Faust saß düster auf seinem Pferde; (denn da sie über die Gränzen waren, hatten sie auf des Teufels Vermittlung das Fuhrwerk verändert). Die lezte Geschichte nagte noch immer an seinem Herzen; es verdroß ihn, dem Teufel in Ansehung der Menschen ge- wisse Dinge zugestehen zu müssen, und seine Laune ward um so bittrer, da er selbst an- fieng sie in einem andern Lichte zu betrach- ten. Doch tröstete ihn der Gedanke in sei- nem Mißmuth, den unglücklichen Minister an den Heuchlern gerächt zu haben. Der Stolz schwellte nach und nach sein Herz so auf, daß er beynahe anfieng, seine Verbin- dung mit dem Teufel als das Wagstück ei- nes Mannes anzusehen, der seine Seele für das Beste der Menschen opfert, und da- durch alle Helden des Alterthums, die nur ihr zeitliches Daseyn dransezten, übertrifft. Noch mehr, da diese um des Ruhms wil- len sich opferten, und also aus Eigennutz handelten, auf den er, vermöge seiner Ver-
bindung,
8.
Fauſt ſaß duͤſter auf ſeinem Pferde; (denn da ſie uͤber die Graͤnzen waren, hatten ſie auf des Teufels Vermittlung das Fuhrwerk veraͤndert). Die lezte Geſchichte nagte noch immer an ſeinem Herzen; es verdroß ihn, dem Teufel in Anſehung der Menſchen ge- wiſſe Dinge zugeſtehen zu muͤſſen, und ſeine Laune ward um ſo bittrer, da er ſelbſt an- fieng ſie in einem andern Lichte zu betrach- ten. Doch troͤſtete ihn der Gedanke in ſei- nem Mißmuth, den ungluͤcklichen Miniſter an den Heuchlern geraͤcht zu haben. Der Stolz ſchwellte nach und nach ſein Herz ſo auf, daß er beynahe anfieng, ſeine Verbin- dung mit dem Teufel als das Wagſtuͤck ei- nes Mannes anzuſehen, der ſeine Seele fuͤr das Beſte der Menſchen opfert, und da- durch alle Helden des Alterthums, die nur ihr zeitliches Daſeyn dranſezten, uͤbertrifft. Noch mehr, da dieſe um des Ruhms wil- len ſich opferten, und alſo aus Eigennutz handelten, auf den er, vermoͤge ſeiner Ver-
bindung,
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8.
Fauſt ſaß duͤſter auf ſeinem Pferde; (denn
da ſie uͤber die Graͤnzen waren, hatten ſie
auf des Teufels Vermittlung das Fuhrwerk
veraͤndert). Die lezte Geſchichte nagte noch
immer an ſeinem Herzen; es verdroß ihn,
dem Teufel in Anſehung der Menſchen ge-
wiſſe Dinge zugeſtehen zu muͤſſen, und ſeine
Laune ward um ſo bittrer, da er ſelbſt an-
fieng ſie in einem andern Lichte zu betrach-
ten. Doch troͤſtete ihn der Gedanke in ſei-
nem Mißmuth, den ungluͤcklichen Miniſter
an den Heuchlern geraͤcht zu haben. Der
Stolz ſchwellte nach und nach ſein Herz ſo
auf, daß er beynahe anfieng, ſeine Verbin-
dung mit dem Teufel als das Wagſtuͤck ei-
nes Mannes anzuſehen, der ſeine Seele fuͤr
das Beſte der Menſchen opfert, und da-
durch alle Helden des Alterthums, die nur
ihr zeitliches Daſeyn dranſezten, uͤbertrifft.
Noch mehr, da dieſe um des Ruhms wil-
len ſich opferten, und alſo aus Eigennutz
handelten, auf den er, vermoͤge ſeiner Ver-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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