Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.A. Der Proceß. Vertheidigung -- Doppelklage. §. 52. diesem Sinn hat die Stelle in Note 109 vollkommen Recht --sondern umgekehrt um Nichtbeschränkung des Beklagten in der Benutzung seiner Vertheidigungsmittel. Nur wer noch an dem obigen Irrthum hängt, als sei der Kläger sofort vor dem Prätor mit einer legis actio aufgetreten, die, einmal gesprochen, sich natürlich hinterher nicht mehr ändern ließ, wird meine An- sicht für unmöglich erklären müssen; allein ich meinerseits gebe jenen Vorwurf der Unmöglichkeit zurück und glaube, daß es sich gerade bei der gegenwärtigen Frage so recht schlagend zeigt, wie das ganze alte Proceßsystem nur möglich war, wenn wir anneh- men, daß die solenne Fixirung der Klage in Form der legis actio das Resultat vorausgegangener Verhandlungen war, bei denen sich herausgestellt hatte, was streitig, was zugegeben war -- kein einseitiger Akt, sondern eine zweiseitige Feststellung des eigentlichen Streitpunktes. 3. Die Doppelklage. Diese Klagform bezeichnet in unsern Augen den höchsten Das neuere Recht nennt uns zwei Klassen von Doppelklagen: 111) L. 10 fin. reg. (10. 1), L. 2 §. 1 Comm. div. (10. 2) -- L. 37 §. 1 de O. et A. (41. 1), L. 2 pr. de interd. (43. 1). 112) L. 10 cit. L. 44 §. 4 fam. erc. (10. 2) und Gaj. IV. 160. Wenn
Gajus sich außerdem noch so ausdrückt: par utriusque litigatoris in his conditio est nec quisquam praecipue reus vel actor intelligitur, so ist dies ganz geeignet, den einfachen, klaren Gesichtspunkt zu verwischen und der An- sicht Raum zu geben, als greife der Gegensatz der Partheirollen bei diesen Klagen gar nicht Platz (eine ähnliche Aeußerung von ihm s. in L. 13 de jud. 5. 1), während der Gegensatz umgekehrt verdoppelt ist. A. Der Proceß. Vertheidigung — Doppelklage. §. 52. dieſem Sinn hat die Stelle in Note 109 vollkommen Recht —ſondern umgekehrt um Nichtbeſchränkung des Beklagten in der Benutzung ſeiner Vertheidigungsmittel. Nur wer noch an dem obigen Irrthum hängt, als ſei der Kläger ſofort vor dem Prätor mit einer legis actio aufgetreten, die, einmal geſprochen, ſich natürlich hinterher nicht mehr ändern ließ, wird meine An- ſicht für unmöglich erklären müſſen; allein ich meinerſeits gebe jenen Vorwurf der Unmöglichkeit zurück und glaube, daß es ſich gerade bei der gegenwärtigen Frage ſo recht ſchlagend zeigt, wie das ganze alte Proceßſyſtem nur möglich war, wenn wir anneh- men, daß die ſolenne Fixirung der Klage in Form der legis actio das Reſultat vorausgegangener Verhandlungen war, bei denen ſich herausgeſtellt hatte, was ſtreitig, was zugegeben war — kein einſeitiger Akt, ſondern eine zweiſeitige Feſtſtellung des eigentlichen Streitpunktes. 3. Die Doppelklage. Dieſe Klagform bezeichnet in unſern Augen den höchſten Das neuere Recht nennt uns zwei Klaſſen von Doppelklagen: 111) L. 10 fin. reg. (10. 1), L. 2 §. 1 Comm. div. (10. 2) — L. 37 §. 1 de O. et A. (41. 1), L. 2 pr. de interd. (43. 1). 112) L. 10 cit. L. 44 §. 4 fam. erc. (10. 2) und Gaj. IV. 160. Wenn
Gajus ſich außerdem noch ſo ausdrückt: par utriusque litigatoris in his conditio est nec quisquam praecipue reus vel actor intelligitur, ſo iſt dies ganz geeignet, den einfachen, klaren Geſichtspunkt zu verwiſchen und der An- ſicht Raum zu geben, als greife der Gegenſatz der Partheirollen bei dieſen Klagen gar nicht Platz (eine ähnliche Aeußerung von ihm ſ. in L. 13 de jud. 5. 1), während der Gegenſatz umgekehrt verdoppelt iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <div n="10"> <div n="11"> <div n="12"> <p><pb facs="#f0105" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Der Proceß. Vertheidigung — Doppelklage. §. 52.