mehr kennen als ihre Verse, und auch diese hat ja er zum Theil gerettet. Vergleicht man sie mit denen seiner Nachfolger, von dem gelehrten Nicolas Antonio, dem Verfasser der Bibliotheca Hispana (1672) an bis auf Fermin Arana de Varflora (Hijos de Sevilla 1791) so muss man gestehn, dass Pacheco hier den Künst- ler nicht verläugnet hat: er gab uns wirkliche Porträts, farben- reich, individuell, statt magerer Lexiconartikel.
Das Werk soll nach seinem Tode unter mehrere Liebhaber vertheilt worden sein; es war eine Zeitlang verschollen, in einem Kloster versteckt; bis der Advocat Francisco M. Asensio in Se- villa im Jahre 1864 einen Band mit 56 Artikeln ausfindig machte und erwarb, für 800 Duros. Die romanhafte Geschichte dieser Bibliophilenthat steht in seinem Büchlein über Pacheco. Nach sechszehnjähriger Ueberlegung hat er Zeichnungen und Text in einem phototypischen Prachtwerk veröffentlicht.
Venezianische Malerei.
Der Magnetpol des spanischen Geschmacks schien bereits im Mittelalter mehr nach Nordosten zu liegen. Man denke an das Verhältniss zur gothischen Baukunst, im Vergleich mit den Italienern. Welche Reihe von Kathedralen erster Ordnung! welche Gründungen, Salamanca, Segovia bis tief ins sechszehnte Jahrhundert neben der schon eingedrungenen Renaissance. Wenn man ihre wechselnden Neigungen in der Malerei abwägt, so dürfte sich die Waagschale mehr zu Gunsten der Niederländer als ihrer romanischen Vettern neigen, nicht nur im fünfzehnten, auch im siebzehnten Jahrhundert. Aus demselben Grunde waren ihnen die Schulen Norditaliens wahlverwandter als die römisch-floren- tinische. Wir sehen ja, was sie zu und nach der Zeit, als Bonarroti und Raphael ihren Siegeszug hielten, zu Stande ge- bracht haben, kaum aber kommen sie mit Venedig und Parma in Berührung, so haben sie Glück. Norditalien (Gallia cisalpina) hat seine Racenverschiedenheit von Toscana und Rom, seine Verwandtschaft mit Südfrankreich und Catalonien, wie in der Sprache so auch in der Malerei nie verläugnet. Dort galt mehr die Natur als das Ideal, mehr die Farbe als die Zeichnung, mehr Grazie und Bewegung als Schönheit, mehr der malerisch- perspektivische Schein als das architektonische Gesetz. Die Valencianer Ribalta und sein Schüler Ribera waren in Parma
Erstes Buch.
mehr kennen als ihre Verse, und auch diese hat ja er zum Theil gerettet. Vergleicht man sie mit denen seiner Nachfolger, von dem gelehrten Nicolas Antonio, dem Verfasser der Bibliotheca Hispana (1672) an bis auf Fermin Arana de Varflora (Hijos de Sevilla 1791) so muss man gestehn, dass Pacheco hier den Künst- ler nicht verläugnet hat: er gab uns wirkliche Porträts, farben- reich, individuell, statt magerer Lexiconartikel.
Das Werk soll nach seinem Tode unter mehrere Liebhaber vertheilt worden sein; es war eine Zeitlang verschollen, in einem Kloster versteckt; bis der Advocat Francisco M. Asensio in Se- villa im Jahre 1864 einen Band mit 56 Artikeln ausfindig machte und erwarb, für 800 Duros. Die romanhafte Geschichte dieser Bibliophilenthat steht in seinem Büchlein über Pacheco. Nach sechszehnjähriger Ueberlegung hat er Zeichnungen und Text in einem phototypischen Prachtwerk veröffentlicht.
Venezianische Malerei.
