gay ruft noch immer Kakatu wie er am ersten Tage seiner Schöpfung gerufen hat.
§. 24.
Aber nehmen wir an, daß die zwey ersten Menschen beyderley Geschlechts schon mit der Spra- che begabt erschaffen worden sind, was hatten sie sich zu sagen -- in der neuen Welt, wo ihre Nahrung Baumfrüchten, ihr Dach ein Baum, und ihr Lager die Erde war. Wo sie ausser dem natürlichen thie- rischen Trieb zur Nahrung und Fortpflanzung keine Bedürfniße kannten. Läßt sich wohl bey ihnen in einem solchen Zustande eine andere, als äußerst arme, und nur auf wenig Worte eingeschränkte Sprache vermuthen? Was hatten sie für Namen für das Gold, Silber, Eisen, Bley, Kupfer, und alle die Halbmetalle und Steine, die noch tief in Bergen vergraben lagen -- für das Holz, das noch in seiner Rinde verhüllet in den Baum dastand -- Für die Eingeweide und Knochen der Thiere, deren sie noch keines entblößt sahen -- überhaupt für al- len ersten rohen Stof für so viel tausend Geräth-
schaften,
II. Abtheilung. Gedanken
gay ruft noch immer Kakatu wie er am erſten Tage ſeiner Schoͤpfung gerufen hat.
§. 24.
Aber nehmen wir an, daß die zwey erſten Menſchen beyderley Geſchlechts ſchon mit der Spra- che begabt erſchaffen worden ſind, was hatten ſie ſich zu ſagen — in der neuen Welt, wo ihre Nahrung Baumfruͤchten, ihr Dach ein Baum, und ihr Lager die Erde war. Wo ſie auſſer dem natuͤrlichen thie- riſchen Trieb zur Nahrung und Fortpflanzung keine Beduͤrfniße kannten. Laͤßt ſich wohl bey ihnen in einem ſolchen Zuſtande eine andere, als aͤußerſt arme, und nur auf wenig Worte eingeſchraͤnkte Sprache vermuthen? Was hatten ſie fuͤr Namen fuͤr das Gold, Silber, Eiſen, Bley, Kupfer, und alle die Halbmetalle und Steine, die noch tief in Bergen vergraben lagen — fuͤr das Holz, das noch in ſeiner Rinde verhuͤllet in den Baum daſtand — Fuͤr die Eingeweide und Knochen der Thiere, deren ſie noch keines entbloͤßt ſahen — uͤberhaupt fuͤr al- len erſten rohen Stof fuͤr ſo viel tauſend Geraͤth-
ſchaften,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0078"n="50"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II</hi>. Abtheilung. Gedanken</hi></fw><lb/>
gay ruft noch immer <hirendition="#b">Kakatu</hi> wie er am erſten<lb/>
Tage ſeiner Schoͤpfung gerufen hat.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 24.</head><lb/><p>Aber nehmen wir an, daß die zwey erſten<lb/>
Menſchen beyderley Geſchlechts ſchon mit der Spra-<lb/>
che begabt erſchaffen worden ſind, was hatten ſie ſich<lb/>
zu ſagen — in der neuen Welt, wo ihre Nahrung<lb/>
Baumfruͤchten, ihr Dach ein Baum, und ihr Lager<lb/>
die Erde war. Wo ſie auſſer dem natuͤrlichen thie-<lb/>
riſchen Trieb zur Nahrung und Fortpflanzung keine<lb/>
Beduͤrfniße kannten. Laͤßt ſich wohl bey ihnen in<lb/>
einem ſolchen Zuſtande eine andere, als aͤußerſt<lb/>
arme, und nur auf wenig Worte eingeſchraͤnkte<lb/>
Sprache vermuthen? Was hatten ſie fuͤr Namen<lb/>
fuͤr das Gold, Silber, Eiſen, Bley, Kupfer, und<lb/>
alle die Halbmetalle und Steine, die noch tief in<lb/>
Bergen vergraben lagen — fuͤr das Holz, das noch<lb/>
in ſeiner Rinde verhuͤllet in den Baum daſtand —<lb/>
Fuͤr die Eingeweide und Knochen der Thiere, deren<lb/>ſie noch keines entbloͤßt ſahen — uͤberhaupt fuͤr al-<lb/>
len erſten rohen Stof fuͤr ſo viel tauſend Geraͤth-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchaften,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[50/0078]
II. Abtheilung. Gedanken
gay ruft noch immer Kakatu wie er am erſten
Tage ſeiner Schoͤpfung gerufen hat.
§. 24.
Aber nehmen wir an, daß die zwey erſten
Menſchen beyderley Geſchlechts ſchon mit der Spra-
che begabt erſchaffen worden ſind, was hatten ſie ſich
zu ſagen — in der neuen Welt, wo ihre Nahrung
Baumfruͤchten, ihr Dach ein Baum, und ihr Lager
die Erde war. Wo ſie auſſer dem natuͤrlichen thie-
riſchen Trieb zur Nahrung und Fortpflanzung keine
Beduͤrfniße kannten. Laͤßt ſich wohl bey ihnen in
einem ſolchen Zuſtande eine andere, als aͤußerſt
arme, und nur auf wenig Worte eingeſchraͤnkte
Sprache vermuthen? Was hatten ſie fuͤr Namen
fuͤr das Gold, Silber, Eiſen, Bley, Kupfer, und
alle die Halbmetalle und Steine, die noch tief in
Bergen vergraben lagen — fuͤr das Holz, das noch
in ſeiner Rinde verhuͤllet in den Baum daſtand —
Fuͤr die Eingeweide und Knochen der Thiere, deren
ſie noch keines entbloͤßt ſahen — uͤberhaupt fuͤr al-
len erſten rohen Stof fuͤr ſo viel tauſend Geraͤth-
ſchaften,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/78>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.