Nachstehende Geschichte gehört in das Gebiet kakodämonisch- magnetischer Erscheinungen und bildet einen Uebergang zu den darauf folgenden, mehr den Besitzungen im neuen Testamente analogen Thatsachen.
In dem kleinen Orte Orlach, Oberamts Hall in Würtem- berg, lebt die Familie eines allgemein als sehr rechtschaffen anerkannten Bauern (der inzwischen zum Schultheißen seines Ortes erwählt wurde), Namens Grombach, lutherischer Confession. In dieser Familie herrscht Gottesfurcht und Recht- schaffenheit, aber keine Frömmeley. Ihre Lebensweise ist die einfacher Bauersleute und die Arbeit in Stall und Feld ihre einzige Beschäftigung. Grombach hat vier Kinder, die alle auf's eifrigste zum Feldbau angehalten sind. Durch Fleiß zeichnet sich auch besonders dessen zwanzigjährige Tochter, mit Namen Magdalene, aus. Dreschen, Hanfbrechen, Mähen, ist oft wochenlang von Tagesanbruch an bis in die späte Nacht ihre Beschäftigung. Der Schulunterricht ging ihr nur schwer ein, ob sie gleich zu andern Arbeiten gute Sinne hatte, und so gab sie sich auch später nicht mit Lesen von Büchern ab. Sie ist, ohne zu vollblütig zu seyn, stark, frisch, ein gesun- des Kind der Natur, war in ihrem ganzen Leben nie krank, hatte selbst nie die geringste Kinderkrankheit, nie Gichter, nie Würmer, nie einen Ausschlag, nie Blutstockungen, und brachte auch deswegen nie das Geringste von Arzeneymit- teln über den Mund.
Im J. 1831 im Monat Februar geschah es, als Grom- bach eine neue Kuh gekauft hatte, daß man dieses Thier zu wiederholtenmalen an einer andern Stelle im Stalle, als an
Geschichte des Mädchens von Orlach.
Nachſtehende Geſchichte gehört in das Gebiet kakodämoniſch- magnetiſcher Erſcheinungen und bildet einen Uebergang zu den darauf folgenden, mehr den Beſitzungen im neuen Teſtamente analogen Thatſachen.
In dem kleinen Orte Orlach, Oberamts Hall in Würtem- berg, lebt die Familie eines allgemein als ſehr rechtſchaffen anerkannten Bauern (der inzwiſchen zum Schultheißen ſeines Ortes erwählt wurde), Namens Grombach, lutheriſcher Confeſſion. In dieſer Familie herrſcht Gottesfurcht und Recht- ſchaffenheit, aber keine Frömmeley. Ihre Lebensweiſe iſt die einfacher Bauersleute und die Arbeit in Stall und Feld ihre einzige Beſchäftigung. Grombach hat vier Kinder, die alle auf’s eifrigſte zum Feldbau angehalten ſind. Durch Fleiß zeichnet ſich auch beſonders deſſen zwanzigjährige Tochter, mit Namen Magdalene, aus. Dreſchen, Hanfbrechen, Mähen, iſt oft wochenlang von Tagesanbruch an bis in die ſpäte Nacht ihre Beſchäftigung. Der Schulunterricht ging ihr nur ſchwer ein, ob ſie gleich zu andern Arbeiten gute Sinne hatte, und ſo gab ſie ſich auch ſpäter nicht mit Leſen von Büchern ab. Sie iſt, ohne zu vollblütig zu ſeyn, ſtark, friſch, ein geſun- des Kind der Natur, war in ihrem ganzen Leben nie krank, hatte ſelbſt nie die geringſte Kinderkrankheit, nie Gichter, nie Würmer, nie einen Ausſchlag, nie Blutſtockungen, und brachte auch deswegen nie das Geringſte von Arzeneymit- teln über den Mund.
Im J. 1831 im Monat Februar geſchah es, als Grom- bach eine neue Kuh gekauft hatte, daß man dieſes Thier zu wiederholtenmalen an einer andern Stelle im Stalle, als an
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Geschichte des Mädchens von Orlach.
Nachſtehende Geſchichte gehört in das Gebiet kakodämoniſch-
magnetiſcher Erſcheinungen und bildet einen Uebergang zu den
darauf folgenden, mehr den Beſitzungen im neuen Teſtamente
analogen Thatſachen.
In dem kleinen Orte Orlach, Oberamts Hall in Würtem-
berg, lebt die Familie eines allgemein als ſehr rechtſchaffen
anerkannten Bauern (der inzwiſchen zum Schultheißen ſeines
Ortes erwählt wurde), Namens Grombach, lutheriſcher
Confeſſion. In dieſer Familie herrſcht Gottesfurcht und Recht-
ſchaffenheit, aber keine Frömmeley. Ihre Lebensweiſe iſt die
einfacher Bauersleute und die Arbeit in Stall und Feld ihre
einzige Beſchäftigung. Grombach hat vier Kinder, die alle
auf’s eifrigſte zum Feldbau angehalten ſind. Durch Fleiß
zeichnet ſich auch beſonders deſſen zwanzigjährige Tochter, mit
Namen Magdalene, aus. Dreſchen, Hanfbrechen, Mähen,
iſt oft wochenlang von Tagesanbruch an bis in die ſpäte Nacht
ihre Beſchäftigung. Der Schulunterricht ging ihr nur ſchwer
ein, ob ſie gleich zu andern Arbeiten gute Sinne hatte, und
ſo gab ſie ſich auch ſpäter nicht mit Leſen von Büchern ab.
Sie iſt, ohne zu vollblütig zu ſeyn, ſtark, friſch, ein geſun-
des Kind der Natur, war in ihrem ganzen Leben nie krank,
hatte ſelbſt nie die geringſte Kinderkrankheit, nie Gichter, nie
Würmer, nie einen Ausſchlag, nie Blutſtockungen, und
brachte auch deswegen nie das Geringſte von Arzeneymit-
teln über den Mund.
Im J. 1831 im Monat Februar geſchah es, als Grom-
bach eine neue Kuh gekauft hatte, daß man dieſes Thier zu
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/34>, abgerufen am 23.02.2025.
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