Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede
ich mit geizigen Blicken, um alles an ihr
zu entdecken, was zum Wesen ihres Ka-
rakters gehörte, und so drückte sich dies
Bild tief meiner Seele ein.

Nachdem ich verwichenen Herbst mei-
nen Beruf wirklich empfangen hatte, und
hier ankam, so waren schon alle Collegia
besezt, und mir blieb also Zeit über, nebst
andern zur Sache gehörigen, mir aufge-
tragenen Geschäften, mich auf meinen
Beruf mit allem Fleise anzuschicken und
vorzubereiten.

Man hatte schon eine Zeit her wahr-
genommen: daß sowohl das Publikum, als
auch die neuen hier ankommenden Jüng-
linge, sich von der Kameral-Hohenschu-
le einen falschen Begriff gemacht hatten,
ohngeachtet der vor ein paar Jahren her-
ausgegebene Plan die Sache deutlich ent-
wickelt. Jeder glaubte hier nichts anders,
als das eigentliche Kameralwesen studiren
zu können, und man wunderte sich, wenn
man im Hörsaale Naturgeschichte, Phy-
sik, Chymie u. s. w. erklären hörte. Zu-
dem glaubte der Vorstand und die Lehrer
unserer Hohenschule den Jünglingen ihr

Stu-

Vorrede
ich mit geizigen Blicken, um alles an ihr
zu entdecken, was zum Weſen ihres Ka-
rakters gehoͤrte, und ſo druͤckte ſich dies
Bild tief meiner Seele ein.

Nachdem ich verwichenen Herbſt mei-
nen Beruf wirklich empfangen hatte, und
hier ankam, ſo waren ſchon alle Collegia
beſezt, und mir blieb alſo Zeit uͤber, nebſt
andern zur Sache gehoͤrigen, mir aufge-
tragenen Geſchaͤften, mich auf meinen
Beruf mit allem Fleiſe anzuſchicken und
vorzubereiten.

Man hatte ſchon eine Zeit her wahr-
genommen: daß ſowohl das Publikum, als
auch die neuen hier ankommenden Juͤng-
linge, ſich von der Kameral-Hohenſchu-
le einen falſchen Begriff gemacht hatten,
ohngeachtet der vor ein paar Jahren her-
ausgegebene Plan die Sache deutlich ent-
wickelt. Jeder glaubte hier nichts anders,
als das eigentliche Kameralweſen ſtudiren
zu koͤnnen, und man wunderte ſich, wenn
man im Hoͤrſaale Naturgeſchichte, Phy-
ſik, Chymie u. ſ. w. erklaͤren hoͤrte. Zu-
dem glaubte der Vorſtand und die Lehrer
unſerer Hohenſchule den Juͤnglingen ihr

Stu-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede</hi></fw><lb/>
ich mit geizigen Blicken, um alles an ihr<lb/>
zu entdecken, was zum We&#x017F;en ihres Ka-<lb/>
rakters geho&#x0364;rte, und &#x017F;o dru&#x0364;ckte &#x017F;ich dies<lb/>
Bild tief meiner Seele ein.</p><lb/>
        <p>Nachdem ich verwichenen Herb&#x017F;t mei-<lb/>
nen Beruf wirklich empfangen hatte, und<lb/>
hier ankam, &#x017F;o waren &#x017F;chon alle Collegia<lb/>
be&#x017F;ezt, und mir blieb al&#x017F;o Zeit u&#x0364;ber, neb&#x017F;t<lb/>
andern zur Sache geho&#x0364;rigen, mir aufge-<lb/>
tragenen Ge&#x017F;cha&#x0364;ften, mich auf meinen<lb/>
Beruf mit allem Flei&#x017F;e anzu&#x017F;chicken und<lb/>
vorzubereiten.</p><lb/>
        <p>Man hatte &#x017F;chon eine Zeit her wahr-<lb/>
genommen: daß &#x017F;owohl das Publikum, als<lb/>
auch die neuen hier ankommenden Ju&#x0364;ng-<lb/>
linge, &#x017F;ich von der Kameral-Hohen&#x017F;chu-<lb/>
le einen fal&#x017F;chen Begriff gemacht hatten,<lb/>
ohngeachtet der vor ein paar Jahren her-<lb/>
ausgegebene Plan die Sache deutlich ent-<lb/>
wickelt. Jeder glaubte hier nichts anders,<lb/>
als das eigentliche Kameralwe&#x017F;en &#x017F;tudiren<lb/>
zu ko&#x0364;nnen, und man wunderte &#x017F;ich, wenn<lb/>
man im Ho&#x0364;r&#x017F;aale Naturge&#x017F;chichte, Phy-<lb/>
&#x017F;ik, Chymie u. &#x017F;. w. erkla&#x0364;ren ho&#x0364;rte. Zu-<lb/>
dem glaubte der Vor&#x017F;tand und die Lehrer<lb/>
un&#x017F;erer Hohen&#x017F;chule den Ju&#x0364;nglingen ihr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Stu-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0015] Vorrede ich mit geizigen Blicken, um alles an ihr zu entdecken, was zum Weſen ihres Ka- rakters gehoͤrte, und ſo druͤckte ſich dies Bild tief meiner Seele ein. Nachdem ich verwichenen Herbſt mei- nen Beruf wirklich empfangen hatte, und hier ankam, ſo waren ſchon alle Collegia beſezt, und mir blieb alſo Zeit uͤber, nebſt andern zur Sache gehoͤrigen, mir aufge- tragenen Geſchaͤften, mich auf meinen Beruf mit allem Fleiſe anzuſchicken und vorzubereiten. Man hatte ſchon eine Zeit her wahr- genommen: daß ſowohl das Publikum, als auch die neuen hier ankommenden Juͤng- linge, ſich von der Kameral-Hohenſchu- le einen falſchen Begriff gemacht hatten, ohngeachtet der vor ein paar Jahren her- ausgegebene Plan die Sache deutlich ent- wickelt. Jeder glaubte hier nichts anders, als das eigentliche Kameralweſen ſtudiren zu koͤnnen, und man wunderte ſich, wenn man im Hoͤrſaale Naturgeſchichte, Phy- ſik, Chymie u. ſ. w. erklaͤren hoͤrte. Zu- dem glaubte der Vorſtand und die Lehrer unſerer Hohenſchule den Juͤnglingen ihr Stu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/15
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/15>, abgerufen am 26.04.2024.