gearbeitet werden. Diess ist unterblieben, deshalb bilden Stirn, Wange, Schläfe, Hals eine etwas leere weichliche Fläche, die allerdings Zweifel wecken könnte, aber nur, wenn das Bild als fertig zu betrachten wäre.
Der Marques von Castel Rodrigo.
Hier mag ein räthselhaftes Bildniss seinen Platz finden, welches bisher noch nirgends besprochen worden ist: die Figur des Marques von Castel Rodrigo im Palast des Principe Pio di Savoja zu Mailand. Es gilt dort, wie es scheint nach alter Ueber- lieferung für ein Original des Meisters; und wenn die Signatur am Arm des Sessels (Velazquez ft.) mehr als zweifelhaft ist, so scheint die Gestalt des alten portugiesichen Edelmanns und die Malerei des Antlitzes der beglaubigenden Unterschrift kaum zu bedürfen. Wenigstens, als ich zum erstenmale im Oktober 1880 auf eine Mittheilung von Gustavo Frizzoni hin den Palast des Borgo nuovo besuchte, leuchtete es mir sofort aus den übrigen Ahnenbildern wie mit seinem Stempel bezeichnet entgegen; auch Giovanni Morelli der grosse Gemäldekenner hält es für echt.
Der alte Herr, eine weder hoch noch mächtig gebaute Ge- stalt, Kniestück, steht nach links gewandt, aber den Betrachter forschend fixirend, in schwarzseidenem Rock und Mantel neben einem ebenfalls schwarz ausgeschlagenen Sessel; auf der Lehne ruht die Rechte, einen Brief haltend, die Linke, den Zeigefinger ausgestreckt, liegt an der Degenkoppel. Im Nacken ist eine Spur von Gebeugtheit des Alters. Die weissen Haare sind so dünn dass die Schädelflächen rein hervortreten; die Farbe sehr blass, die Brauen dunkel, Schnurr- und Knebelbart weiss.
Feinheit und Bestimmtheit der Modellirung, Durchsichtigkeit der Charakteristik, bannendes Leben kann schwerlich mit ein- facheren Mitteln ausgedrückt, mit weniger Farbe und Schatten keiner Menschengestalt soviel körperlich-geistige Wirklichkeit verliehen werden. Auf ganz hellem, leerem Grund (nur in der Ecke links unten ein schwaches Schattendreieck) steht der alte Staatsmann in schattenlosem Licht, das ehrwürdige Haupt ruhend auf einer weissen Halskrause. Der Blick, durch den die Persönlichkeit wie in einem Brennpunkt mit bekannter Magie wirkt, nur durch kleine dunkle Punkte accentuirt, spricht von einem langen Leben in den Staatsgeschäften, der Gewohnheit des Befehlens und forschender Beobachtung der Menschen.
Fünftes Buch.
gearbeitet werden. Diess ist unterblieben, deshalb bilden Stirn, Wange, Schläfe, Hals eine etwas leere weichliche Fläche, die allerdings Zweifel wecken könnte, aber nur, wenn das Bild als fertig zu betrachten wäre.
Der Marques von Castel Rodrigo.
Hier mag ein räthselhaftes Bildniss seinen Platz finden, welches bisher noch nirgends besprochen worden ist: die Figur des Marques von Castel Rodrigo im Palast des Principe Pio di Savoja zu Mailand. Es gilt dort, wie es scheint nach alter Ueber- lieferung für ein Original des Meisters; und wenn die Signatur am Arm des Sessels (Velazquez ft.) mehr als zweifelhaft ist, so scheint die Gestalt des alten portugiesichen Edelmanns und die Malerei des Antlitzes der beglaubigenden Unterschrift kaum zu bedürfen. Wenigstens, als ich zum erstenmale im Oktober 1880 auf eine Mittheilung von Gustavo Frizzoni hin den Palast des Borgo nuovo besuchte, leuchtete es mir sofort aus den übrigen Ahnenbildern wie mit seinem Stempel bezeichnet entgegen; auch Giovanni Morelli der grosse Gemäldekenner hält es für echt.
