nen, muß die Offenbarung ergänzen, und sie ist es auch, die uns im Evangelium das Reich des Satans und das Reich Christi genügend lehrt. Durch sie erst erfahren wir die Gegensätze, die in den Extremen liegen, wie Dämoneu und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde und Heiligkeit, Fluch und Segen, welche mehr bedeuten, als die Gegensätze, die innerhalb des Selbstbewußt- seyns sich erzeugen, wie zwischen Guten und Bösen, Strafe und Lohn, Laster und Tugend, Schaden und Wohlthat. Durch sie lernen wir erst die Idee des wahren Gottes in uns aufnehmen und unser Verhältniß zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das christliche Princip die Erfordernisse zum ewigen Leben, welche die Weltweisheit aufzufinden seit Jahrtausenden vergeblich sich bemühte.
Alles dieß zusammengenommen mag uns über- zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie sie in den voranstehenden Geschichten geschil- dert ist, keine blose Hypothese ist.
Gestaltung der Unnatur.
Besitzung und Zauber ist das häßliche Zwillingspaar, das aus der Unnatur aufsteigt und seine verhaßte Wirkungen immer in die Menschen-Natur fortzuflanzen bereit ist. Es erscheint hier eine Macht, die den Zusammenhang der Natur- gesetze auflöst, und nicht mehr durch die Masse gebrochen und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon die Physik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig von Masse und Dichtigkeit der Materie und zugleich insensibel für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere und besonders die physisch-magnetische Kraft. Diese ato- mistische Kräfte sind kein Product der Körperwelt, sondern erzeugen sich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird nun eine solche Kraft durch einen Willen und zwar, nach unserer Annahme, durch einen dämonischen potenziert, so
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nen, muß die Offenbarung ergänzen, und ſie iſt es auch, die uns im Evangelium das Reich des Satans und das Reich Chriſti genügend lehrt. Durch ſie erſt erfahren wir die Gegenſätze, die in den Extremen liegen, wie Dämoneu und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde und Heiligkeit, Fluch und Segen, welche mehr bedeuten, als die Gegenſätze, die innerhalb des Selbſtbewußt- ſeyns ſich erzeugen, wie zwiſchen Guten und Böſen, Strafe und Lohn, Laſter und Tugend, Schaden und Wohlthat. Durch ſie lernen wir erſt die Idee des wahren Gottes in uns aufnehmen und unſer Verhältniß zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das chriſtliche Princip die Erforderniſſe zum ewigen Leben, welche die Weltweisheit aufzufinden ſeit Jahrtauſenden vergeblich ſich bemühte.
Alles dieß zuſammengenommen mag uns über- zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie ſie in den voranſtehenden Geſchichten geſchil- dert iſt, keine bloſe Hypotheſe iſt.
Geſtaltung der Unnatur.
Beſitzung und Zauber iſt das häßliche Zwillingspaar, das aus der Unnatur aufſteigt und ſeine verhaßte Wirkungen immer in die Menſchen-Natur fortzuflanzen bereit iſt. Es erſcheint hier eine Macht, die den Zuſammenhang der Natur- geſetze auflöst, und nicht mehr durch die Maſſe gebrochen und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon die Phyſik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig von Maſſe und Dichtigkeit der Materie und zugleich inſenſibel für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere und beſonders die phyſiſch-magnetiſche Kraft. Dieſe ato- miſtiſche Kräfte ſind kein Product der Körperwelt, ſondern erzeugen ſich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird nun eine ſolche Kraft durch einen Willen und zwar, nach unſerer Annahme, durch einen dämoniſchen potenziert, ſo
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nen, muß die Offenbarung ergänzen, und ſie iſt es auch,
die uns im Evangelium das Reich des Satans und das
Reich Chriſti genügend lehrt. Durch ſie erſt erfahren wir die
Gegenſätze, die in den Extremen liegen, wie Dämoneu
und Engel, Verdammniß und Seligkeit, Sünde
und Heiligkeit, Fluch und Segen, welche mehr
bedeuten, als die Gegenſätze, die innerhalb des Selbſtbewußt-
ſeyns ſich erzeugen, wie zwiſchen Guten und Böſen,
Strafe und Lohn, Laſter und Tugend, Schaden
und Wohlthat. Durch ſie lernen wir erſt die Idee des
wahren Gottes in uns aufnehmen und unſer Verhältniß
zu ihm erkennen. Aber über Alles lehrt uns das chriſtliche
Princip die Erforderniſſe zum ewigen Leben, welche die
Weltweisheit aufzufinden ſeit Jahrtauſenden vergeblich ſich
bemühte.
Alles dieß zuſammengenommen mag uns über-
zeugen, daß die Annahme einer Unnatur, wie
ſie in den voranſtehenden Geſchichten geſchil-
dert iſt, keine bloſe Hypotheſe iſt.
Geſtaltung der Unnatur.
Beſitzung und Zauber iſt das häßliche Zwillingspaar,
das aus der Unnatur aufſteigt und ſeine verhaßte Wirkungen
immer in die Menſchen-Natur fortzuflanzen bereit iſt. Es
erſcheint hier eine Macht, die den Zuſammenhang der Natur-
geſetze auflöst, und nicht mehr durch die Maſſe gebrochen
und durch die Dichtigkeit der Materie gehemmt wird. Schon
die Phyſik unterrichtet uns von Kräften, welche, unabhängig
von Maſſe und Dichtigkeit der Materie und zugleich inſenſibel
für alle Sinnen, ihre Wirkungen äußern, wie die Schwere
und beſonders die phyſiſch-magnetiſche Kraft. Dieſe ato-
miſtiſche Kräfte ſind kein Product der Körperwelt, ſondern
erzeugen ſich an ihrer Gränze als eine Polarkraft. Wird
nun eine ſolche Kraft durch einen Willen und zwar, nach
unſerer Annahme, durch einen dämoniſchen potenziert, ſo
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/145>, abgerufen am 23.02.2025.
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