einen sehr passenden Vorwand zur Ausführung seiner Absichten. Diese Begebenheit, so wie die Geschichte des Verschwörers, sind merkwürdig genug, um hier in der Kürze nicht ohne Vergnügen des Lesers erzählt zu werden.
Geschichte des Constantin Phaulcon.
Constantin Faulcon (oder wie er sich selbst zu unterzeichnen pflegte, Phaul- con) war ein Grieche von Geburt, ein Man von großem Verstande, sehr schönen Aeu- ßerm, und einer vorzüglich angenehmen Beredsamkeit. Er hatte keine gelehrte Erziehung genossen, sondern seine jüngern Jahre meistens auf der See unter verschiednen Nationen (besonders aber unter Engländern) zugebracht, deren Sprachen er daher auch sehr gut wu- ste. Als englischer Schifsquartiermeister kam er zuerst nach Siam, und bei Hofe in Dienst. Es wurden ihm anfangs geringe, dann höhere Geschäfte anvertrauet; er führte sie mit so vieler Geschiklichkeit aus, und bewies überal einen so hellen und geschwinden Verstand, daß er binnen neun Jahren sich das gröste Vertrauen und Ansehn erwarb. Es wurde ihm die Direktion der Finanzen des Reichs und der königlichen Oekonomie über- geben; in allen, auch den schwierigsten Berathschlagungen, gab sein Urtheil allemal den Ausschlag; jeder bewarb sich um seine Gunst.
Dieses Glük suchte Faulcon durch Verbindung mit irgend einer ausländischen Nation fester zu gründen und noch zu erweitern; vielleicht (vermuthet man) hielt er es auch nicht unmöglich, die königliche Würde selbst zu erhalten. Zu diesen seinen Absichten, glaubte er, schicke sich keine Nation besser, als die französische. Er brachte daher dem König die Meinung bei, daß er durch Hülfe dieser Nation seine Unterthanen würde klug, und sein Reich blühend und mächtig machen können; eine siamische Gesandschaft nach Frankreich solte die Verbindung anfangen; diese wurde durch eine doppelte französische er- widert; und Jesuiten, Künstler und Soldaten fanden sich in Menge ein. Um die fran- zösischen Besitzungen zu sichern, übergab Faulcon dem General de Fargues (der mit einigen hundert Soldaten herübergekommen war) eine am großen Flus Meinam sechs Mei- len vom Seehafen gelegne Festung Bankok, die man als den Schlüssel des Reichs ansehn kan. De Fargues legte von seinen herübergebrachten und zum Theil auch hier angeworb- nen Truppen eine gute Besatzung hinein, und suchte den Ort auch durch neu angelegte Werke noch fester zu machen. Da sich der Minister auf diese Art hinlänglich gesichert glaubte; so legte er ohne weitern Aufschub mit dem französischen General und einigen Man- darinen (denen er völlig trauen zu können glaubte) eine Verschwörung an. Der Haupt- zwek derselben war, daß der Monpi Totso, (des Königs angenommener Sohn und zu- gleich auch desselben Schwiegersohn,) der völlig eine Creatur des Faulcon und der Fran- zosen war, nach des Königs Tode (der wegen der zunehmenden Wassersucht nicht mehr
weit
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
einen ſehr paſſenden Vorwand zur Ausfuͤhrung ſeiner Abſichten. Dieſe Begebenheit, ſo wie die Geſchichte des Verſchwoͤrers, ſind merkwuͤrdig genug, um hier in der Kuͤrze nicht ohne Vergnuͤgen des Leſers erzaͤhlt zu werden.
Geſchichte des Conſtantin Phaulcon.
