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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Die
göttlichverkannte Phillis im Walde.



Als jüngst der Hirsch voll Liebesflamme
Sein Thier verfolgte, das ihn floh,
Da stand an einem Birkenstamme
Der alte Jäger Sylvio.
Ein Greis ist er, und noch verstocken
In ihm des Lebens Säfte nicht,
Ihm flattern taubenweiße Locken
Um rosenfarbnes Angesicht.
Betrachtend stand vom Messerschnitte
Verwachsen in den starren Baum:
Da rauschten meiner Phillis Tritte
Vorbei und ihres Kleides Saum.
Zurück fuhr Sylvio der Alte,
Ihr Götter! rief er, ja sie rauscht
An mir vorbei, die wohlgestalte
Diana, die das Wild belauscht.


Die
goͤttlichverkannte Phillis im Walde.



Als juͤngſt der Hirſch voll Liebesflamme
Sein Thier verfolgte, das ihn floh,
Da ſtand an einem Birkenſtamme
Der alte Jaͤger Sylvio.
Ein Greis iſt er, und noch verſtocken
In ihm des Lebens Saͤfte nicht,
Ihm flattern taubenweiße Locken
Um roſenfarbnes Angeſicht.
Betrachtend ſtand vom Meſſerſchnitte
Verwachſen in den ſtarren Baum:
Da rauſchten meiner Phillis Tritte
Vorbei und ihres Kleides Saum.
Zuruͤck fuhr Sylvio der Alte,
Ihr Goͤtter! rief er, ja ſie rauſcht
An mir vorbei, die wohlgeſtalte
Diana, die das Wild belauſcht.

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[252/0412] Die goͤttlichverkannte Phillis im Walde. 1763. Als juͤngſt der Hirſch voll Liebesflamme Sein Thier verfolgte, das ihn floh, Da ſtand an einem Birkenſtamme Der alte Jaͤger Sylvio. Ein Greis iſt er, und noch verſtocken In ihm des Lebens Saͤfte nicht, Ihm flattern taubenweiße Locken Um roſenfarbnes Angeſicht. Betrachtend ſtand vom Meſſerſchnitte Verwachſen in den ſtarren Baum: Da rauſchten meiner Phillis Tritte Vorbei und ihres Kleides Saum. Zuruͤck fuhr Sylvio der Alte, Ihr Goͤtter! rief er, ja ſie rauſcht An mir vorbei, die wohlgeſtalte Diana, die das Wild belauſcht.

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/412>, abgerufen am 23.11.2024.