Jäger damals zwanzig Spürhunde (sabuesos) und zwei bis drei Hatzhunde (lebreles) gebrauchten, nahm er nur wenige Spürhunde. Einmal als er eine Sau abgefangen, die sich in dem trocknen mit Wurzeln bedeckten Bette eines Baches versteckt hatte und von den Saupackern nur am Schwanz gefasst werden konnte, sagte er triumphirend zu seinen Jägern:
"Was macht es mir aus (que mas me da) ob ich die Sau abfange (alancear, mit der Lanze), gepackt von den Hatz- hunden oder bloss gestellt von den Stöberern? Und hört was ich euch befehle: von heute an sollt ihr nicht mehr als zwei Finder (ventores) loslassen, die ihr auf die Fährte gehn und sie bestätigen." Ich entgegnete: "Sire, sie laufen in unwegsame Gründe, wo die Pferde nicht hinkommen können; E. M. darf sich nicht in Gefahr begeben, und das Leben aufs Spiel setzen." -- ,Schweigt, rief er, denn eure Sache ist es zu wissen, wohin das Wild flieht, nicht was die Könige thun können; denn die sind so tapfer zur That, wie mächtig im Gebieten. Wenn die Herrn, wie ihr sagt, sonst gejagt haben mit vielen Spür- und Hatzhun- den und das Schwein abgefangen haben mit der Saufeder, so reite ich ein besseres Pferd als sie, und bin schuldig mehr zu leisten als sie, wenn die Gelegenheit ruft. Und demgemäss be- fehle ich, dass ihr fortan, so wie ihr Hunde in Bereitschaft habt, die die Sau decken, also auch Pferde vorräthig haltet, damit wenn das aufgerissen ist welches ich reite, ich ein anderes be- steige, ihr zu folgen; denn ich will ihr nicht den Fang geben, wenn sie krank geschossen ist.' -- Und so geschieht es jetzo". -- Diess war wol die längste Rede die er in seinem Leben gehalten. Es ist eine Art Finderjagd, die für gefahrvoll und anstrengend gilt. Dieser Hang zur einsamen Jagd war vielleicht ein deutsches Erbtheil.
Jagdbilder.
Die Jagd hatte ihre Heldenthaten und ihre grossen Aktionen, ihre Curiositäten und Trophäen; die Malerei, als deren fasslichste Bestimmung immer galt, bedeutende, der Zeitlichkeit unter- worfene Erscheinungen der Vergänglichkeit zu entziehen, wurde berufen, den Glanzmomenten der Jagd Dauer zu verleihen. Solche Bilder gehörten zu den Theilen der Profanmalerei, die in Spa- nien von jeher gepflegt wurden. Ihr Platz war in den Jagd- schlössern. Sie sind wohl zu unterscheiden von jenen nach rein
Die spanische Jagd.
Jäger damals zwanzig Spürhunde (sabuesos) und zwei bis drei Hatzhunde (lebreles) gebrauchten, nahm er nur wenige Spürhunde. Einmal als er eine Sau abgefangen, die sich in dem trocknen mit Wurzeln bedeckten Bette eines Baches versteckt hatte und von den Saupackern nur am Schwanz gefasst werden konnte, sagte er triumphirend zu seinen Jägern:
„Was macht es mir aus (que mas me da) ob ich die Sau abfange (alancear, mit der Lanze), gepackt von den Hatz- hunden oder bloss gestellt von den Stöberern? Und hört was ich euch befehle: von heute an sollt ihr nicht mehr als zwei Finder (ventores) loslassen, die ihr auf die Fährte gehn und sie bestätigen.“ Ich entgegnete: „Sire, sie laufen in unwegsame Gründe, wo die Pferde nicht hinkommen können; E. M. darf sich nicht in Gefahr begeben, und das Leben aufs Spiel setzen.“ — ‚Schweigt, rief er, denn eure Sache ist es zu wissen, wohin das Wild flieht, nicht was die Könige thun können; denn die sind so tapfer zur That, wie mächtig im Gebieten. Wenn die Herrn, wie ihr sagt, sonst gejagt haben mit vielen Spür- und Hatzhun- den und das Schwein abgefangen haben mit der Saufeder, so reite ich ein besseres Pferd als sie, und bin schuldig mehr zu leisten als sie, wenn die Gelegenheit ruft. Und demgemäss be- fehle ich, dass ihr fortan, so wie ihr Hunde in Bereitschaft habt, die die Sau decken, also auch Pferde vorräthig haltet, damit wenn das aufgerissen ist welches ich reite, ich ein anderes be- steige, ihr zu folgen; denn ich will ihr nicht den Fang geben, wenn sie krank geschossen ist.‛ — Und so geschieht es jetzo“. — Diess war wol die längste Rede die er in seinem Leben gehalten. Es ist eine Art Finderjagd, die für gefahrvoll und anstrengend gilt. Dieser Hang zur einsamen Jagd war vielleicht ein deutsches Erbtheil.
