iſt es, daß die gefaſten Entſchlieſſungen
ausgefuͤhrt werden. Wie oft bleibt man ſo gar
auf der Schwelle der Ausfuͤhrung ſtehen.
Kaum daß ſich Schwierigkeiten zeigen, und

es
E e
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0509" n="433"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Zwo&#x0364;lfter Morgen.</hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p>Die Alderma&#x0364;nner halten Vortrag. Die Zunft<lb/>
der Drittler wider&#x017F;ezt &#x017F;ich den&#x017F;elben. Was<lb/>
darauf erfolgt. Bitte einiger Ju&#x0364;nglinge.<lb/>
Die Anwalde der Weltwei&#x017F;en, der Natur-<lb/>
for&#x017F;cher, und der Dichter erkla&#x0364;ren &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
den Vortrag der Alderma&#x0364;nner.</p>
          </argument><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Alderma&#x0364;nner waren heute beym Herauf-<lb/>
gehn auf die Fragen, welche ihre Beglei-<lb/>
ter an &#x017F;ie richteten, &#x017F;ehr kurz in ihren Antwor-<lb/>
ten. Sie &#x017F;chienen mit tiefen Entwu&#x0364;rfen be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftigt zu &#x017F;eyn. Dieß wa&#x0364;hrte fort, und wur-<lb/>
de, als man nun ganz ver&#x017F;ammelt war, u&#x0364;berall<lb/>
bemerkt; und vielleicht war es die Ur&#x017F;ach, daß<lb/>
kein Anwald vor den Alderma&#x0364;nnern er&#x017F;chien,<lb/>
Vortrag zu halten. Als die&#x017F;e &#x017F;ahen, daß ihnen<lb/>
kein anderes Ge&#x017F;cha&#x0364;ft im Wege &#x017F;tu&#x0364;nde; &#x017F;o<lb/>
trat ihr heutiger Wortfu&#x0364;hrer aus dem halben<lb/>
Krei&#x017F;e hervor, &#x017F;ahe kurze Zeit mit kaltem<lb/>
Nachdenken umher, und &#x017F;agte:</p><lb/>
          <p>Es &#x017F;ind wenig Zeitpunkte, in denen man<lb/>
durch zu&#x017F;ammentreffende Um&#x017F;ta&#x0364;nde unter&#x017F;tu&#x0364;zt,<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ungen fa&#x017F;&#x017F;en kann; und noch<lb/>
&#x017F;eltner i&#x017F;t es, daß die gefa&#x017F;ten Ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
ausgefu&#x0364;hrt werden. Wie oft bleibt man &#x017F;o gar<lb/>
auf der Schwelle der Ausfu&#x0364;hrung &#x017F;tehen.<lb/>
Kaum daß &#x017F;ich Schwierigkeiten zeigen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e</fw><fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[433/0509] Zwoͤlfter Morgen. Die Aldermaͤnner halten Vortrag. Die Zunft der Drittler widerſezt ſich denſelben. Was darauf erfolgt. Bitte einiger Juͤnglinge. Die Anwalde der Weltweiſen, der Natur- forſcher, und der Dichter erklaͤren ſich uͤber den Vortrag der Aldermaͤnner. Die Aldermaͤnner waren heute beym Herauf- gehn auf die Fragen, welche ihre Beglei- ter an ſie richteten, ſehr kurz in ihren Antwor- ten. Sie ſchienen mit tiefen Entwuͤrfen be- ſchaͤftigt zu ſeyn. Dieß waͤhrte fort, und wur- de, als man nun ganz verſammelt war, uͤberall bemerkt; und vielleicht war es die Urſach, daß kein Anwald vor den Aldermaͤnnern erſchien, Vortrag zu halten. Als dieſe ſahen, daß ihnen kein anderes Geſchaͤft im Wege ſtuͤnde; ſo trat ihr heutiger Wortfuͤhrer aus dem halben Kreiſe hervor, ſahe kurze Zeit mit kaltem Nachdenken umher, und ſagte: Es ſind wenig Zeitpunkte, in denen man durch zuſammentreffende Umſtaͤnde unterſtuͤzt, groſſe Entſchlieſſungen faſſen kann; und noch ſeltner iſt es, daß die gefaſten Entſchlieſſungen ausgefuͤhrt werden. Wie oft bleibt man ſo gar auf der Schwelle der Ausfuͤhrung ſtehen. Kaum daß ſich Schwierigkeiten zeigen, und es E e

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/509
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/509>, abgerufen am 21.11.2024.