Conſtantin Faulcon (oder wie er ſich ſelbſt zu unterzeichnen pflegte, Phaul- con) war ein Grieche von Geburt, ein Man von großem Verſtande, ſehr ſchoͤnen Aeu- ßerm, und einer vorzuͤglich angenehmen Beredſamkeit. Er hatte keine gelehrte Erziehung genoſſen, ſondern ſeine juͤngern Jahre meiſtens auf der See unter verſchiednen Nationen (beſonders aber unter Englaͤndern) zugebracht, deren Sprachen er daher auch ſehr gut wu- ſte. Als engliſcher Schifsquartiermeiſter kam er zuerſt nach Siam, und bei Hofe in Dienſt. Es wurden ihm anfangs geringe, dann hoͤhere Geſchaͤfte anvertrauet; er fuͤhrte ſie mit ſo vieler Geſchiklichkeit aus, und bewies uͤberal einen ſo hellen und geſchwinden Verſtand, daß er binnen neun Jahren ſich das groͤſte Vertrauen und Anſehn erwarb. Es wurde ihm die Direktion der Finanzen des Reichs und der koͤniglichen Oekonomie uͤber- geben; in allen, auch den ſchwierigſten Berathſchlagungen, gab ſein Urtheil allemal den Ausſchlag; jeder bewarb ſich um ſeine Gunſt.
Dieſes Gluͤk ſuchte Faulcon durch Verbindung mit irgend einer auslaͤndiſchen Nation feſter zu gruͤnden und noch zu erweitern; vielleicht (vermuthet man) hielt er es auch nicht unmoͤglich, die koͤnigliche Wuͤrde ſelbſt zu erhalten. Zu dieſen ſeinen Abſichten, glaubte er, ſchicke ſich keine Nation beſſer, als die franzoͤſiſche. Er brachte daher dem Koͤnig die Meinung bei, daß er durch Huͤlfe dieſer Nation ſeine Unterthanen wuͤrde klug, und ſein Reich bluͤhend und maͤchtig machen koͤnnen; eine ſiamiſche Geſandſchaft nach Frankreich ſolte die Verbindung anfangen; dieſe wurde durch eine doppelte franzoͤſiſche er- widert; und Jeſuiten, Kuͤnſtler und Soldaten fanden ſich in Menge ein. Um die fran- zoͤſiſchen Beſitzungen zu ſichern, uͤbergab Faulcon dem General de Fargues (der mit einigen hundert Soldaten heruͤbergekommen war) eine am großen Flus Meinam ſechs Mei- len vom Seehafen gelegne Feſtung Bankok, die man als den Schluͤſſel des Reichs anſehn kan. De Fargues legte von ſeinen heruͤbergebrachten und zum Theil auch hier angeworb- nen Truppen eine gute Beſatzung hinein, und ſuchte den Ort auch durch neu angelegte Werke noch feſter zu machen. Da ſich der Miniſter auf dieſe Art hinlaͤnglich geſichert glaubte; ſo legte er ohne weitern Aufſchub mit dem franzoͤſiſchen General und einigen Man- darinen (denen er voͤllig trauen zu koͤnnen glaubte) eine Verſchwoͤrung an. Der Haupt- zwek derſelben war, daß der Monpi Totſo, (des Koͤnigs angenommener Sohn und zu- gleich auch deſſelben Schwiegerſohn,) der voͤllig eine Creatur des Faulcon und der Fran- zoſen war, nach des Koͤnigs Tode (der wegen der zunehmenden Waſſerſucht nicht mehr
weit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbn="26"facs="#f0102"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.</hi></fw><lb/>
einen ſehr paſſenden Vorwand zur Ausfuͤhrung ſeiner Abſichten. Dieſe Begebenheit, ſo<lb/>
wie die Geſchichte des Verſchwoͤrers, ſind merkwuͤrdig genug, um hier in der Kuͤrze nicht<lb/>
ohne Vergnuͤgen des Leſers erzaͤhlt zu werden.</p><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Geſchichte des Conſtantin Phaulcon.</hi></head><lb/><p><hirendition="#fr">Conſtantin Faulcon</hi> (oder wie er ſich ſelbſt zu unterzeichnen pflegte, <hirendition="#fr">Phaul-<lb/>
con</hi>) war ein Grieche von Geburt, ein Man von großem Verſtande, ſehr ſchoͤnen Aeu-<lb/>
