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Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

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der Teutschen Poeterey.
milde Himmels gunst/ ihre angeborne Sprache aus dem Staube er-
hoben/ und den irdischen Göttern an die Seite gesetzet.

Wie denn bis anhero in unserer Sprache/ die reich an Worten/
reich an Güte/ reich an Zieraht/ dero Lachen und Weinen/ liebliche
Härte/ männliches Gelaute und fliessende Süssigkeit/ niemand in
Acht genommen/ als die Poeten.

Eben wie die Teutsche Kriegs-also ist auch die Verskunst viel hö-
her gestiegen.

Was sol uns jetzt der Streit/ mit Pfeilen/ Pfriemen/ Stökken/
Vnd der bepralte Sturm mit Thürnen und mit Bökken/
-- -- -- -- -- wir haben in die Schlacht
Den Donner selbst geholt/ den Blitz darein gebracht/
Der Glut und Eisen speyt/ für dem die Mauren fallen/
Die Thürne Sprünge thun/ Gebirg und Thäler schallen/
Das wilde Meer erschrikt/ wir mischen uns zusammen
Die Elemente selbst und fordern mit den Flammen
Das blaue Himmeldach/ so gantz bestürtzet steht/
Wann unsers Pulvers Macht dem Feind entgegen geht.

Ferner/ wie sonst ein Ding je älter/ je edler es auch ist/ alldieweil/
aus Langwürigkeit des Vergänglichen/ ein Abbild der unendlichen E-
wigkeit vorgestellet wird: Als wolt ich mir keine Gedanken machen/
in dem die Teutsche Poeterey die Jahre überstrebet/ die Gewalt der
Zeiten durchbrochen/ zu sagen: Es müsse etwas Göttliches und ewig-
wärendes darinnen verborgen seyn/ dadurch wir näher zu GOtt dem
Anfang aller Dinge schreiten.

Allhier nun/ Werthe Zuhörer/ wolt ich euch gern beybringen die
Beweglichkeit der Teutschen Verskunst: Denn das man hinten zwey
Reime aneinander bakken kan/ ist das geringste/ sondern es muß das
Gedicht voller Kern/ Geist und Feuer seyn/ daher dann unser Dicht-
und Verskunst viel hefftiger der Menschen Sinn und Gemüt durch-

drin-
C iij

der Teutſchen Poeterey.
milde Himmels gunſt/ ihre angeborne Sprache aus dem Staube er-
hoben/ und den irdiſchen Goͤttern an die Seite geſetzet.

Wie denn bis anhero in unſerer Sprache/ die reich an Worten/
reich an Guͤte/ reich an Zieraht/ dero Lachen und Weinen/ liebliche
Haͤrte/ maͤnnliches Gelaute und flieſſende Suͤſſigkeit/ niemand in
Acht genommen/ als die Poeten.

Eben wie die Teutſche Kriegs-alſo iſt auch die Verſkunſt viel hoͤ-
her geſtiegen.

Was ſol uns jetzt der Streit/ mit Pfeilen/ Pfriemen/ Stoͤkken/
Vnd der bepralte Sturm mit Thuͤrnen und mit Boͤkken/
— — — — — wir haben in die Schlacht
Den Donner ſelbſt geholt/ den Blitz darein gebracht/
Der Glut und Eiſen ſpeyt/ fuͤr dem die Mauren fallen/
Die Thuͤrne Spruͤnge thun/ Gebirg und Thaͤler ſchallen/
Das wilde Meer erſchrikt/ wir miſchen uns zuſammen
Die Elemente ſelbſt und fordern mit den Flammen
Das blaue Himmeldach/ ſo gantz beſtuͤrtzet ſteht/
Wann unſers Pulvers Macht dem Feind entgegen geht.

Ferner/ wie ſonſt ein Ding je aͤlter/ je edler es auch iſt/ alldieweil/
aus Langwuͤrigkeit des Vergaͤnglichen/ ein Abbild der unendlichen E-
wigkeit vorgeſtellet wird: Als wolt ich mir keine Gedanken machen/
in dem die Teutſche Poeterey die Jahre uͤberſtrebet/ die Gewalt der
Zeiten durchbrochen/ zu ſagen: Es muͤſſe etwas Goͤttliches und ewig-
waͤrendes darinnen verborgen ſeyn/ dadurch wir naͤher zu GOtt dem
Anfang aller Dinge ſchreiten.

Allhier nun/ Werthe Zuhoͤrer/ wolt ich euch gern beybringen die
Beweglichkeit der Teutſchen Verſkunſt: Denn das man hinten zwey
Reime aneinander bakken kan/ iſt das geringſte/ ſondern es muß das
Gedicht voller Kern/ Geiſt und Feuer ſeyn/ daher dann unſer Dicht-
und Verſkunſt viel hefftiger der Menſchen Sinn und Gemuͤt durch-

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[13/0027] der Teutſchen Poeterey. milde Himmels gunſt/ ihre angeborne Sprache aus dem Staube er- hoben/ und den irdiſchen Goͤttern an die Seite geſetzet. Wie denn bis anhero in unſerer Sprache/ die reich an Worten/ reich an Guͤte/ reich an Zieraht/ dero Lachen und Weinen/ liebliche Haͤrte/ maͤnnliches Gelaute und flieſſende Suͤſſigkeit/ niemand in Acht genommen/ als die Poeten. Eben wie die Teutſche Kriegs-alſo iſt auch die Verſkunſt viel hoͤ- her geſtiegen. Was ſol uns jetzt der Streit/ mit Pfeilen/ Pfriemen/ Stoͤkken/ Vnd der bepralte Sturm mit Thuͤrnen und mit Boͤkken/ — — — — — wir haben in die Schlacht Den Donner ſelbſt geholt/ den Blitz darein gebracht/ Der Glut und Eiſen ſpeyt/ fuͤr dem die Mauren fallen/ Die Thuͤrne Spruͤnge thun/ Gebirg und Thaͤler ſchallen/ Das wilde Meer erſchrikt/ wir miſchen uns zuſammen Die Elemente ſelbſt und fordern mit den Flammen Das blaue Himmeldach/ ſo gantz beſtuͤrtzet ſteht/ Wann unſers Pulvers Macht dem Feind entgegen geht. Ferner/ wie ſonſt ein Ding je aͤlter/ je edler es auch iſt/ alldieweil/ aus Langwuͤrigkeit des Vergaͤnglichen/ ein Abbild der unendlichen E- wigkeit vorgeſtellet wird: Als wolt ich mir keine Gedanken machen/ in dem die Teutſche Poeterey die Jahre uͤberſtrebet/ die Gewalt der Zeiten durchbrochen/ zu ſagen: Es muͤſſe etwas Goͤttliches und ewig- waͤrendes darinnen verborgen ſeyn/ dadurch wir naͤher zu GOtt dem Anfang aller Dinge ſchreiten. Allhier nun/ Werthe Zuhoͤrer/ wolt ich euch gern beybringen die Beweglichkeit der Teutſchen Verſkunſt: Denn das man hinten zwey Reime aneinander bakken kan/ iſt das geringſte/ ſondern es muß das Gedicht voller Kern/ Geiſt und Feuer ſeyn/ daher dann unſer Dicht- und Verſkunſt viel hefftiger der Menſchen Sinn und Gemuͤt durch- drin- C iij

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Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/27>, abgerufen am 26.04.2024.