Sinnen über die schwarzen Dächer der Nachbar¬ schaft hinausschauend.
Heinrich streckte die Arme nach dem Fenster empor; als sich die Mutter aber leise rührte, ver¬ barg er sich hinter einem Mauervorsprung und suchte angstvoll aus der stillen dunklen Stadt zu entkommen, ohne gesehen zu werden. Er drückte sich längs den Häusern hin und wanderte auch alsbald an seinem schlechten Stecken auf einer unabsehbaren Landstraße dahin zurück, wo er her¬ gekommen war. Er wanderte und wanderte rastlos und mühselig, ohne sich umzusehen, und als er in sein wirkliches Elend aufwachte, fiel ihm ein Stein vom Herzen und er war so froh, als ob der glücklichste Tag ihn begrüßte.
So zeigte sich dem schlafenden Heinrich die Kraft und Schönheit des Vaterlandes in den lieblichsten Traumbildern, wo Alles glänzend über¬ trieben war in dem Maße, als er sich dahin zu¬ rücksehnte und seine verlangende Phantasie das Ersehnte ausmalte. Er wunderte sich über diese Traumgewalt und freute sich derselben wie einer schönen Freundin, welche ihm das Elend versüßte;
Sinnen uͤber die ſchwarzen Daͤcher der Nachbar¬ ſchaft hinausſchauend.
Heinrich ſtreckte die Arme nach dem Fenſter empor; als ſich die Mutter aber leiſe ruͤhrte, ver¬ barg er ſich hinter einem Mauervorſprung und ſuchte angſtvoll aus der ſtillen dunklen Stadt zu entkommen, ohne geſehen zu werden. Er druͤckte ſich laͤngs den Haͤuſern hin und wanderte auch alsbald an ſeinem ſchlechten Stecken auf einer unabſehbaren Landſtraße dahin zuruͤck, wo er her¬ gekommen war. Er wanderte und wanderte raſtlos und muͤhſelig, ohne ſich umzuſehen, und als er in ſein wirkliches Elend aufwachte, fiel ihm ein Stein vom Herzen und er war ſo froh, als ob der gluͤcklichſte Tag ihn begruͤßte.
So zeigte ſich dem ſchlafenden Heinrich die Kraft und Schoͤnheit des Vaterlandes in den lieblichſten Traumbildern, wo Alles glaͤnzend uͤber¬ trieben war in dem Maße, als er ſich dahin zu¬ ruͤckſehnte und ſeine verlangende Phantaſie das Erſehnte ausmalte. Er wunderte ſich uͤber dieſe Traumgewalt und freute ſich derſelben wie einer ſchoͤnen Freundin, welche ihm das Elend verſuͤßte;
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Sinnen uͤber die ſchwarzen Daͤcher der Nachbar¬
ſchaft hinausſchauend.
Heinrich ſtreckte die Arme nach dem Fenſter
empor; als ſich die Mutter aber leiſe ruͤhrte, ver¬
barg er ſich hinter einem Mauervorſprung und
ſuchte angſtvoll aus der ſtillen dunklen Stadt zu
entkommen, ohne geſehen zu werden. Er druͤckte
ſich laͤngs den Haͤuſern hin und wanderte auch
alsbald an ſeinem ſchlechten Stecken auf einer
unabſehbaren Landſtraße dahin zuruͤck, wo er her¬
gekommen war. Er wanderte und wanderte
raſtlos und muͤhſelig, ohne ſich umzuſehen, und
als er in ſein wirkliches Elend aufwachte, fiel
ihm ein Stein vom Herzen und er war ſo froh,
als ob der gluͤcklichſte Tag ihn begruͤßte.
So zeigte ſich dem ſchlafenden Heinrich die
Kraft und Schoͤnheit des Vaterlandes in den
lieblichſten Traumbildern, wo Alles glaͤnzend uͤber¬
trieben war in dem Maße, als er ſich dahin zu¬
ruͤckſehnte und ſeine verlangende Phantaſie das
Erſehnte ausmalte. Er wunderte ſich uͤber dieſe
Traumgewalt und freute ſich derſelben wie einer
ſchoͤnen Freundin, welche ihm das Elend verſuͤßte;
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/271>, abgerufen am 27.04.2024.
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