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Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

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der Teutschen Poetery.
Ja/ was wolt ich abhandeln?
Worvon wolt ich reden?

Ach ja/ von der Teutschen Poeterey: was unterwinde ich mich a-
ber/ die von den Griechen und Lateinern erbettelte Verskunst/ un-
gesaltzene/ steltzende und hinkende Krippelreimen herauszustreichen/
solte das Mühwürdig seyn?

Würde nicht Heinsius den Esel/ Pirkamer den Zipperlein/
Cardan den Käiser Nero/ Scaliger die Gans/ Aldrovandus die Spin-
ne/ Melanchthon den Käs/ Majoragius den Koht/ Stroza den Haa-
sen/ Putean das Ey/ Leuschner den Lortsch/ und andere was anders zu
loben Bedenken tragen.

Aber nichts dergleichen/ Ach Lieb- und Lobwürdigste Kunst/
Schwester der Natur/ Süssigkeit der Vnsterblichen/ Bürgerin des
Himmels/ du bist es/ die meinen Sinn/ Gemüt und Gedanken mit
einer überirdischen Liebe deromassen bezaubert/ daß ich nicht weis/ was
ich wegen der völligen Lobsmenge zuerst oder zuletzt sagen soll!

Göttliche Kunst/ was hilfft es dich aber/ daß ich dich liebe und
lobe? Da hingegen jhrer viel dein hervorbrechendes wollautendes
Wundervermögen/ mit ungegründetem Zweifel und hönischen Kopf-
schütteln/ vernichten/ als werest du eine neugebakkene/ unwürdige/
gültlose/ undienliche Zeitmörder in/ gemeine Dirne/ und Pest der
Jugend.

Wie aber sonst nichts so vollkommen/ daß der Verleumdung entü-
briget/ also ist auch der Name der Poeten so gar verächtlich/ daß wann
man jemand beschimpffen wil/ einen Poeten nennet/ gleich als könte
keiner einen guten Vers machen/ er müsse dann ein böser Mensch und
visierlicher Kautz seyn.

Eines aber und das ander muß zuzeiten dieser Kunst Ergebenen
nachgesehen werden/ weil sie mit ihren Gedanken etwas freyer und
sicherer gehen: Massen die Verrichtung anderer Geschäffte die Poe-

tischen
B ij
der Teutſchen Poetery.
Ja/ was wolt ich abhandeln?
Worvon wolt ich reden?

Ach ja/ von der Teutſchen Poeterey: was unterwinde ich mich a-
ber/ die von den Griechen und Lateinern erbettelte Verſkunſt/ un-
geſaltzene/ ſteltzende und hinkende Krippelreimen herauszuſtreichen/
ſolte das Muͤhwuͤrdig ſeyn?

Wuͤrde nicht Heinſius den Eſel/ Pirkamer den Zipperlein/
Cardan den Kaͤiſer Nero/ Scaliger die Gans/ Aldrovandus die Spin-
ne/ Melanchthon den Kaͤs/ Majoragius den Koht/ Stroza den Haa-
ſen/ Putean das Ey/ Leuſchner den Lortſch/ und andere was anders zu
loben Bedenken tragen.

Aber nichts dergleichen/ Ach Lieb- und Lobwuͤrdigſte Kunſt/
Schweſter der Natur/ Suͤſſigkeit der Vnſterblichen/ Buͤrgerin des
Himmels/ du biſt es/ die meinen Sinn/ Gemuͤt und Gedanken mit
einer uͤberirdiſchen Liebe deromaſſen bezaubert/ daß ich nicht weis/ was
ich wegen der voͤlligen Lobsmenge zuerſt oder zuletzt ſagen ſoll!

Goͤttliche Kunſt/ was hilfft es dich aber/ daß ich dich liebe und
lobe? Da hingegen jhrer viel dein hervorbrechendes wollautendes
Wundervermoͤgen/ mit ungegruͤndetem Zweifel und hoͤniſchẽ Kopf-
ſchuͤtteln/ vernichten/ als wereſt du eine neugebakkene/ unwuͤrdige/
guͤltloſe/ undienliche Zeitmoͤrder in/ gemeine Dirne/ und Peſt der
Jugend.

Wie aber ſonſt nichts ſo vollkommen/ daß der Verleumdung entuͤ-
briget/ alſo iſt auch der Name der Poeten ſo gar veraͤchtlich/ daß wañ
man jemand beſchimpffen wil/ einen Poeten nennet/ gleich als koͤnte
keiner einen guten Vers machen/ er muͤſſe dann ein boͤſer Menſch und
viſierlicher Kautz ſeyn.

Eines aber und das ander muß zuzeiten dieſer Kunſt Ergebenen
nachgeſehen werden/ weil ſie mit ihren Gedanken etwas freyer und
ſicherer gehen: Maſſen die Verrichtung anderer Geſchaͤffte die Poe-

tiſchen
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[3/0017] der Teutſchen Poetery. Ja/ was wolt ich abhandeln? Worvon wolt ich reden? Ach ja/ von der Teutſchen Poeterey: was unterwinde ich mich a- ber/ die von den Griechen und Lateinern erbettelte Verſkunſt/ un- geſaltzene/ ſteltzende und hinkende Krippelreimen herauszuſtreichen/ ſolte das Muͤhwuͤrdig ſeyn? Wuͤrde nicht Heinſius den Eſel/ Pirkamer den Zipperlein/ Cardan den Kaͤiſer Nero/ Scaliger die Gans/ Aldrovandus die Spin- ne/ Melanchthon den Kaͤs/ Majoragius den Koht/ Stroza den Haa- ſen/ Putean das Ey/ Leuſchner den Lortſch/ und andere was anders zu loben Bedenken tragen. Aber nichts dergleichen/ Ach Lieb- und Lobwuͤrdigſte Kunſt/ Schweſter der Natur/ Suͤſſigkeit der Vnſterblichen/ Buͤrgerin des Himmels/ du biſt es/ die meinen Sinn/ Gemuͤt und Gedanken mit einer uͤberirdiſchen Liebe deromaſſen bezaubert/ daß ich nicht weis/ was ich wegen der voͤlligen Lobsmenge zuerſt oder zuletzt ſagen ſoll! Goͤttliche Kunſt/ was hilfft es dich aber/ daß ich dich liebe und lobe? Da hingegen jhrer viel dein hervorbrechendes wollautendes Wundervermoͤgen/ mit ungegruͤndetem Zweifel und hoͤniſchẽ Kopf- ſchuͤtteln/ vernichten/ als wereſt du eine neugebakkene/ unwuͤrdige/ guͤltloſe/ undienliche Zeitmoͤrder in/ gemeine Dirne/ und Peſt der Jugend. Wie aber ſonſt nichts ſo vollkommen/ daß der Verleumdung entuͤ- briget/ alſo iſt auch der Name der Poeten ſo gar veraͤchtlich/ daß wañ man jemand beſchimpffen wil/ einen Poeten nennet/ gleich als koͤnte keiner einen guten Vers machen/ er muͤſſe dann ein boͤſer Menſch und viſierlicher Kautz ſeyn. Eines aber und das ander muß zuzeiten dieſer Kunſt Ergebenen nachgeſehen werden/ weil ſie mit ihren Gedanken etwas freyer und ſicherer gehen: Maſſen die Verrichtung anderer Geſchaͤffte die Poe- tiſchen B ij

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Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/17>, abgerufen am 26.04.2024.