Jagdbilder.
Die Jagd hatte ihre Heldenthaten und ihre grossen Aktionen, ihre Curiositäten und Trophäen; die Malerei, als deren fasslichste Bestimmung immer galt, bedeutende, der Zeitlichkeit unter- worfene Erscheinungen der Vergänglichkeit zu entziehen, wurde berufen, den Glanzmomenten der Jagd Dauer zu verleihen. Solche Bilder gehörten zu den Theilen der Profanmalerei, die in Spa- nien von jeher gepflegt wurden. Ihr Platz war in den Jagd- schlössern. Sie sind wohl zu unterscheiden von jenen nach rein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0403"n="375"/><fwplace="top"type="header">Die spanische Jagd.</fw><lb/>
Jäger damals zwanzig Spürhunde (<hirendition="#i">sabuesos</hi>) und zwei bis drei<lb/>
Hatzhunde (<hirendition="#i">lebreles</hi>) gebrauchten, nahm er nur wenige Spürhunde.<lb/>
Einmal als er eine Sau abgefangen, die sich in dem trocknen<lb/>
mit Wurzeln bedeckten Bette eines Baches versteckt hatte und<lb/>
von den Saupackern nur am Schwanz gefasst werden konnte,<lb/>
sagte er triumphirend zu seinen Jägern:</p><lb/><p>„Was macht es mir aus (<hirendition="#i">que mas me da</hi>) ob ich die Sau<lb/>
abfange (<hirendition="#i">alancear</hi>, mit der Lanze), gepackt von den Hatz-<lb/>
hunden oder bloss gestellt von den Stöberern? Und hört was<lb/>
ich euch befehle: von heute an sollt ihr nicht mehr als zwei<lb/>
Finder (<hirendition="#i">ventores</hi>) loslassen, die ihr auf die Fährte gehn und<lb/>
sie bestätigen.“ Ich entgegnete: „Sire, sie laufen in unwegsame<lb/>
Gründe, wo die Pferde nicht hinkommen können; E. M. darf sich<lb/>
nicht in Gefahr begeben, und das Leben aufs Spiel setzen.“—<lb/>‚Schweigt, rief er, denn eure Sache ist es zu wissen, wohin das<lb/>
Wild flieht, nicht was die Könige thun können; denn die sind<lb/>
so tapfer zur That, wie mächtig im Gebieten. Wenn die Herrn,<lb/>
wie ihr sagt, sonst gejagt haben mit vielen Spür- und Hatzhun-<lb/>
den und das Schwein abgefangen haben mit der Saufeder, so<lb/>
reite ich ein besseres Pferd als sie, und bin schuldig mehr zu<lb/>
leisten als sie, wenn die Gelegenheit ruft. Und demgemäss be-<lb/>
fehle ich, dass ihr fortan, so wie ihr Hunde in Bereitschaft habt,<lb/>
die die Sau decken, also auch Pferde vorräthig haltet, damit<lb/>
wenn das aufgerissen ist welches ich reite, ich ein anderes be-<lb/>
steige, ihr zu folgen; denn ich will ihr nicht den Fang geben,<lb/>
wenn sie krank geschossen ist.‛— Und so geschieht es jetzo“. —<lb/>
Diess war wol die längste Rede die er in seinem Leben gehalten.<lb/>
Es ist eine Art Finderjagd, die für gefahrvoll und anstrengend<lb/>
gilt. Dieser Hang zur einsamen Jagd war vielleicht ein deutsches<lb/>
Erbtheil.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Jagdbilder.</hi></head><lb/><p>Die Jagd hatte ihre Heldenthaten und ihre grossen Aktionen,<lb/>
ihre Curiositäten und Trophäen; die Malerei, als deren fasslichste<lb/>
Bestimmung immer galt, bedeutende, der Zeitlichkeit unter-<lb/>
worfene Erscheinungen der Vergänglichkeit zu entziehen, wurde<lb/>
berufen, den Glanzmomenten der Jagd Dauer zu verleihen. Solche<lb/>
Bilder gehörten zu den Theilen der Profanmalerei, die in Spa-<lb/>
nien von jeher gepflegt wurden. Ihr Platz war in den Jagd-<lb/>
schlössern. Sie sind wohl zu unterscheiden von jenen nach rein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[375/0403]
Die spanische Jagd.