ßerm, und einer vorzuͤglich angenehmen Beredſamkeit. Er hatte keine gelehrte Erziehung<lb/>
genoſſen, ſondern ſeine juͤngern Jahre meiſtens auf der See unter verſchiednen Nationen<lb/>
(beſonders aber unter Englaͤndern) zugebracht, deren Sprachen er daher auch ſehr gut wu-<lb/>ſte. Als engliſcher Schifsquartiermeiſter kam er zuerſt nach <hirendition="#fr">Siam,</hi> und bei Hofe in<lb/>
Dienſt. Es wurden ihm anfangs geringe, dann hoͤhere Geſchaͤfte anvertrauet; er fuͤhrte<lb/>ſie mit ſo vieler Geſchiklichkeit aus, und bewies uͤberal einen ſo hellen und geſchwinden<lb/>
Verſtand, daß er binnen <hirendition="#fr">neun Jahren</hi>ſich das groͤſte Vertrauen und Anſehn erwarb.<lb/>
Es wurde ihm die Direktion der Finanzen des Reichs und der koͤniglichen Oekonomie uͤber-<lb/>
geben; in allen, auch den ſchwierigſten Berathſchlagungen, gab ſein Urtheil allemal den<lb/>
Ausſchlag; jeder bewarb ſich um ſeine Gunſt.</p><lb/><p>Dieſes Gluͤk ſuchte <hirendition="#fr">Faulcon</hi> durch Verbindung mit irgend einer auslaͤndiſchen<lb/>
Nation feſter zu gruͤnden und noch zu erweitern; vielleicht (vermuthet man) hielt er es auch<lb/>
nicht unmoͤglich, die koͤnigliche Wuͤrde ſelbſt zu erhalten. Zu dieſen ſeinen Abſichten,<lb/>
glaubte er, ſchicke ſich keine Nation beſſer, als die franzoͤſiſche. Er brachte daher dem<lb/>
Koͤnig die Meinung bei, daß er durch Huͤlfe dieſer Nation ſeine Unterthanen wuͤrde klug,<lb/>
und ſein Reich bluͤhend und maͤchtig machen koͤnnen; eine ſiamiſche Geſandſchaft nach<lb/>
Frankreich ſolte die Verbindung anfangen; dieſe wurde durch eine doppelte franzoͤſiſche er-<lb/>
widert; und Jeſuiten, Kuͤnſtler und Soldaten fanden ſich in Menge ein. Um die fran-<lb/>
zoͤſiſchen Beſitzungen zu ſichern, uͤbergab <hirendition="#fr">Faulcon</hi> dem General <hirendition="#fr">de Fargues</hi> (der mit<lb/>
einigen hundert Soldaten heruͤbergekommen war) eine am großen Flus <hirendition="#fr">Meinam</hi>ſechs Mei-<lb/>
len vom Seehafen gelegne Feſtung <hirendition="#fr">Bankok,</hi> die man als den Schluͤſſel des Reichs anſehn<lb/>
kan. <hirendition="#fr">De Fargues</hi> legte von ſeinen heruͤbergebrachten und zum Theil auch hier angeworb-<lb/>
nen Truppen eine gute Beſatzung hinein, und ſuchte den Ort auch durch neu angelegte<lb/>
Werke noch feſter zu machen. Da ſich der Miniſter auf dieſe Art hinlaͤnglich geſichert<lb/>
glaubte; ſo legte er ohne weitern Aufſchub mit dem franzoͤſiſchen General und einigen <hirendition="#fr">Man-<lb/>
darinen</hi> (denen er voͤllig trauen zu koͤnnen glaubte) eine Verſchwoͤrung an. Der Haupt-<lb/>
zwek derſelben war, daß der <hirendition="#fr">Monpi Totſo,</hi> (des Koͤnigs angenommener Sohn und zu-<lb/>
gleich auch deſſelben Schwiegerſohn,) der voͤllig eine Creatur des <hirendition="#fr">Faulcon</hi> und der Fran-<lb/>
zoſen war, nach des Koͤnigs Tode (der wegen der zunehmenden Waſſerſucht nicht mehr<lb/><fwtype="catch"place="bottom">weit</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[26/0102]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
einen ſehr paſſenden Vorwand zur Ausfuͤhrung ſeiner Abſichten. Dieſe Begebenheit, ſo
wie die Geſchichte des Verſchwoͤrers, ſind merkwuͤrdig genug, um hier in der Kuͤrze nicht
ohne Vergnuͤgen des Leſers erzaͤhlt zu werden.
