Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Skorpion,
die Schildkröte und die Gans.


Eine Traumfabel.



Am weidenreichen Spreegestade,
Wo die gesicherte Najade
Ihr lockigt Haupt noch stolzer trug,
Seitdem in Sachsenland Held Heinrich Feinde schlug;
Am Spreegestade kroch aus einem holen Baum
Ein Skorpion, das glaubt man kaum.
Giebts zu Berlin auch Skorpionen?
Ich dachte, daß sie nur in heißen Ländern wohnen.
Mein Leser, höre doch, ich sah ihn nur im Traum.
Er kroch am Ufer hin und wieder,
Und sah, von bittern Neid bewegt,
Ins grüne Schilf scheelsüchtig nieder
Auf ein Geschöpf, das sich mit breitem Schilde trägt,
Und schmackhaft ist am Fleisch, und nach dem Tode
glänzet
In seinem Deckel schön polirt.
Der Skorpion mit Gift zum Schadenthun geschwänzet,
Von der Natur, und nicht geziert
S

Der Skorpion,
die Schildkroͤte und die Gans.


Eine Traumfabel.



Am weidenreichen Spreegeſtade,
Wo die geſicherte Najade
Ihr lockigt Haupt noch ſtolzer trug,
Seitdem in Sachſenland Held Heinrich Feinde ſchlug;
Am Spreegeſtade kroch aus einem holen Baum
Ein Skorpion, das glaubt man kaum.
Giebts zu Berlin auch Skorpionen?
Ich dachte, daß ſie nur in heißen Laͤndern wohnen.
Mein Leſer, hoͤre doch, ich ſah ihn nur im Traum.
Er kroch am Ufer hin und wieder,
Und ſah, von bittern Neid bewegt,
Ins gruͤne Schilf ſcheelſuͤchtig nieder
Auf ein Geſchoͤpf, das ſich mit breitem Schilde traͤgt,
Und ſchmackhaft iſt am Fleiſch, und nach dem Tode
glaͤnzet
In ſeinem Deckel ſchoͤn polirt.
Der Skorpion mit Gift zum Schadenthun geſchwaͤnzet,
Von der Natur, und nicht geziert
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0433" n="273"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der Skorpion,<lb/>
die Schildkro&#x0364;te und die Gans.</hi> </head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Eine Traumfabel.</hi> </hi> </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>m weidenreichen Spreege&#x017F;tade,</l><lb/>
              <l>Wo die ge&#x017F;icherte Najade</l><lb/>
              <l>Ihr lockigt Haupt noch &#x017F;tolzer trug,</l><lb/>
              <l>Seitdem in Sach&#x017F;enland Held Heinrich Feinde &#x017F;chlug;</l><lb/>
              <l>Am Spreege&#x017F;tade kroch aus einem holen Baum</l><lb/>
              <l>Ein Skorpion, das glaubt man kaum.</l><lb/>
              <l>Giebts zu Berlin auch Skorpionen?</l><lb/>
              <l>Ich dachte, daß &#x017F;ie nur in heißen La&#x0364;ndern wohnen.</l><lb/>
              <l>Mein Le&#x017F;er, ho&#x0364;re doch, ich &#x017F;ah ihn nur im Traum.</l><lb/>
              <l>Er kroch am Ufer hin und wieder,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ah, von bittern Neid bewegt,</l><lb/>
              <l>Ins gru&#x0364;ne Schilf &#x017F;cheel&#x017F;u&#x0364;chtig nieder</l><lb/>
              <l>Auf ein Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, das &#x017F;ich mit breitem Schilde tra&#x0364;gt,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chmackhaft i&#x017F;t am Flei&#x017F;ch, und nach dem Tode</l><lb/>
              <l>gla&#x0364;nzet</l><lb/>
              <l>In &#x017F;einem Deckel &#x017F;cho&#x0364;n polirt.</l><lb/>
              <l>Der Skorpion mit Gift zum Schadenthun ge&#x017F;chwa&#x0364;nzet,</l><lb/>
              <l>Von der Natur, und nicht geziert</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">S</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0433] Der Skorpion, die Schildkroͤte und die Gans. Eine Traumfabel. Am weidenreichen Spreegeſtade, Wo die geſicherte Najade Ihr lockigt Haupt noch ſtolzer trug, Seitdem in Sachſenland Held Heinrich Feinde ſchlug; Am Spreegeſtade kroch aus einem holen Baum Ein Skorpion, das glaubt man kaum. Giebts zu Berlin auch Skorpionen? Ich dachte, daß ſie nur in heißen Laͤndern wohnen. Mein Leſer, hoͤre doch, ich ſah ihn nur im Traum. Er kroch am Ufer hin und wieder, Und ſah, von bittern Neid bewegt, Ins gruͤne Schilf ſcheelſuͤchtig nieder Auf ein Geſchoͤpf, das ſich mit breitem Schilde traͤgt, Und ſchmackhaft iſt am Fleiſch, und nach dem Tode glaͤnzet In ſeinem Deckel ſchoͤn polirt. Der Skorpion mit Gift zum Schadenthun geſchwaͤnzet, Von der Natur, und nicht geziert S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/433
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/433>, abgerufen am 30.12.2024.