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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Belloisens Lebenslauf.


Ich ward geboren ohne feierliche Bitte
Des Kirchspiels ohne Priesterflehn
Hab ich in strohbedeckter Hütte
Das erste Tageslicht gesehn,
Wuchs unter Lämmerchen und Tauben
Und Ziegen bis ins fünfte Jahr,
Und lernt' an einen Schöpfer glauben,
Weil's Morgenroth so lieblich war,
So grün der Wald, so bunt die Wiesen,
So klar und silberschön der Bach.
Die Lerche sang für Belloisen,
Und Belloise sang ihr nach.
Die Nachtigall in Elsensträuchen
Erhub ihr süßes Lied, und ich
Wünscht' ihr im Tone schon zu gleichen.
Hier fand ein alter Vetter mich
Und sagte: du sollst mit mir gehen.
Ich ging und lernte bald bei ihn
Die Bücher lesen und verstehen,
Die unsern Sinn zum Himmel ziehn.
Vier Sommer und vier Winter flogen
Zu sehr beflügelt uns vorbei;
Des Vetters Arm ward ich entzogen
N 3
Belloiſens Lebenslauf.


Ich ward geboren ohne feierliche Bitte
Des Kirchſpiels ohne Prieſterflehn
Hab ich in ſtrohbedeckter Huͤtte
Das erſte Tageslicht geſehn,
Wuchs unter Laͤmmerchen und Tauben
Und Ziegen bis ins fuͤnfte Jahr,
Und lernt’ an einen Schoͤpfer glauben,
Weil’s Morgenroth ſo lieblich war,
So gruͤn der Wald, ſo bunt die Wieſen,
So klar und ſilberſchoͤn der Bach.
Die Lerche ſang fuͤr Belloiſen,
Und Belloiſe ſang ihr nach.
Die Nachtigall in Elſenſtraͤuchen
Erhub ihr ſuͤßes Lied, und ich
Wuͤnſcht’ ihr im Tone ſchon zu gleichen.
Hier fand ein alter Vetter mich
Und ſagte: du ſollſt mit mir gehen.
Ich ging und lernte bald bei ihn
Die Buͤcher leſen und verſtehen,
Die unſern Sinn zum Himmel ziehn.
Vier Sommer und vier Winter flogen
Zu ſehr befluͤgelt uns vorbei;
Des Vetters Arm ward ich entzogen
N 3
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[197/0357] Belloiſens Lebenslauf. Ich ward geboren ohne feierliche Bitte Des Kirchſpiels ohne Prieſterflehn Hab ich in ſtrohbedeckter Huͤtte Das erſte Tageslicht geſehn, Wuchs unter Laͤmmerchen und Tauben Und Ziegen bis ins fuͤnfte Jahr, Und lernt’ an einen Schoͤpfer glauben, Weil’s Morgenroth ſo lieblich war, So gruͤn der Wald, ſo bunt die Wieſen, So klar und ſilberſchoͤn der Bach. Die Lerche ſang fuͤr Belloiſen, Und Belloiſe ſang ihr nach. Die Nachtigall in Elſenſtraͤuchen Erhub ihr ſuͤßes Lied, und ich Wuͤnſcht’ ihr im Tone ſchon zu gleichen. Hier fand ein alter Vetter mich Und ſagte: du ſollſt mit mir gehen. Ich ging und lernte bald bei ihn Die Buͤcher leſen und verſtehen, Die unſern Sinn zum Himmel ziehn. Vier Sommer und vier Winter flogen Zu ſehr befluͤgelt uns vorbei; Des Vetters Arm ward ich entzogen N 3

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/357>, abgerufen am 21.11.2024.