Der Transscendentalen Doctrin der Urtheilskraft (oder Analytik der Grundsätze) Erstes Hauptstück. Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe.
In allen Subsumtionen eines Gegenstandes unter einen Begriff muß die Vorstellung des ersteren mit der lez- tern gleichartig seyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent- halten, was in dem darunter zu subsumirenden Gegenstande vorgestellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck: ein Gegenstand sey unter einem Begriffe enthalten. So hat der empirische Begriff eines Tellers mit dem reinen geometrischen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run- dung, die in dem ersteren gedacht wird, sich im lezteren anschauen läßt.
Nun sind aber reine Verstandesbegriffe, in Verglei- chung mit empirischen (ia überhaupt sinnlichen) Anschauun- gen, ganz ungleichartig und können niemals in irgend einer Anschauung angetroffen werden. Wie ist nun die Subsumtion der lezteren unter die erste, mithin die An- wendung der Categorie auf Erscheinungen möglich, da doch niemand sagen wird: diese, z. B. die Caussalität, könne auch durch Sinne angeschauet werden und sey in der
Er-
I 5
I. Hauptſt. Von d. Schemat. d. r. Verſt. Begr.
Der Transſcendentalen Doctrin der Urtheilskraft (oder Analytik der Grundſaͤtze) Erſtes Hauptſtuͤck. Von dem Schematismus der reinen Verſtandesbegriffe.
In allen Subſumtionen eines Gegenſtandes unter einen Begriff muß die Vorſtellung des erſteren mit der lez- tern gleichartig ſeyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent- halten, was in dem darunter zu ſubſumirenden Gegenſtande vorgeſtellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck: ein Gegenſtand ſey unter einem Begriffe enthalten. So hat der empiriſche Begriff eines Tellers mit dem reinen geometriſchen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run- dung, die in dem erſteren gedacht wird, ſich im lezteren anſchauen laͤßt.
Nun ſind aber reine Verſtandesbegriffe, in Verglei- chung mit empiriſchen (ia uͤberhaupt ſinnlichen) Anſchauun- gen, ganz ungleichartig und koͤnnen niemals in irgend einer Anſchauung angetroffen werden. Wie iſt nun die Subſumtion der lezteren unter die erſte, mithin die An- wendung der Categorie auf Erſcheinungen moͤglich, da doch niemand ſagen wird: dieſe, z. B. die Cauſſalitaͤt, koͤnne auch durch Sinne angeſchauet werden und ſey in der
Er-
I 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0167"n="137"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">I.</hi> Hauptſt. Von d. Schemat. d. r. Verſt. Begr.</fw><lb/><divn="5"><head><hirendition="#g">Der<lb/><hirendition="#b">Transſcendentalen Doctrin<lb/>
der Urtheilskraft</hi></hi><lb/>
(oder Analytik der Grundſaͤtze)<lb/><hirendition="#b">Erſtes Hauptſtuͤck.</hi><lb/><hirendition="#g">Von dem</hi><lb/><hirendition="#b">Schematismus der reinen Verſtandesbegriffe.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>n allen Subſumtionen eines Gegenſtandes unter einen<lb/>
Begriff muß die Vorſtellung des erſteren mit der lez-<lb/>
tern gleichartig ſeyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent-<lb/>
halten, was in dem darunter zu ſubſumirenden Gegenſtande<lb/>
vorgeſtellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck:<lb/>
ein Gegenſtand ſey unter einem Begriffe enthalten. So<lb/>
hat der empiriſche Begriff eines Tellers mit dem reinen<lb/>
geometriſchen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run-<lb/>
dung, die in dem erſteren gedacht wird, ſich im lezteren<lb/>
anſchauen laͤßt.</p><lb/><p>Nun ſind aber reine Verſtandesbegriffe, in Verglei-<lb/>
chung mit empiriſchen (ia uͤberhaupt ſinnlichen) Anſchauun-<lb/>
gen, ganz ungleichartig und koͤnnen niemals in irgend<lb/>
einer Anſchauung angetroffen werden. Wie iſt nun die<lb/>
Subſumtion der lezteren unter die erſte, mithin die An-<lb/>
wendung der Categorie auf Erſcheinungen moͤglich, da<lb/>
doch niemand ſagen wird: dieſe, z. B. die Cauſſalitaͤt,<lb/>
koͤnne auch durch Sinne angeſchauet werden und ſey in der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Er-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[137/0167]
I. Hauptſt. Von d. Schemat. d. r. Verſt. Begr.
Der
Transſcendentalen Doctrin
der Urtheilskraft
(oder Analytik der Grundſaͤtze)
Erſtes Hauptſtuͤck.
Von dem
Schematismus der reinen Verſtandesbegriffe.
In allen Subſumtionen eines Gegenſtandes unter einen
Begriff muß die Vorſtellung des erſteren mit der lez-
tern gleichartig ſeyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent-
halten, was in dem darunter zu ſubſumirenden Gegenſtande
vorgeſtellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck:
ein Gegenſtand ſey unter einem Begriffe enthalten. So
hat der empiriſche Begriff eines Tellers mit dem reinen
geometriſchen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run-
dung, die in dem erſteren gedacht wird, ſich im lezteren
anſchauen laͤßt.
Nun ſind aber reine Verſtandesbegriffe, in Verglei-
chung mit empiriſchen (ia uͤberhaupt ſinnlichen) Anſchauun-
gen, ganz ungleichartig und koͤnnen niemals in irgend
einer Anſchauung angetroffen werden. Wie iſt nun die
Subſumtion der lezteren unter die erſte, mithin die An-
wendung der Categorie auf Erſcheinungen moͤglich, da
doch niemand ſagen wird: dieſe, z. B. die Cauſſalitaͤt,
koͤnne auch durch Sinne angeſchauet werden und ſey in der
Er-
I 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/167>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.