Document aus Noth, der Gegenparthey ausliefern wollen, und daß nur seine eigne Wachsamkeit das fürstliche Haus aus dieser Gefahr gerettet hätte. Die Gemahlin des Ministers glaubte, daß ein Mann, der zu ihren Thorheiten kein Gold mehr auftrei- ben könnte, keine Schonung verdiente, und da sie sich immer schmeichelte, den Günst- ling mehr zu gewinnen, je gefälliger sie sich ihm erzeigte, so überlieferte sie ohne Bedenken das Papier.
5.
Der Minister gieng seufzend und einsam in seinem Zimmer auf und ab. Das Ge- fühl der bevorstehenden Schande, der Druck peinlichen Kummers, die Gewißheit betrog- ner Liebe, hatte auch seine Tochter, einst sein einziger Trost, von ihm entfernt. Sie weinte verschlossen, und zehrte an einem Herzen, das eines bessern Schicksals wür- dig war, so dorrt die Lilie im einsamen Tha- le hin, die eine muthwillige Hand am zar-
ten
Document aus Noth, der Gegenparthey ausliefern wollen, und daß nur ſeine eigne Wachſamkeit das fuͤrſtliche Haus aus dieſer Gefahr gerettet haͤtte. Die Gemahlin des Miniſters glaubte, daß ein Mann, der zu ihren Thorheiten kein Gold mehr auftrei- ben koͤnnte, keine Schonung verdiente, und da ſie ſich immer ſchmeichelte, den Guͤnſt- ling mehr zu gewinnen, je gefaͤlliger ſie ſich ihm erzeigte, ſo uͤberlieferte ſie ohne Bedenken das Papier.
5.
Der Miniſter gieng ſeufzend und einſam in ſeinem Zimmer auf und ab. Das Ge- fuͤhl der bevorſtehenden Schande, der Druck peinlichen Kummers, die Gewißheit betrog- ner Liebe, hatte auch ſeine Tochter, einſt ſein einziger Troſt, von ihm entfernt. Sie weinte verſchloſſen, und zehrte an einem Herzen, das eines beſſern Schickſals wuͤr- dig war, ſo dorrt die Lilie im einſamen Tha- le hin, die eine muthwillige Hand am zar-
ten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0198"n="187"/>
Document aus Noth, der Gegenparthey<lb/>
ausliefern wollen, und daß nur ſeine eigne<lb/>
Wachſamkeit das fuͤrſtliche Haus aus dieſer<lb/>
Gefahr gerettet haͤtte. Die Gemahlin des<lb/>
Miniſters glaubte, daß ein Mann, der zu<lb/>
ihren Thorheiten kein Gold mehr auftrei-<lb/>
ben koͤnnte, keine Schonung verdiente, und<lb/>
da ſie ſich immer ſchmeichelte, den Guͤnſt-<lb/>
ling mehr zu gewinnen, je gefaͤlliger ſie ſich<lb/>
ihm erzeigte, ſo uͤberlieferte ſie ohne Bedenken<lb/>
das Papier.</p></div><lb/><divn="2"><head>5.</head><lb/><p>Der Miniſter gieng ſeufzend und einſam<lb/>
in ſeinem Zimmer auf und ab. Das Ge-<lb/>
fuͤhl der bevorſtehenden Schande, der Druck<lb/>
peinlichen Kummers, die Gewißheit betrog-<lb/>
ner Liebe, hatte auch ſeine Tochter, einſt<lb/>ſein einziger Troſt, von ihm entfernt. Sie<lb/>
weinte verſchloſſen, und zehrte an einem<lb/>
Herzen, das eines beſſern Schickſals wuͤr-<lb/>
dig war, ſo dorrt die Lilie im einſamen Tha-<lb/>
le hin, die eine muthwillige Hand am zar-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ten</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[187/0198]
Document aus Noth, der Gegenparthey
ausliefern wollen, und daß nur ſeine eigne
Wachſamkeit das fuͤrſtliche Haus aus dieſer
Gefahr gerettet haͤtte. Die Gemahlin des
Miniſters glaubte, daß ein Mann, der zu
ihren Thorheiten kein Gold mehr auftrei-
ben koͤnnte, keine Schonung verdiente, und
da ſie ſich immer ſchmeichelte, den Guͤnſt-
ling mehr zu gewinnen, je gefaͤlliger ſie ſich
ihm erzeigte, ſo uͤberlieferte ſie ohne Bedenken
das Papier.
5.
Der Miniſter gieng ſeufzend und einſam
in ſeinem Zimmer auf und ab. Das Ge-
fuͤhl der bevorſtehenden Schande, der Druck
peinlichen Kummers, die Gewißheit betrog-
ner Liebe, hatte auch ſeine Tochter, einſt
ſein einziger Troſt, von ihm entfernt. Sie
weinte verſchloſſen, und zehrte an einem
Herzen, das eines beſſern Schickſals wuͤr-
dig war, ſo dorrt die Lilie im einſamen Tha-
le hin, die eine muthwillige Hand am zar-
ten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/198>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.