Warum diese Critik nicht eine Critik der reinen practischen, sondern schlechthin der practi- schen Vernunft überhaupt betitelt wird, obgleich der Parallelism derselben mit der speculativen das erstere zu erfodern scheint, darüber giebt diese Abhandlung hinreichenden Aufschluß. Sie soll blos darthun, daß es reine practische Vernunft gebe, und critisirt in dieser Absicht ihr ganzes practisches Vermögen. Wenn es ihr hiemit gelingt, so bedarf sie das reine Vermögen selbst nicht zu critisiren, um zu sehen, ob sich die Vernunft mit einem solchen, als einer blo- ßen Anmaßung, nicht übersteige (wie es wol mit der speculativen geschieht). Denn wenn sie, als rei- ne Vernunft, wirklich practisch ist, so beweiset sie ih- re und ihrer Begriffe Realität durch die That, und al- les Vernünfteln wider die Möglichkeit, es zu seyn, ist vergeblich.
Mit
A 2
Vorrede.
Warum dieſe Critik nicht eine Critik der reinen practiſchen, ſondern ſchlechthin der practi- ſchen Vernunft uͤberhaupt betitelt wird, obgleich der Parallelism derſelben mit der ſpeculativen das erſtere zu erfodern ſcheint, daruͤber giebt dieſe Abhandlung hinreichenden Aufſchluß. Sie ſoll blos darthun, daß es reine practiſche Vernunft gebe, und critiſirt in dieſer Abſicht ihr ganzes practiſches Vermoͤgen. Wenn es ihr hiemit gelingt, ſo bedarf ſie das reine Vermoͤgen ſelbſt nicht zu critiſiren, um zu ſehen, ob ſich die Vernunft mit einem ſolchen, als einer blo- ßen Anmaßung, nicht uͤberſteige (wie es wol mit der ſpeculativen geſchieht). Denn wenn ſie, als rei- ne Vernunft, wirklich practiſch iſt, ſo beweiſet ſie ih- re und ihrer Begriffe Realitaͤt durch die That, und al- les Vernuͤnfteln wider die Moͤglichkeit, es zu ſeyn, iſt vergeblich.
Mit
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[[3]/0011]
Vorrede.
Warum dieſe Critik nicht eine Critik der reinen
practiſchen, ſondern ſchlechthin der practi-
ſchen Vernunft uͤberhaupt betitelt wird, obgleich der
Parallelism derſelben mit der ſpeculativen das erſtere
zu erfodern ſcheint, daruͤber giebt dieſe Abhandlung
hinreichenden Aufſchluß. Sie ſoll blos darthun, daß
es reine practiſche Vernunft gebe, und critiſirt in
dieſer Abſicht ihr ganzes practiſches Vermoͤgen.
Wenn es ihr hiemit gelingt, ſo bedarf ſie das reine
Vermoͤgen ſelbſt nicht zu critiſiren, um zu ſehen,
ob ſich die Vernunft mit einem ſolchen, als einer blo-
ßen Anmaßung, nicht uͤberſteige (wie es wol mit
der ſpeculativen geſchieht). Denn wenn ſie, als rei-
ne Vernunft, wirklich practiſch iſt, ſo beweiſet ſie ih-
re und ihrer Begriffe Realitaͤt durch die That, und al-
les Vernuͤnfteln wider die Moͤglichkeit, es zu ſeyn, iſt
vergeblich.
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/11>, abgerufen am 17.11.2024.
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