Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.Siebentes Buch. ist es ganz dasselbe, mag der Stoff neu oder alt sein. Im letzternFall entfernt er sich von seinen Vorgängern so weit, dass eigent- lich nur die Unterschrift dieselbe ist, wie bei den Mythologien. Als die Feldherrnbilder für Buen Retiro ausgetheilt wurden, hatte er nicht daran gedacht, die Uebergabe von Breda zu übernehmen; als er sich später aus unbekannten Gründen dazu entschloss, scheint er sich vorgesetzt zu haben zu versuchen, wie weit die Unähnlichkeit zweier Darstellungen desselben geschichtlichen Augenblicks gehen könne, obwol seine Auffassung so einfach und natürlich ist wie die Skizze eines Augenzeugen. Ein Mann von ruhigem Selbstgefühl tritt uns hier entgegen. Er bringt die Sache auf die Leinwand wie es ihm beliebt, ohne sich zu beden- ken, wie sie zu den Vorstellungen der Leute und den Ge- pflogenheiten der Schule passe. Darin ist er ganz Spanier. Wenn man dort auf etwas ganz Unerhörtes und wie es scheint Absurdes trifft, so pflegt auf die triftigsten Gründe und die Be- rufung, dass es ja die ganze civilisirte Welt, und selbst das ganze übrige Spanien anders mache, die ruhige Antwort zu ergehen: Und hier macht man es so! Die lustigen Personen. Schon den Italienern des sechzehnten Jahrhunderts fiel die 1) Relation Badoer's von 1557. p. 237. Sono molto inclinati a sentir buffoni. 2) Flögel, Geschichte des Grotesk-Komischen. Liegnitz 1788. S. 73.
Siebentes Buch. ist es ganz dasselbe, mag der Stoff neu oder alt sein. Im letzternFall entfernt er sich von seinen Vorgängern so weit, dass eigent- lich nur die Unterschrift dieselbe ist, wie bei den Mythologien. Als die Feldherrnbilder für Buen Retiro ausgetheilt wurden, hatte er nicht daran gedacht, die Uebergabe von Breda zu übernehmen; als er sich später aus unbekannten Gründen dazu entschloss, scheint er sich vorgesetzt zu haben zu versuchen, wie weit die Unähnlichkeit zweier Darstellungen desselben geschichtlichen Augenblicks gehen könne, obwol seine Auffassung so einfach und natürlich ist wie die Skizze eines Augenzeugen. Ein Mann von ruhigem Selbstgefühl tritt uns hier entgegen. Er bringt die Sache auf die Leinwand wie es ihm beliebt, ohne sich zu beden- ken, wie sie zu den Vorstellungen der Leute und den Ge- pflogenheiten der Schule passe. Darin ist er ganz Spanier. Wenn man dort auf etwas ganz Unerhörtes und wie es scheint Absurdes trifft, so pflegt auf die triftigsten Gründe und die Be- rufung, dass es ja die ganze civilisirte Welt, und selbst das ganze übrige Spanien anders mache, die ruhige Antwort zu ergehen: Und hier macht man es so! Die lustigen Personen. Schon den Italienern des sechzehnten Jahrhunderts fiel die 1) Relation Badoer’s von 1557. p. 237. Sono molto inclinati a sentir buffoni. 2) Flögel, Geschichte des Grotesk-Komischen. Liegnitz 1788. S. 73.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0358" n="334"/><fw place="top" type="header">Siebentes Buch.</fw><lb/> ist es ganz dasselbe, mag der Stoff neu oder alt sein. Im letztern<lb/> Fall entfernt er sich von seinen Vorgängern so weit, dass eigent-<lb/> lich nur die Unterschrift dieselbe ist, wie bei den Mythologien.<lb/> Als die Feldherrnbilder für Buen Retiro ausgetheilt wurden, hatte<lb/> er nicht daran gedacht, die Uebergabe von Breda zu übernehmen;<lb/> als er sich später aus unbekannten Gründen dazu entschloss,<lb/> scheint er sich vorgesetzt zu haben zu versuchen, wie weit die<lb/> Unähnlichkeit zweier Darstellungen desselben geschichtlichen<lb/> Augenblicks gehen könne, obwol seine Auffassung so einfach<lb/> und natürlich ist wie die Skizze eines Augenzeugen. Ein Mann<lb/> von ruhigem Selbstgefühl tritt uns hier entgegen. Er bringt die<lb/> Sache auf die Leinwand wie es ihm beliebt, ohne sich zu beden-<lb/> ken, wie sie zu den Vorstellungen der Leute und den Ge-<lb/> pflogenheiten der Schule passe. Darin ist er ganz Spanier.