Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

hurtig wieder ein, um nur schnell wieder in das
gelobte Land zu kommen und die Heimreise zu
vollenden.

Er fand sich in einem großen Walde wieder
und ging auf einem wunderlichen schmalen Bret¬
tersteig, welcher sich hoch durch die Aeste und
Baumkronen wand, eine Art endlosen hängenden
Brückenbaues, indessen der bequeme Boden unten
unbenutzt blieb. Aber es war schön hinabzu¬
schauen auf denselben, da er ganz aus grü¬
nem Moose bestand, welches in tiefer Dunkel¬
heit lag. Auf dem Moose wuchsen Tausende von
einzelnen sternförmigen Blumen auf schwankem
Stengel, die sich immer dem oben gehenden Be¬
schauer zuwandten; im Schatten jeder Blume
stand ein kleines Bergmännchen, welches mittelst
eines in einem goldenen Laternchen eingefaßten
Karfunkels die nächste Blume beleuchtete, daß sie
aus der Tiefe glänzte wie ein blauer oder rother
Stern, und indem sich die Blumengestirne lang¬
samer oder schneller drehten, gingen die Männchen
mit ihren Laternchen um sie herum und lenkten
sorgfältig den Lichtstrahl auf den Kelch. Jede

hurtig wieder ein, um nur ſchnell wieder in das
gelobte Land zu kommen und die Heimreiſe zu
vollenden.

Er fand ſich in einem großen Walde wieder
und ging auf einem wunderlichen ſchmalen Bret¬
terſteig, welcher ſich hoch durch die Aeſte und
Baumkronen wand, eine Art endloſen haͤngenden
Bruͤckenbaues, indeſſen der bequeme Boden unten
unbenutzt blieb. Aber es war ſchoͤn hinabzu¬
ſchauen auf denſelben, da er ganz aus gruͤ¬
nem Mooſe beſtand, welches in tiefer Dunkel¬
heit lag. Auf dem Mooſe wuchſen Tauſende von
einzelnen ſternfoͤrmigen Blumen auf ſchwankem
Stengel, die ſich immer dem oben gehenden Be¬
ſchauer zuwandten; im Schatten jeder Blume
ſtand ein kleines Bergmaͤnnchen, welches mittelſt
eines in einem goldenen Laternchen eingefaßten
Karfunkels die naͤchſte Blume beleuchtete, daß ſie
aus der Tiefe glaͤnzte wie ein blauer oder rother
Stern, und indem ſich die Blumengeſtirne lang¬
ſamer oder ſchneller drehten, gingen die Maͤnnchen
mit ihren Laternchen um ſie herum und lenkten
ſorgfaͤltig den Lichtſtrahl auf den Kelch. Jede

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="232"/>
hurtig wieder ein, um nur &#x017F;chnell wieder in das<lb/>
gelobte Land zu kommen und die Heimrei&#x017F;e zu<lb/>
vollenden.</p><lb/>
        <p>Er fand &#x017F;ich in einem großen Walde wieder<lb/>
und ging auf einem wunderlichen &#x017F;chmalen Bret¬<lb/>
ter&#x017F;teig, welcher &#x017F;ich hoch durch die Ae&#x017F;te und<lb/>
Baumkronen wand, eine Art endlo&#x017F;en ha&#x0364;ngenden<lb/>
Bru&#x0364;ckenbaues, inde&#x017F;&#x017F;en der bequeme Boden unten<lb/>
unbenutzt blieb. Aber es war &#x017F;cho&#x0364;n hinabzu¬<lb/>
&#x017F;chauen auf den&#x017F;elben, da er ganz aus gru&#x0364;¬<lb/>
nem Moo&#x017F;e be&#x017F;tand, welches in tiefer Dunkel¬<lb/>
heit lag. Auf dem Moo&#x017F;e wuch&#x017F;en Tau&#x017F;ende von<lb/>
einzelnen &#x017F;ternfo&#x0364;rmigen Blumen auf &#x017F;chwankem<lb/>
Stengel, die &#x017F;ich immer dem oben gehenden Be¬<lb/>
&#x017F;chauer zuwandten; im Schatten jeder Blume<lb/>
&#x017F;tand ein kleines Bergma&#x0364;nnchen, welches mittel&#x017F;t<lb/>
eines in einem goldenen Laternchen eingefaßten<lb/>
Karfunkels die na&#x0364;ch&#x017F;te Blume beleuchtete, daß &#x017F;ie<lb/>
aus der Tiefe gla&#x0364;nzte wie ein blauer oder rother<lb/>
Stern, und indem &#x017F;ich die Blumenge&#x017F;tirne lang¬<lb/>
&#x017F;amer oder &#x017F;chneller drehten, gingen die Ma&#x0364;nnchen<lb/>
mit ihren Laternchen um &#x017F;ie herum und lenkten<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltig den Licht&#x017F;trahl auf den Kelch. Jede<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0242] hurtig wieder ein, um nur ſchnell wieder in das gelobte Land zu kommen und die Heimreiſe zu vollenden. Er fand ſich in einem großen Walde wieder und ging auf einem wunderlichen ſchmalen Bret¬ terſteig, welcher ſich hoch durch die Aeſte und Baumkronen wand, eine Art endloſen haͤngenden Bruͤckenbaues, indeſſen der bequeme Boden unten unbenutzt blieb. Aber es war ſchoͤn hinabzu¬ ſchauen auf denſelben, da er ganz aus gruͤ¬ nem Mooſe beſtand, welches in tiefer Dunkel¬ heit lag. Auf dem Mooſe wuchſen Tauſende von einzelnen ſternfoͤrmigen Blumen auf ſchwankem Stengel, die ſich immer dem oben gehenden Be¬ ſchauer zuwandten; im Schatten jeder Blume ſtand ein kleines Bergmaͤnnchen, welches mittelſt eines in einem goldenen Laternchen eingefaßten Karfunkels die naͤchſte Blume beleuchtete, daß ſie aus der Tiefe glaͤnzte wie ein blauer oder rother Stern, und indem ſich die Blumengeſtirne lang¬ ſamer oder ſchneller drehten, gingen die Maͤnnchen mit ihren Laternchen um ſie herum und lenkten ſorgfaͤltig den Lichtſtrahl auf den Kelch. Jede

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/242
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/242>, abgerufen am 26.04.2024.