Geſchichte des Conſtantin Phaulcon.
Conſtantin Faulcon (oder wie er ſich ſelbſt zu unterzeichnen pflegte, Phaul-
con) war ein Grieche von Geburt, ein Man von großem Verſtande, ſehr ſchoͤnen Aeu-
ßerm, und einer vorzuͤglich angenehmen Beredſamkeit. Er hatte keine gelehrte Erziehung
genoſſen, ſondern ſeine juͤngern Jahre meiſtens auf der See unter verſchiednen Nationen
(beſonders aber unter Englaͤndern) zugebracht, deren Sprachen er daher auch ſehr gut wu-
ſte. Als engliſcher Schifsquartiermeiſter kam er zuerſt nach Siam, und bei Hofe in
Dienſt. Es wurden ihm anfangs geringe, dann hoͤhere Geſchaͤfte anvertrauet; er fuͤhrte
ſie mit ſo vieler Geſchiklichkeit aus, und bewies uͤberal einen ſo hellen und geſchwinden
Verſtand, daß er binnen neun Jahren ſich das groͤſte Vertrauen und Anſehn erwarb.
Es wurde ihm die Direktion der Finanzen des Reichs und der koͤniglichen Oekonomie uͤber-
geben; in allen, auch den ſchwierigſten Berathſchlagungen, gab ſein Urtheil allemal den
Ausſchlag; jeder bewarb ſich um ſeine Gunſt.
Dieſes Gluͤk ſuchte Faulcon durch Verbindung mit irgend einer auslaͤndiſchen
Nation feſter zu gruͤnden und noch zu erweitern; vielleicht (vermuthet man) hielt er es auch
nicht unmoͤglich, die koͤnigliche Wuͤrde ſelbſt zu erhalten. Zu dieſen ſeinen Abſichten,
glaubte er, ſchicke ſich keine Nation beſſer, als die franzoͤſiſche. Er brachte daher dem
Koͤnig die Meinung bei, daß er durch Huͤlfe dieſer Nation ſeine Unterthanen wuͤrde klug,
und ſein Reich bluͤhend und maͤchtig machen koͤnnen; eine ſiamiſche Geſandſchaft nach
Frankreich ſolte die Verbindung anfangen; dieſe wurde durch eine doppelte franzoͤſiſche er-
widert; und Jeſuiten, Kuͤnſtler und Soldaten fanden ſich in Menge ein. Um die fran-
zoͤſiſchen Beſitzungen zu ſichern, uͤbergab Faulcon dem General de Fargues (der mit
einigen hundert Soldaten heruͤbergekommen war) eine am großen Flus Meinam ſechs Mei-
len vom Seehafen gelegne Feſtung Bankok, die man als den Schluͤſſel des Reichs anſehn
kan. De Fargues legte von ſeinen heruͤbergebrachten und zum Theil auch hier angeworb-
nen Truppen eine gute Beſatzung hinein, und ſuchte den Ort auch durch neu angelegte
Werke noch feſter zu machen. Da ſich der Miniſter auf dieſe Art hinlaͤnglich geſichert
glaubte; ſo legte er ohne weitern Aufſchub mit dem franzoͤſiſchen General und einigen Man-
darinen (denen er voͤllig trauen zu koͤnnen glaubte) eine Verſchwoͤrung an. Der Haupt-
zwek derſelben war, daß der Monpi Totſo, (des Koͤnigs angenommener Sohn und zu-
gleich auch deſſelben Schwiegerſohn,) der voͤllig eine Creatur des Faulcon und der Fran-
zoſen war, nach des Koͤnigs Tode (der wegen der zunehmenden Waſſerſucht nicht mehr
weit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/102>, abgerufen am 28.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.