Der alte Herr, eine weder hoch noch mächtig gebaute Ge- stalt, Kniestück, steht nach links gewandt, aber den Betrachter forschend fixirend, in schwarzseidenem Rock und Mantel neben einem ebenfalls schwarz ausgeschlagenen Sessel; auf der Lehne ruht die Rechte, einen Brief haltend, die Linke, den Zeigefinger ausgestreckt, liegt an der Degenkoppel. Im Nacken ist eine Spur von Gebeugtheit des Alters. Die weissen Haare sind so dünn dass die Schädelflächen rein hervortreten; die Farbe sehr blass, die Brauen dunkel, Schnurr- und Knebelbart weiss.
Feinheit und Bestimmtheit der Modellirung, Durchsichtigkeit der Charakteristik, bannendes Leben kann schwerlich mit ein- facheren Mitteln ausgedrückt, mit weniger Farbe und Schatten keiner Menschengestalt soviel körperlich-geistige Wirklichkeit verliehen werden. Auf ganz hellem, leerem Grund (nur in der Ecke links unten ein schwaches Schattendreieck) steht der alte Staatsmann in schattenlosem Licht, das ehrwürdige Haupt ruhend auf einer weissen Halskrause. Der Blick, durch den die Persönlichkeit wie in einem Brennpunkt mit bekannter Magie wirkt, nur durch kleine dunkle Punkte accentuirt, spricht von einem langen Leben in den Staatsgeschäften, der Gewohnheit des Befehlens und forschender Beobachtung der Menschen.
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Fünftes Buch.
gearbeitet werden. Diess ist unterblieben, deshalb bilden Stirn,
Wange, Schläfe, Hals eine etwas leere weichliche Fläche, die
allerdings Zweifel wecken könnte, aber nur, wenn das Bild als
fertig zu betrachten wäre.
Der Marques von Castel Rodrigo.
Hier mag ein räthselhaftes Bildniss seinen Platz finden,
welches bisher noch nirgends besprochen worden ist: die Figur
des Marques von Castel Rodrigo im Palast des Principe Pio di
Savoja zu Mailand. Es gilt dort, wie es scheint nach alter Ueber-
lieferung für ein Original des Meisters; und wenn die Signatur
am Arm des Sessels (Velazquez ft.) mehr als zweifelhaft ist, so
scheint die Gestalt des alten portugiesichen Edelmanns und die
Malerei des Antlitzes der beglaubigenden Unterschrift kaum zu
bedürfen. Wenigstens, als ich zum erstenmale im Oktober 1880
auf eine Mittheilung von Gustavo Frizzoni hin den Palast des
Borgo nuovo besuchte, leuchtete es mir sofort aus den übrigen
Ahnenbildern wie mit seinem Stempel bezeichnet entgegen; auch
Giovanni Morelli der grosse Gemäldekenner hält es für echt.
Der alte Herr, eine weder hoch noch mächtig gebaute Ge-
stalt, Kniestück, steht nach links gewandt, aber den Betrachter
forschend fixirend, in schwarzseidenem Rock und Mantel neben
einem ebenfalls schwarz ausgeschlagenen Sessel; auf der Lehne
ruht die Rechte, einen Brief haltend, die Linke, den Zeigefinger
ausgestreckt, liegt an der Degenkoppel. Im Nacken ist eine
Spur von Gebeugtheit des Alters. Die weissen Haare sind so
dünn dass die Schädelflächen rein hervortreten; die Farbe sehr
blass, die Brauen dunkel, Schnurr- und Knebelbart weiss.
Feinheit und Bestimmtheit der Modellirung, Durchsichtigkeit
der Charakteristik, bannendes Leben kann schwerlich mit ein-
facheren Mitteln ausgedrückt, mit weniger Farbe und Schatten
keiner Menschengestalt soviel körperlich-geistige Wirklichkeit
verliehen werden. Auf ganz hellem, leerem Grund (nur in der
Ecke links unten ein schwaches Schattendreieck) steht der
alte Staatsmann in schattenlosem Licht, das ehrwürdige Haupt
ruhend auf einer weissen Halskrause. Der Blick, durch den die
Persönlichkeit wie in einem Brennpunkt mit bekannter Magie
wirkt, nur durch kleine dunkle Punkte accentuirt, spricht von
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/98>, abgerufen am 30.12.2024.
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