Der Magnetpol des spanischen Geschmacks schien bereits im Mittelalter mehr nach Nordosten zu liegen. Man denke an das Verhältniss zur gothischen Baukunst, im Vergleich mit den Italienern. Welche Reihe von Kathedralen erster Ordnung! welche Gründungen, Salamanca, Segovia bis tief ins sechszehnte Jahrhundert neben der schon eingedrungenen Renaissance. Wenn man ihre wechselnden Neigungen in der Malerei abwägt, so dürfte sich die Waagschale mehr zu Gunsten der Niederländer als ihrer romanischen Vettern neigen, nicht nur im fünfzehnten, auch im siebzehnten Jahrhundert. Aus demselben Grunde waren ihnen die Schulen Norditaliens wahlverwandter als die römisch-floren- tinische. Wir sehen ja, was sie zu und nach der Zeit, als Bonarroti und Raphael ihren Siegeszug hielten, zu Stande ge- bracht haben, kaum aber kommen sie mit Venedig und Parma in Berührung, so haben sie Glück. Norditalien (Gallia cisalpina) hat seine Racenverschiedenheit von Toscana und Rom, seine Verwandtschaft mit Südfrankreich und Catalonien, wie in der Sprache so auch in der Malerei nie verläugnet. Dort galt mehr die Natur als das Ideal, mehr die Farbe als die Zeichnung, mehr Grazie und Bewegung als Schönheit, mehr der malerisch- perspektivische Schein als das architektonische Gesetz. Die Valencianer Ribalta und sein Schüler Ribera waren in Parma
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Erstes Buch.
mehr kennen als ihre Verse, und auch diese hat ja er zum Theil
gerettet. Vergleicht man sie mit denen seiner Nachfolger, von
dem gelehrten Nicolas Antonio, dem Verfasser der Bibliotheca
Hispana (1672) an bis auf Fermin Arana de Varflora (Hijos de
Sevilla 1791) so muss man gestehn, dass Pacheco hier den Künst-
ler nicht verläugnet hat: er gab uns wirkliche Porträts, farben-
reich, individuell, statt magerer Lexiconartikel.
Das Werk soll nach seinem Tode unter mehrere Liebhaber
vertheilt worden sein; es war eine Zeitlang verschollen, in einem
Kloster versteckt; bis der Advocat Francisco M. Asensio in Se-
villa im Jahre 1864 einen Band mit 56 Artikeln ausfindig machte
und erwarb, für 800 Duros. Die romanhafte Geschichte dieser
Bibliophilenthat steht in seinem Büchlein über Pacheco. Nach
sechszehnjähriger Ueberlegung hat er Zeichnungen und Text in
einem phototypischen Prachtwerk veröffentlicht.
Venezianische Malerei.
Der Magnetpol des spanischen Geschmacks schien bereits
im Mittelalter mehr nach Nordosten zu liegen. Man denke an
das Verhältniss zur gothischen Baukunst, im Vergleich mit den
Italienern. Welche Reihe von Kathedralen erster Ordnung!
welche Gründungen, Salamanca, Segovia bis tief ins sechszehnte
Jahrhundert neben der schon eingedrungenen Renaissance. Wenn
man ihre wechselnden Neigungen in der Malerei abwägt, so dürfte
sich die Waagschale mehr zu Gunsten der Niederländer als
ihrer romanischen Vettern neigen, nicht nur im fünfzehnten, auch
im siebzehnten Jahrhundert. Aus demselben Grunde waren ihnen
die Schulen Norditaliens wahlverwandter als die römisch-floren-
tinische. Wir sehen ja, was sie zu und nach der Zeit, als
Bonarroti und Raphael ihren Siegeszug hielten, zu Stande ge-
bracht haben, kaum aber kommen sie mit Venedig und
Parma in Berührung, so haben sie Glück. Norditalien (Gallia
cisalpina) hat seine Racenverschiedenheit von Toscana und Rom,
seine Verwandtschaft mit Südfrankreich und Catalonien, wie in der
Sprache so auch in der Malerei nie verläugnet. Dort galt mehr
die Natur als das Ideal, mehr die Farbe als die Zeichnung,
mehr Grazie und Bewegung als Schönheit, mehr der malerisch-
perspektivische Schein als das architektonische Gesetz. Die
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/94>, abgerufen am 03.03.2025.
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