<lb/> Wenn man dort auf etwas ganz Unerhörtes und wie es scheint<lb/> Absurdes trifft, so pflegt auf die triftigsten Gründe und die Be-<lb/> rufung, dass es ja die ganze civilisirte Welt, und selbst das ganze<lb/> übrige Spanien anders mache, die ruhige Antwort zu ergehen:<lb/> Und hier macht man es so!</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die lustigen Personen.</hi> </head><lb/> <p>Schon den Italienern des sechzehnten Jahrhunderts fiel die<lb/> Neigung der Spanier zum Narrenwesen auf<note place="foot" n="1)">Relation Badoer’s von 1557. p. 237. Sono molto inclinati a sentir buffoni.</note>. Ein Sammler<lb/> zur Geschichte des Komischen hatte den Eindruck, „dass die<lb/> Spanier wegen ihrer ausschweifenden und erhitzten Einbildungs-<lb/> kraft im Grotesk-Komischen alle Völker Europa’s übertroffen<lb/> haben“<note place="foot" n="2)">Flögel, Geschichte des Grotesk-Komischen. Liegnitz 1788. S. 73.</note>. Vielleicht grade wegen ihres Ernstes. „Wie der ernste<lb/> geistliche Stand, sagt Jean Paul, die meisten Komiker hat: so<lb/> haben die gravitätischen Spanier mehr Lustspiele als irgend ein<lb/> Volk, und oft zwei Harlekine in einem Stück“. Die Bande, welche<lb/> den spanischen Geist einschnürten, der Geschmack am trivialen<lb/> Detail, das Nebeneinander des noch ganz anders als sonstwo<lb/> lebendig gebliebenen Mittelalters mit den Zuständen moderner<lb/> Kultur, das gab Reibungen, denen der Funke der Komik ent-<lb/> sprühte. Dieser Hang ist nie auffallender hervorgetreten als in<lb/> unserm Jahrhundert, an dessen Eingang das Buch erschien, dessen<lb/> Held „ein mit Verstand gespickter Narr mit lichten Augenblicken<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [334/0358]
Siebentes Buch.
ist es ganz dasselbe, mag der Stoff neu oder alt sein. Im letztern
Fall entfernt er sich von seinen Vorgängern so weit, dass eigent-
lich nur die Unterschrift dieselbe ist, wie bei den Mythologien.
Als die Feldherrnbilder für Buen Retiro ausgetheilt wurden, hatte
er nicht daran gedacht, die Uebergabe von Breda zu übernehmen;
als er sich später aus unbekannten Gründen dazu entschloss,
scheint er sich vorgesetzt zu haben zu versuchen, wie weit die
Unähnlichkeit zweier Darstellungen desselben geschichtlichen
Augenblicks gehen könne, obwol seine Auffassung so einfach
und natürlich ist wie die Skizze eines Augenzeugen. Ein Mann
von ruhigem Selbstgefühl tritt uns hier entgegen. Er bringt die
Sache auf die Leinwand wie es ihm beliebt, ohne sich zu beden-
ken, wie sie zu den Vorstellungen der Leute und den Ge-
pflogenheiten der Schule passe. Darin ist er ganz Spanier.
Wenn man dort auf etwas ganz Unerhörtes und wie es scheint
Absurdes trifft, so pflegt auf die triftigsten Gründe und die Be-
rufung, dass es ja die ganze civilisirte Welt, und selbst das ganze
übrige Spanien anders mache, die ruhige Antwort zu ergehen:
Und hier macht man es so!
Die lustigen Personen.
Schon den Italienern des sechzehnten Jahrhunderts fiel die
Neigung der Spanier zum Narrenwesen auf 1). Ein Sammler
zur Geschichte des Komischen hatte den Eindruck, „dass die
Spanier wegen ihrer ausschweifenden und erhitzten Einbildungs-
kraft im Grotesk-Komischen alle Völker Europa’s übertroffen
haben“ 2). Vielleicht grade wegen ihres Ernstes. „Wie der ernste
geistliche Stand, sagt Jean Paul, die meisten Komiker hat: so
haben die gravitätischen Spanier mehr Lustspiele als irgend ein
Volk, und oft zwei Harlekine in einem Stück“. Die Bande, welche
den spanischen Geist einschnürten, der Geschmack am trivialen
Detail, das Nebeneinander des noch ganz anders als sonstwo
lebendig gebliebenen Mittelalters mit den Zuständen moderner
Kultur, das gab Reibungen, denen der Funke der Komik ent-
sprühte. Dieser Hang ist nie auffallender hervorgetreten als in
unserm Jahrhundert, an dessen Eingang das Buch erschien, dessen
Held „ein mit Verstand gespickter Narr mit lichten Augenblicken
1) Relation Badoer’s von 1557. p. 237. Sono molto inclinati a sentir buffoni.
2) Flögel, Geschichte des Grotesk-Komischen. Liegnitz 1788. S. 73.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |