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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Nützlichkeitsgründen noch einmal vornahm, behan¬
delte er diese Arbeit doch mit aller Liebe und
Aufmerksamkeit, und diese ruhige und klare Liebe
gab ihm fast mühelos die rechten Mittel ein, so
daß unversehens die Bilder eine Farbe bekamen,
als ob er von jeher gut gemalt hätte und die
Gewandtheit und Zweckmäßigkeit selber wäre.
Dieß machte ihm das größte Vergnügen und er
bereute gar nicht, daß es das erste und letzte Mal
sein sollte, wo er ein guter Maler war, vielmehr
dachte er schon während dieser Arbeit an die neue
Zukunft, und während er zweckmäßige und beson¬
nene klare Farben aufsetzte, gingen ihm allerhand
Gedanken von der Zweckmäßigkeit des Lebens
überhaupt durch den Kopf.

Der Graf war kein Gelehrter, was man so
heißt, aber er kannte den Werth und die Bedeu¬
tung aller Disciplinen und wußte für das, wessen
er bedurfte, sich das Wesentliche sogleich zu be¬
schaffen und anzueignen und immer war bei ihm
guter Rath und ein gesundes menschliches Urtheil
zu finden. Demgemäß waren auch seine Bücher¬
vorräthe und andere Hülfsmittel beschaffen, so

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Nuͤtzlichkeitsgruͤnden noch einmal vornahm, behan¬
delte er dieſe Arbeit doch mit aller Liebe und
Aufmerkſamkeit, und dieſe ruhige und klare Liebe
gab ihm faſt muͤhelos die rechten Mittel ein, ſo
daß unverſehens die Bilder eine Farbe bekamen,
als ob er von jeher gut gemalt haͤtte und die
Gewandtheit und Zweckmaͤßigkeit ſelber waͤre.
Dieß machte ihm das groͤßte Vergnuͤgen und er
bereute gar nicht, daß es das erſte und letzte Mal
ſein ſollte, wo er ein guter Maler war, vielmehr
dachte er ſchon waͤhrend dieſer Arbeit an die neue
Zukunft, und waͤhrend er zweckmaͤßige und beſon¬
nene klare Farben aufſetzte, gingen ihm allerhand
Gedanken von der Zweckmaͤßigkeit des Lebens
uͤberhaupt durch den Kopf.

Der Graf war kein Gelehrter, was man ſo
heißt, aber er kannte den Werth und die Bedeu¬
tung aller Disciplinen und wußte fuͤr das, weſſen
er bedurfte, ſich das Weſentliche ſogleich zu be¬
ſchaffen und anzueignen und immer war bei ihm
guter Rath und ein geſundes menſchliches Urtheil
zu finden. Demgemaͤß waren auch ſeine Buͤcher¬
vorraͤthe und andere Huͤlfsmittel beſchaffen, ſo

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[371/0381] Nuͤtzlichkeitsgruͤnden noch einmal vornahm, behan¬ delte er dieſe Arbeit doch mit aller Liebe und Aufmerkſamkeit, und dieſe ruhige und klare Liebe gab ihm faſt muͤhelos die rechten Mittel ein, ſo daß unverſehens die Bilder eine Farbe bekamen, als ob er von jeher gut gemalt haͤtte und die Gewandtheit und Zweckmaͤßigkeit ſelber waͤre. Dieß machte ihm das groͤßte Vergnuͤgen und er bereute gar nicht, daß es das erſte und letzte Mal ſein ſollte, wo er ein guter Maler war, vielmehr dachte er ſchon waͤhrend dieſer Arbeit an die neue Zukunft, und waͤhrend er zweckmaͤßige und beſon¬ nene klare Farben aufſetzte, gingen ihm allerhand Gedanken von der Zweckmaͤßigkeit des Lebens uͤberhaupt durch den Kopf. Der Graf war kein Gelehrter, was man ſo heißt, aber er kannte den Werth und die Bedeu¬ tung aller Disciplinen und wußte fuͤr das, weſſen er bedurfte, ſich das Weſentliche ſogleich zu be¬ ſchaffen und anzueignen und immer war bei ihm guter Rath und ein geſundes menſchliches Urtheil zu finden. Demgemaͤß waren auch ſeine Buͤcher¬ vorraͤthe und andere Huͤlfsmittel beſchaffen, ſo 24 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/381>, abgerufen am 26.04.2024.