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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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sie ist es, welche alle anderen von selbst anzieht,
und in nothwendigster Weise sehr zweckmäßig
gerade je nach Beschaffenheit des lernenden jun¬
gen Menschen. Alle Einwürfe von Altklugheit,
Halbverständniß oder gar von Verbreitung einer
allgemeinen Hypochondrie in das unbefangene
Volksgemüth werden verstummen, sobald die clas¬
sische Form für den großen öffentlichen Unterricht
vom leidlichen Menschen gefunden ist.

Die Kenntniß vom Charakteristischen und
Wesentlichen der Dinge läßt diejenige vom letzten
Grunde einstweilen eher vermissen oder führt we¬
nigstens auf den Weg, denselben auf eine ver¬
nünftigere und mildere Weise zu suchen, während
sie zugleich alle unnützen, müßigen Mährchen und
Vorurtheile hinwegräumt und dem Menschen
einen schönen, wirklichen Stoff und Halt zum
Nachdenken giebt, ein Nachdenken, welches dann
zu dem einzig möglichen Ideal, zu dem, was
wirklich besteht, hinführt. Welch' ein Unterschied
ist zwischen dem theosophischen Phantasten, der
immerdar von der Quelle des Lichtes, als von
einem irgendwo in's Centrum gesetzten sprühen¬

ſie iſt es, welche alle anderen von ſelbſt anzieht,
und in nothwendigſter Weiſe ſehr zweckmaͤßig
gerade je nach Beſchaffenheit des lernenden jun¬
gen Menſchen. Alle Einwuͤrfe von Altklugheit,
Halbverſtaͤndniß oder gar von Verbreitung einer
allgemeinen Hypochondrie in das unbefangene
Volksgemuͤth werden verſtummen, ſobald die claſ¬
ſiſche Form fuͤr den großen oͤffentlichen Unterricht
vom leidlichen Menſchen gefunden iſt.

Die Kenntniß vom Charakteriſtiſchen und
Weſentlichen der Dinge laͤßt diejenige vom letzten
Grunde einſtweilen eher vermiſſen oder fuͤhrt we¬
nigſtens auf den Weg, denſelben auf eine ver¬
nuͤnftigere und mildere Weiſe zu ſuchen, waͤhrend
ſie zugleich alle unnuͤtzen, muͤßigen Maͤhrchen und
Vorurtheile hinwegraͤumt und dem Menſchen
einen ſchoͤnen, wirklichen Stoff und Halt zum
Nachdenken giebt, ein Nachdenken, welches dann
zu dem einzig moͤglichen Ideal, zu dem, was
wirklich beſteht, hinfuͤhrt. Welch' ein Unterſchied
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[52/0062] ſie iſt es, welche alle anderen von ſelbſt anzieht, und in nothwendigſter Weiſe ſehr zweckmaͤßig gerade je nach Beſchaffenheit des lernenden jun¬ gen Menſchen. Alle Einwuͤrfe von Altklugheit, Halbverſtaͤndniß oder gar von Verbreitung einer allgemeinen Hypochondrie in das unbefangene Volksgemuͤth werden verſtummen, ſobald die claſ¬ ſiſche Form fuͤr den großen oͤffentlichen Unterricht vom leidlichen Menſchen gefunden iſt. Die Kenntniß vom Charakteriſtiſchen und Weſentlichen der Dinge laͤßt diejenige vom letzten Grunde einſtweilen eher vermiſſen oder fuͤhrt we¬ nigſtens auf den Weg, denſelben auf eine ver¬ nuͤnftigere und mildere Weiſe zu ſuchen, waͤhrend ſie zugleich alle unnuͤtzen, muͤßigen Maͤhrchen und Vorurtheile hinwegraͤumt und dem Menſchen einen ſchoͤnen, wirklichen Stoff und Halt zum Nachdenken giebt, ein Nachdenken, welches dann zu dem einzig moͤglichen Ideal, zu dem, was wirklich beſteht, hinfuͤhrt. Welch' ein Unterſchied iſt zwiſchen dem theoſophiſchen Phantaſten, der immerdar von der Quelle des Lichtes, als von einem irgendwo in's Centrum geſetzten ſpruͤhen¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/62>, abgerufen am 26.04.2024.