Jäger damals zwanzig Spürhunde (sabuesos) und zwei bis drei
Hatzhunde (lebreles) gebrauchten, nahm er nur wenige Spürhunde.
Einmal als er eine Sau abgefangen, die sich in dem trocknen
mit Wurzeln bedeckten Bette eines Baches versteckt hatte und
von den Saupackern nur am Schwanz gefasst werden konnte,
sagte er triumphirend zu seinen Jägern:
„Was macht es mir aus (que mas me da) ob ich die Sau
abfange (alancear, mit der Lanze), gepackt von den Hatz-
hunden oder bloss gestellt von den Stöberern? Und hört was
ich euch befehle: von heute an sollt ihr nicht mehr als zwei
Finder (ventores) loslassen, die ihr auf die Fährte gehn und
sie bestätigen.“ Ich entgegnete: „Sire, sie laufen in unwegsame
Gründe, wo die Pferde nicht hinkommen können; E. M. darf sich
nicht in Gefahr begeben, und das Leben aufs Spiel setzen.“ —
‚Schweigt, rief er, denn eure Sache ist es zu wissen, wohin das
Wild flieht, nicht was die Könige thun können; denn die sind
so tapfer zur That, wie mächtig im Gebieten. Wenn die Herrn,
wie ihr sagt, sonst gejagt haben mit vielen Spür- und Hatzhun-
den und das Schwein abgefangen haben mit der Saufeder, so
reite ich ein besseres Pferd als sie, und bin schuldig mehr zu
leisten als sie, wenn die Gelegenheit ruft. Und demgemäss be-
fehle ich, dass ihr fortan, so wie ihr Hunde in Bereitschaft habt,
die die Sau decken, also auch Pferde vorräthig haltet, damit
wenn das aufgerissen ist welches ich reite, ich ein anderes be-
steige, ihr zu folgen; denn ich will ihr nicht den Fang geben,
wenn sie krank geschossen ist.‛ — Und so geschieht es jetzo“. —
Diess war wol die längste Rede die er in seinem Leben gehalten.
Es ist eine Art Finderjagd, die für gefahrvoll und anstrengend
gilt. Dieser Hang zur einsamen Jagd war vielleicht ein deutsches
Erbtheil.
Jagdbilder.
Die Jagd hatte ihre Heldenthaten und ihre grossen Aktionen,
ihre Curiositäten und Trophäen; die Malerei, als deren fasslichste
Bestimmung immer galt, bedeutende, der Zeitlichkeit unter-
worfene Erscheinungen der Vergänglichkeit zu entziehen, wurde
berufen, den Glanzmomenten der Jagd Dauer zu verleihen. Solche
Bilder gehörten zu den Theilen der Profanmalerei, die in Spa-
nien von jeher gepflegt wurden. Ihr Platz war in den Jagd-
schlössern. Sie sind wohl zu unterscheiden von jenen nach rein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/403>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.