Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
die Möglichkeit der Natur vorzustellen, liegen könne,
indem die Vorstellungsart nach Endursachen nur eine
subjective Bedingung unseres Vernunftgebrauchs sey,
wenn sie die Beurthei[lu]ng der Gegenstände nicht blos
als Erscheinungen angestellt wissen will, sondern diese
Erscheinungen selbst, samt ihren Principien, auf das
übersinnliche Substrat zu beziehen verlangt, um ge-
wisse Gesetze der Einheit derselben möglich zu finden,
die sie sich nicht anders als durch Zwecke (davon die
Vernunft auch solche hat die übersinnlich sind) vor-
stellig machen kann.

§. 83.
Von dem letzten Zwecke der Natur als eines
teleologischen Systems.

Wir haben im vorigen gezeigt, daß wir dem Men-
schen nicht blos, wie alle organisirte Wesen, als Na-
turzweck, sondern auch hier auf Erden als den letz-
ten Zweck
der Natur in Beziehung auf den alle
übrige Naturdinge ein System von Zwecken ausma-
chen, nach Grundsätzen der Vernunft, zwar nicht für
die bestimmende, doch für die reflectirende Urtheilskraft,
zu beurtheilen hinreichende Ursache haben. Wenn nun
dasjenige im Menschen selbst angetroffen werden muß,
was als Zweck durch seine Verknüpfung mit der Na-
tur befördert werden soll: so muß entweder der Zweck
von der Art seyn, daß er selbst durch die Natur in

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
die Moͤglichkeit der Natur vorzuſtellen, liegen koͤnne,
indem die Vorſtellungsart nach Endurſachen nur eine
ſubjective Bedingung unſeres Vernunftgebrauchs ſey,
wenn ſie die Beurthei[lu]ng der Gegenſtaͤnde nicht blos
als Erſcheinungen angeſtellt wiſſen will, ſondern dieſe
Erſcheinungen ſelbſt, ſamt ihren Principien, auf das
uͤberſinnliche Subſtrat zu beziehen verlangt, um ge-
wiſſe Geſetze der Einheit derſelben moͤglich zu finden,
die ſie ſich nicht anders als durch Zwecke (davon die
Vernunft auch ſolche hat die uͤberſinnlich ſind) vor-
ſtellig machen kann.

§. 83.
Von dem letzten Zwecke der Natur als eines
teleologiſchen Syſtems.

Wir haben im vorigen gezeigt, daß wir dem Men-
ſchen nicht blos, wie alle organiſirte Weſen, als Na-
turzweck, ſondern auch hier auf Erden als den letz-
ten Zweck
der Natur in Beziehung auf den alle
uͤbrige Naturdinge ein Syſtem von Zwecken ausma-
chen, nach Grundſaͤtzen der Vernunft, zwar nicht fuͤr
die beſtimmende, doch fuͤr die reflectirende Urtheilskraft,
zu beurtheilen hinreichende Urſache haben. Wenn nun
dasjenige im Menſchen ſelbſt angetroffen werden muß,
was als Zweck durch ſeine Verknuͤpfung mit der Na-
tur befoͤrdert werden ſoll: ſo muß entweder der Zweck
von der Art ſeyn, daß er ſelbſt durch die Natur in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0447" n="383"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
die Mo&#x0364;glichkeit der Natur vorzu&#x017F;tellen, liegen ko&#x0364;nne,<lb/>
indem die Vor&#x017F;tellungsart nach Endur&#x017F;achen nur eine<lb/>
&#x017F;ubjective Bedingung un&#x017F;eres Vernunftgebrauchs &#x017F;ey,<lb/>
wenn &#x017F;ie die Beurthei<supplied>lu</supplied>ng der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde nicht blos<lb/>
als Er&#x017F;cheinungen ange&#x017F;tellt wi&#x017F;&#x017F;en will, &#x017F;ondern die&#x017F;e<lb/>
Er&#x017F;cheinungen &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;amt ihren Principien, auf das<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;innliche Sub&#x017F;trat zu beziehen verlangt, um ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Ge&#x017F;etze der Einheit der&#x017F;elben mo&#x0364;glich zu finden,<lb/>
die &#x017F;ie &#x017F;ich nicht anders als durch Zwecke (davon die<lb/>
Vernunft auch &#x017F;olche hat die u&#x0364;ber&#x017F;innlich &#x017F;ind) vor-<lb/>
&#x017F;tellig machen kann.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">§. 83.<lb/>
Von dem letzten Zwecke der Natur als eines<lb/>
teleologi&#x017F;chen Sy&#x017F;tems.</hi> </head><lb/>
              <p>Wir haben im vorigen gezeigt, daß wir dem Men-<lb/>
&#x017F;chen nicht blos, wie alle organi&#x017F;irte We&#x017F;en, als Na-<lb/>
turzweck, &#x017F;ondern auch hier auf Erden als den <hi rendition="#fr">letz-<lb/>
ten Zweck</hi> der Natur in Beziehung auf den alle<lb/>
u&#x0364;brige Naturdinge ein Sy&#x017F;tem von Zwecken ausma-<lb/>
chen, nach Grund&#x017F;a&#x0364;tzen der Vernunft, zwar nicht fu&#x0364;r<lb/>
die be&#x017F;timmende, doch fu&#x0364;r die reflectirende Urtheilskraft,<lb/>
zu beurtheilen hinreichende Ur&#x017F;ache haben. Wenn nun<lb/>
dasjenige im Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t angetroffen werden muß,<lb/>
was als Zweck durch &#x017F;eine Verknu&#x0364;pfung mit der Na-<lb/>
tur befo&#x0364;rdert werden &#x017F;oll: &#x017F;o muß entweder der Zweck<lb/>
von der Art &#x017F;eyn, daß er &#x017F;elb&#x017F;t durch die Natur in<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0447] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. die Moͤglichkeit der Natur vorzuſtellen, liegen koͤnne, indem die Vorſtellungsart nach Endurſachen nur eine ſubjective Bedingung unſeres Vernunftgebrauchs ſey, wenn ſie die Beurtheilung der Gegenſtaͤnde nicht blos als Erſcheinungen angeſtellt wiſſen will, ſondern dieſe Erſcheinungen ſelbſt, ſamt ihren Principien, auf das uͤberſinnliche Subſtrat zu beziehen verlangt, um ge- wiſſe Geſetze der Einheit derſelben moͤglich zu finden, die ſie ſich nicht anders als durch Zwecke (davon die Vernunft auch ſolche hat die uͤberſinnlich ſind) vor- ſtellig machen kann. §. 83. Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologiſchen Syſtems. Wir haben im vorigen gezeigt, daß wir dem Men- ſchen nicht blos, wie alle organiſirte Weſen, als Na- turzweck, ſondern auch hier auf Erden als den letz- ten Zweck der Natur in Beziehung auf den alle uͤbrige Naturdinge ein Syſtem von Zwecken ausma- chen, nach Grundſaͤtzen der Vernunft, zwar nicht fuͤr die beſtimmende, doch fuͤr die reflectirende Urtheilskraft, zu beurtheilen hinreichende Urſache haben. Wenn nun dasjenige im Menſchen ſelbſt angetroffen werden muß, was als Zweck durch ſeine Verknuͤpfung mit der Na- tur befoͤrdert werden ſoll: ſo muß entweder der Zweck von der Art ſeyn, daß er ſelbſt durch die Natur in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/447
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/447>, abgerufen am 20.11.2024.