Zweites Kapitel. Von der innern Regierung der Stadt Nangasacki.
Jede kaiserliche Stadt hat zwei Gouverneurs oder Statthalter, die von ihren Untertha- nen den gewöhnlichen Namen Tono Sama d. i. Oberster Herr oder Prinz erhal- ten. Diese wechseln jährlich so ab, daß immer einer das Regiment wirklich ver- waltet, der andre aber sich unterdessen in der Hofstadt Jedo aufhält.
Der Stadt Nangafacki aber hat man nöthig gefunden im Jahr 1688 noch den dritten Gouverneur zu geben, um für diesen wichtigen Seehafen desto mehr Sicherheit und wachsamere Aufsicht der Fremden zu erhalten. Es führen hier also zween Gouverneurs be- ständig die Regierung, unter welchen der Rang monatlich abwechselt. Der dritte wird alle zwei Jahr von einem neu Ankommenden abgelöst, und reiset alsdann nach Hofe. Er mus daselbst nebst seinen Geschenken die schriftlichen Verhandlungen seiner abgelegten Regierung dem hohen Reichsrath überliefern und zugleich von dem Grunde seines Verhaltens in den wich- tigsten Vorfällen mündliche Rechenschaft ablegen. Er mus auch bei jedem Staatsrath und Favoriten des Monarchen sein Ankunftscompliment persönlich in jedes Haus ablegen, und es zugleich mit kostbaren Geschenken begleiten, um sich die Gunst dieser Großen zu erwer- ben und seine unterthänige Ergebenheit zu beweisen. Seine übrige Zeit wendet er dann auch vorzüglich an, um diejenige Gunst zu erlangen, die ihm die Stralen des Glücks zuwenden oder ableiten kan.
Der Aufenthalt eines solchen Gouverneurs währt wenig länger als sechs Monate, während welcher er der Gegenwart seiner Familie genießen kan. Er mus sie aber bald her- nach wieder auf ziemlich geraume Zeit verlassen, wenn er aus dem hohen Reichsrath Order erhält wieder in sein Gouvernement zurükzukehren und von jedem Minister besonders Abschied
genom-
Zweites Kapitel. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki.
Jede kaiſerliche Stadt hat zwei Gouverneurs oder Statthalter, die von ihren Untertha- nen den gewoͤhnlichen Namen Tono Sama d. i. Oberſter Herr oder Prinz erhal- ten. Dieſe wechſeln jaͤhrlich ſo ab, daß immer einer das Regiment wirklich ver- waltet, der andre aber ſich unterdeſſen in der Hofſtadt Jedo aufhaͤlt.
Der Stadt Nangafacki aber hat man noͤthig gefunden im Jahr 1688 noch den dritten Gouverneur zu geben, um fuͤr dieſen wichtigen Seehafen deſto mehr Sicherheit und wachſamere Aufſicht der Fremden zu erhalten. Es fuͤhren hier alſo zween Gouverneurs be- ſtaͤndig die Regierung, unter welchen der Rang monatlich abwechſelt. Der dritte wird alle zwei Jahr von einem neu Ankommenden abgeloͤſt, und reiſet alsdann nach Hofe. Er mus daſelbſt nebſt ſeinen Geſchenken die ſchriftlichen Verhandlungen ſeiner abgelegten Regierung dem hohen Reichsrath uͤberliefern und zugleich von dem Grunde ſeines Verhaltens in den wich- tigſten Vorfaͤllen muͤndliche Rechenſchaft ablegen. Er mus auch bei jedem Staatsrath und Favoriten des Monarchen ſein Ankunftscompliment perſoͤnlich in jedes Haus ablegen, und es zugleich mit koſtbaren Geſchenken begleiten, um ſich die Gunſt dieſer Großen zu erwer- ben und ſeine unterthaͤnige Ergebenheit zu beweiſen. Seine uͤbrige Zeit wendet er dann auch vorzuͤglich an, um diejenige Gunſt zu erlangen, die ihm die Stralen des Gluͤcks zuwenden oder ableiten kan.
Der Aufenthalt eines ſolchen Gouverneurs waͤhrt wenig laͤnger als ſechs Monate, waͤhrend welcher er der Gegenwart ſeiner Familie genießen kan. Er mus ſie aber bald her- nach wieder auf ziemlich geraume Zeit verlaſſen, wenn er aus dem hohen Reichsrath Order erhaͤlt wieder in ſein Gouvernement zuruͤkzukehren und von jedem Miniſter beſonders Abſchied
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Zweites Kapitel.
Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki.
Jede kaiſerliche Stadt hat zwei Gouverneurs oder Statthalter, die von ihren Untertha-
nen den gewoͤhnlichen Namen Tono Sama d. i. Oberſter Herr oder Prinz erhal-
ten. Dieſe wechſeln jaͤhrlich ſo ab, daß immer einer das Regiment wirklich ver-
waltet, der andre aber ſich unterdeſſen in der Hofſtadt Jedo aufhaͤlt.
Der Stadt Nangafacki aber hat man noͤthig gefunden im Jahr 1688 noch den
dritten Gouverneur zu geben, um fuͤr dieſen wichtigen Seehafen deſto mehr Sicherheit und
wachſamere Aufſicht der Fremden zu erhalten. Es fuͤhren hier alſo zween Gouverneurs be-
ſtaͤndig die Regierung, unter welchen der Rang monatlich abwechſelt. Der dritte wird alle
zwei Jahr von einem neu Ankommenden abgeloͤſt, und reiſet alsdann nach Hofe. Er mus
daſelbſt nebſt ſeinen Geſchenken die ſchriftlichen Verhandlungen ſeiner abgelegten Regierung
dem hohen Reichsrath uͤberliefern und zugleich von dem Grunde ſeines Verhaltens in den wich-
tigſten Vorfaͤllen muͤndliche Rechenſchaft ablegen. Er mus auch bei jedem Staatsrath und
Favoriten des Monarchen ſein Ankunftscompliment perſoͤnlich in jedes Haus ablegen, und
es zugleich mit koſtbaren Geſchenken begleiten, um ſich die Gunſt dieſer Großen zu erwer-
ben und ſeine unterthaͤnige Ergebenheit zu beweiſen. Seine uͤbrige Zeit wendet er dann auch
vorzuͤglich an, um diejenige Gunſt zu erlangen, die ihm die Stralen des Gluͤcks zuwenden
oder ableiten kan.
Der Aufenthalt eines ſolchen Gouverneurs waͤhrt wenig laͤnger als ſechs Monate,
waͤhrend welcher er der Gegenwart ſeiner Familie genießen kan. Er mus ſie aber bald her-
nach wieder auf ziemlich geraume Zeit verlaſſen, wenn er aus dem hohen Reichsrath Order
erhaͤlt wieder in ſein Gouvernement zuruͤkzukehren und von jedem Miniſter beſonders Abſchied
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/30>, abgerufen am 23.11.2024.
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