Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
liegen würde) das kann uns die theoretische Naturfor-
schung nie eröfnen, sondern es bleibt, bey aller Kenntnis
derselben, unausgemacht, ob jene oberste Ursache überall
nach einem Endzwecke und nicht vielmehr durch einen
von der bloßen Nothwendigkeit seiner Natur zu Hervor-
bringung gewisser Formen bestimmten Verstand, (nach
der Analogie mit dem was wir bey den Thieren den
Kunstinstinct nennen) Urgrund derselben sey, ohne daß
es nöthig sey ihr darum auch nur Weisheit, viel weni-
ger höchste und mit allen andern zur Vollkommenheit
ihres Products erforderlichen Eigenschaften verbundene
Weisheit, beyzulegen.

Also ist Physicotheologie eine misverstandene physi-
sche Teleologie, nur als Vorbereitung (Propädevtik) zur
Theologie brauchbar, und nur durch Hinzukunft eines
anderweitigen Princips, auf das sie sich stützen kann,
nicht aber an sich selbst, wie ihr Nahme es anzeigen will,
zu dieser Absicht zureichend.

§. 86.
Von der Ethicotheologie.

Es ist ein Urtheil, dessen sich selbst der gemeinste
Verstand nicht entschlagen kann, wenn er über das Da-
seyn der Dinge in der Welt und die Existenz der Welt
selbst nachdenkt: daß nämlich alle die mannigfaltige Ge-
schöpfe, von so großer Kunsteinrichtung und so mannig-
faltigen zweckmäßig auf einander bezogenen Zusammen-

C c 3

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
liegen wuͤrde) das kann uns die theoretiſche Naturfor-
ſchung nie eroͤfnen, ſondern es bleibt, bey aller Kenntnis
derſelben, unausgemacht, ob jene oberſte Urſache uͤberall
nach einem Endzwecke und nicht vielmehr durch einen
von der bloßen Nothwendigkeit ſeiner Natur zu Hervor-
bringung gewiſſer Formen beſtimmten Verſtand, (nach
der Analogie mit dem was wir bey den Thieren den
Kunſtinſtinct nennen) Urgrund derſelben ſey, ohne daß
es noͤthig ſey ihr darum auch nur Weisheit, viel weni-
ger hoͤchſte und mit allen andern zur Vollkommenheit
ihres Products erforderlichen Eigenſchaften verbundene
Weisheit, beyzulegen.

Alſo iſt Phyſicotheologie eine misverſtandene phyſi-
ſche Teleologie, nur als Vorbereitung (Propaͤdevtik) zur
Theologie brauchbar, und nur durch Hinzukunft eines
anderweitigen Princips, auf das ſie ſich ſtuͤtzen kann,
nicht aber an ſich ſelbſt, wie ihr Nahme es anzeigen will,
zu dieſer Abſicht zureichend.

§. 86.
Von der Ethicotheologie.

Es iſt ein Urtheil, deſſen ſich ſelbſt der gemeinſte
Verſtand nicht entſchlagen kann, wenn er uͤber das Da-
ſeyn der Dinge in der Welt und die Exiſtenz der Welt
ſelbſt nachdenkt: daß naͤmlich alle die mannigfaltige Ge-
ſchoͤpfe, von ſo großer Kunſteinrichtung und ſo mannig-
faltigen zweckmaͤßig auf einander bezogenen Zuſammen-

C c 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0469" n="405"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
liegen wu&#x0364;rde) das kann uns die theoreti&#x017F;che Naturfor-<lb/>
&#x017F;chung nie ero&#x0364;fnen, &#x017F;ondern es bleibt, bey aller Kenntnis<lb/>
der&#x017F;elben, unausgemacht, ob jene ober&#x017F;te Ur&#x017F;ache u&#x0364;berall<lb/>
nach einem Endzwecke und nicht vielmehr durch einen<lb/>
von der bloßen Nothwendigkeit &#x017F;einer Natur zu Hervor-<lb/>
bringung gewi&#x017F;&#x017F;er Formen be&#x017F;timmten Ver&#x017F;tand, (nach<lb/>
der Analogie mit dem was wir bey den Thieren den<lb/>
Kun&#x017F;tin&#x017F;tinct nennen) Urgrund der&#x017F;elben &#x017F;ey, ohne daß<lb/>
es no&#x0364;thig &#x017F;ey ihr darum auch nur Weisheit, viel weni-<lb/>
ger ho&#x0364;ch&#x017F;te und mit allen andern zur Vollkommenheit<lb/>
ihres Products erforderlichen Eigen&#x017F;chaften verbundene<lb/>
Weisheit, beyzulegen.</p><lb/>
              <p>Al&#x017F;o i&#x017F;t Phy&#x017F;icotheologie eine misver&#x017F;tandene phy&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;che Teleologie, nur als Vorbereitung (Propa&#x0364;devtik) zur<lb/>
Theologie brauchbar, und nur durch Hinzukunft eines<lb/>
anderweitigen Princips, auf das &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;tu&#x0364;tzen kann,<lb/>
nicht aber an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, wie ihr Nahme es anzeigen will,<lb/>
zu die&#x017F;er Ab&#x017F;icht zureichend.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">§. 86.<lb/>
Von der Ethicotheologie.</hi> </head><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t ein Urtheil, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t der gemein&#x017F;te<lb/>
Ver&#x017F;tand nicht ent&#x017F;chlagen kann, wenn er u&#x0364;ber das Da-<lb/>
&#x017F;eyn der Dinge in der Welt und die Exi&#x017F;tenz der Welt<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nachdenkt: daß na&#x0364;mlich alle die mannigfaltige Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe, von &#x017F;o großer Kun&#x017F;teinrichtung und &#x017F;o mannig-<lb/>
faltigen zweckma&#x0364;ßig auf einander bezogenen Zu&#x017F;ammen-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 3</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0469] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. liegen wuͤrde) das kann uns die theoretiſche Naturfor- ſchung nie eroͤfnen, ſondern es bleibt, bey aller Kenntnis derſelben, unausgemacht, ob jene oberſte Urſache uͤberall nach einem Endzwecke und nicht vielmehr durch einen von der bloßen Nothwendigkeit ſeiner Natur zu Hervor- bringung gewiſſer Formen beſtimmten Verſtand, (nach der Analogie mit dem was wir bey den Thieren den Kunſtinſtinct nennen) Urgrund derſelben ſey, ohne daß es noͤthig ſey ihr darum auch nur Weisheit, viel weni- ger hoͤchſte und mit allen andern zur Vollkommenheit ihres Products erforderlichen Eigenſchaften verbundene Weisheit, beyzulegen. Alſo iſt Phyſicotheologie eine misverſtandene phyſi- ſche Teleologie, nur als Vorbereitung (Propaͤdevtik) zur Theologie brauchbar, und nur durch Hinzukunft eines anderweitigen Princips, auf das ſie ſich ſtuͤtzen kann, nicht aber an ſich ſelbſt, wie ihr Nahme es anzeigen will, zu dieſer Abſicht zureichend. §. 86. Von der Ethicotheologie. Es iſt ein Urtheil, deſſen ſich ſelbſt der gemeinſte Verſtand nicht entſchlagen kann, wenn er uͤber das Da- ſeyn der Dinge in der Welt und die Exiſtenz der Welt ſelbſt nachdenkt: daß naͤmlich alle die mannigfaltige Ge- ſchoͤpfe, von ſo großer Kunſteinrichtung und ſo mannig- faltigen zweckmaͤßig auf einander bezogenen Zuſammen- C c 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/469
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/469>, abgerufen am 21.12.2024.