nun mein sagen will, was thu' ich um das m an- zustimmen? Jch lasse die Lippen zu, wie sie sind, öffne die Nase, laße die Stimme tönen, und sie zur Nase hinausziehen. Nun sind die Nase öff- nen, und die Stimme durch sie hinaus- ziehen lassen, Handlungen, die ganz allein der Nase zukommen, also ist bey M die Nase der thäti- ge Werkzeug, also muß nach diesem das M be- nannt werden, also muß es ein Naselaut heissen. Nichts kann klärer seyn. Warum ist man darüber einig, daß N ein Naselaut ist? Geht bey M die Stimme nicht eben so gut zur Nase hinaus? Könn- te man N nicht mit eben dem Rechte einen Zungen- laut nennen, weil der Zungenkanal mit der Zunge verschlossen wird, als man das M einen Lippenlaut nennet, weil dieser Kanal durch die Lippen verschlos- sen wird? der Widerspruch ist offenbar.
§. 172.
Eben diese bisherige Meinung, daß M unter die Lippenlaute gehört, mag veranlasset haben, was in Adelungs Wörterbuch unter diesem Buch-
sta-
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Von den Lauten oder Buchſtaben.
nun mein ſagen will, was thu' ich um das m an- zuſtimmen? Jch laſſe die Lippen zu, wie ſie ſind, oͤffne die Naſe, laße die Stimme toͤnen, und ſie zur Naſe hinausziehen. Nun ſind die Naſe oͤff- nen, und die Stimme durch ſie hinaus- ziehen laſſen, Handlungen, die ganz allein der Naſe zukommen, alſo iſt bey M die Naſe der thaͤti- ge Werkzeug, alſo muß nach dieſem das M be- nannt werden, alſo muß es ein Naſelaut heiſſen. Nichts kann klaͤrer ſeyn. Warum iſt man daruͤber einig, daß N ein Naſelaut iſt? Geht bey M die Stimme nicht eben ſo gut zur Naſe hinaus? Koͤnn- te man N nicht mit eben dem Rechte einen Zungen- laut nennen, weil der Zungenkanal mit der Zunge verſchloſſen wird, als man das M einen Lippenlaut nennet, weil dieſer Kanal durch die Lippen verſchloſ- ſen wird? der Widerſpruch iſt offenbar.
§. 172.
Eben dieſe bisherige Meinung, daß M unter die Lippenlaute gehoͤrt, mag veranlaſſet haben, was in Adelungs Woͤrterbuch unter dieſem Buch-
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Von den Lauten oder Buchſtaben.
nun mein ſagen will, was thu' ich um das m an-
zuſtimmen? Jch laſſe die Lippen zu, wie ſie ſind,
oͤffne die Naſe, laße die Stimme toͤnen, und ſie
zur Naſe hinausziehen. Nun ſind die Naſe oͤff-
nen, und die Stimme durch ſie hinaus-
ziehen laſſen, Handlungen, die ganz allein der
Naſe zukommen, alſo iſt bey M die Naſe der thaͤti-
ge Werkzeug, alſo muß nach dieſem das M be-
nannt werden, alſo muß es ein Naſelaut heiſſen.
Nichts kann klaͤrer ſeyn. Warum iſt man daruͤber
einig, daß N ein Naſelaut iſt? Geht bey M die
Stimme nicht eben ſo gut zur Naſe hinaus? Koͤnn-
te man N nicht mit eben dem Rechte einen Zungen-
laut nennen, weil der Zungenkanal mit der Zunge
verſchloſſen wird, als man das M einen Lippenlaut
nennet, weil dieſer Kanal durch die Lippen verſchloſ-
ſen wird? der Widerſpruch iſt offenbar.
§. 172.
Eben dieſe bisherige Meinung, daß M unter
die Lippenlaute gehoͤrt, mag veranlaſſet haben, was
in Adelungs Woͤrterbuch unter dieſem Buch-
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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/365>, abgerufen am 22.02.2025.
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