Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.An den Phöbus. Den 27. Oct. 1763. Du lächelst, Phöbus! diese nackten Rümpfe Der hingestreckten Blumenstengel an, Willst du den Weinstock küssen, der die Nymphe Nicht mehr vor dir verstecken kann? Soll in bedorrter Zweige Wurzel dringen Dein warmer Blick, dem Winter zum Verdruß, Daß tausendblättrig seine Reize bringen Der Rosenstock zu Kränzen muß? Nein, zu gewaltig wirst du hingerissen Von jener Phillis. Großer Phöbus! glüh' Vergebens, ihrer Lippen Pracht zu küssen: Der Hirt Alexis küsset sie. An den Phoͤbus. Den 27. Oct. 1763. Du laͤchelſt, Phoͤbus! dieſe nackten Ruͤmpfe Der hingeſtreckten Blumenſtengel an, Willſt du den Weinſtock kuͤſſen, der die Nymphe Nicht mehr vor dir verſtecken kann? Soll in bedorrter Zweige Wurzel dringen Dein warmer Blick, dem Winter zum Verdruß, Daß tauſendblaͤttrig ſeine Reize bringen Der Roſenſtock zu Kraͤnzen muß? Nein, zu gewaltig wirſt du hingeriſſen Von jener Phillis. Großer Phoͤbus! gluͤh’ Vergebens, ihrer Lippen Pracht zu kuͤſſen: Der Hirt Alexis kuͤſſet ſie. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0226" n="66"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">An<lb/><hi rendition="#b">den Phoͤbus.</hi></hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <dateline> <hi rendition="#c">Den 27. Oct. 1763.</hi> </dateline><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>u laͤchelſt, Phoͤbus! dieſe nackten Ruͤmpfe</l><lb/> <l>Der hingeſtreckten Blumenſtengel an,</l><lb/> <l>Willſt du den Weinſtock kuͤſſen, der die Nymphe</l><lb/> <l>Nicht mehr vor dir verſtecken kann?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Soll in bedorrter Zweige Wurzel dringen</l><lb/> <l>Dein warmer Blick, dem Winter zum Verdruß,</l><lb/> <l>Daß tauſendblaͤttrig ſeine Reize bringen</l><lb/> <l>Der Roſenſtock zu Kraͤnzen muß?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nein, zu gewaltig wirſt du hingeriſſen</l><lb/> <l>Von jener Phillis. Großer Phoͤbus! gluͤh’</l><lb/> <l>Vergebens, ihrer Lippen Pracht zu kuͤſſen:</l><lb/> <l>Der Hirt Alexis kuͤſſet ſie.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0226]
An
den Phoͤbus.
Den 27. Oct. 1763.
Du laͤchelſt, Phoͤbus! dieſe nackten Ruͤmpfe
Der hingeſtreckten Blumenſtengel an,
Willſt du den Weinſtock kuͤſſen, der die Nymphe
Nicht mehr vor dir verſtecken kann?
Soll in bedorrter Zweige Wurzel dringen
Dein warmer Blick, dem Winter zum Verdruß,
Daß tauſendblaͤttrig ſeine Reize bringen
Der Roſenſtock zu Kraͤnzen muß?
Nein, zu gewaltig wirſt du hingeriſſen
Von jener Phillis. Großer Phoͤbus! gluͤh’
Vergebens, ihrer Lippen Pracht zu kuͤſſen:
Der Hirt Alexis kuͤſſet ſie.
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Zitationshilfe: | Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/226>, abgerufen am 21.02.2025. |