</fw><lb/> dieſem Sinn hat die Stelle in Note 109 vollkommen Recht —<lb/> ſondern umgekehrt um <hi rendition="#g">Nichtbeſchränkung</hi> des Beklagten in<lb/> der Benutzung ſeiner Vertheidigungsmittel. Nur wer noch an<lb/> dem obigen Irrthum hängt, als ſei der Kläger ſofort vor dem<lb/> Prätor mit einer <hi rendition="#aq">legis actio</hi> aufgetreten, die, einmal geſprochen,<lb/> ſich natürlich hinterher nicht mehr ändern ließ, wird meine An-<lb/> ſicht für unmöglich erklären müſſen; allein ich meinerſeits gebe<lb/> jenen Vorwurf der Unmöglichkeit zurück und glaube, daß es ſich<lb/> gerade bei der gegenwärtigen Frage ſo recht ſchlagend zeigt, wie<lb/> das ganze alte Proceßſyſtem nur möglich war, wenn wir anneh-<lb/> men, daß die ſolenne Fixirung der Klage in Form der <hi rendition="#aq">legis actio</hi><lb/> das Reſultat vorausgegangener Verhandlungen war, bei denen<lb/> ſich herausgeſtellt hatte, was ſtreitig, was zugegeben war — kein<lb/><hi rendition="#g">einſeitiger</hi> Akt, ſondern eine <hi rendition="#g">zweiſeitige</hi> Feſtſtellung des<lb/> eigentlichen Streitpunktes.</p> </div><lb/> <div n="12"> <head>3. <hi rendition="#g">Die Doppelklage</hi>.</head><lb/> <p>Dieſe Klagform bezeichnet in unſern Augen den höchſten<lb/> Elevationspunkt des alten Proceſſes oder richtiger den Punkt,<lb/> wo er über ſich ſelbſt, über den Grundſatz der <hi rendition="#g">einen</hi> Frage und<lb/> der bloßen <hi rendition="#g">Negation</hi> hinausgeht.</p><lb/> <p>Das neuere Recht nennt uns zwei Klaſſen von Doppelklagen:<lb/> die Theilungsklagen und die <hi rendition="#aq">interd. retinendae possessionis</hi> <note place="foot" n="111)"><hi rendition="#aq">L. 10 fin. reg. (10. 1), L. 2 §. 1 Comm. div. (10. 2) — L. 37<lb/> §. 1 de O. et A. (41. 1), L. 2 pr. de interd.</hi> (43. 1).</note><lb/> und ſetzt das Eigenthümliche darein, daß jeder von beiden Thei-<lb/> len die Rolle des Klägers und Beklagten in ſich vereinige. <note place="foot" n="112)"><hi rendition="#aq">L. 10 cit. L. 44 §. 4 fam. erc.</hi> (10. 2) und <hi rendition="#aq">Gaj. IV.</hi> 160. Wenn<lb/> Gajus ſich außerdem noch ſo ausdrückt: <hi rendition="#aq">par utriusque litigatoris in his<lb/> conditio est nec quisquam praecipue reus vel actor intelligitur,</hi> ſo iſt dies<lb/> ganz geeignet, den einfachen, klaren Geſichtspunkt zu verwiſchen und der An-<lb/> ſicht Raum zu geben, als greife der Gegenſatz der Partheirollen bei dieſen<lb/> Klagen gar nicht Platz (eine ähnliche Aeußerung von ihm ſ. in <hi rendition="#aq">L. 13 de jud.</hi><lb/> 5. 1), während der Gegenſatz umgekehrt <hi rendition="#g">verdoppelt</hi> iſt.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0105]
A. Der Proceß. Vertheidigung — Doppelklage. §. 52.
dieſem Sinn hat die Stelle in Note 109 vollkommen Recht —
ſondern umgekehrt um Nichtbeſchränkung des Beklagten in
der Benutzung ſeiner Vertheidigungsmittel. Nur wer noch an
dem obigen Irrthum hängt, als ſei der Kläger ſofort vor dem
Prätor mit einer legis actio aufgetreten, die, einmal geſprochen,
ſich natürlich hinterher nicht mehr ändern ließ, wird meine An-
ſicht für unmöglich erklären müſſen; allein ich meinerſeits gebe
jenen Vorwurf der Unmöglichkeit zurück und glaube, daß es ſich
gerade bei der gegenwärtigen Frage ſo recht ſchlagend zeigt, wie
das ganze alte Proceßſyſtem nur möglich war, wenn wir anneh-
men, daß die ſolenne Fixirung der Klage in Form der legis actio
das Reſultat vorausgegangener Verhandlungen war, bei denen
ſich herausgeſtellt hatte, was ſtreitig, was zugegeben war — kein
einſeitiger Akt, ſondern eine zweiſeitige Feſtſtellung des
eigentlichen Streitpunktes.
3. Die Doppelklage.
Dieſe Klagform bezeichnet in unſern Augen den höchſten
Elevationspunkt des alten Proceſſes oder richtiger den Punkt,
wo er über ſich ſelbſt, über den Grundſatz der einen Frage und
der bloßen Negation hinausgeht.
Das neuere Recht nennt uns zwei Klaſſen von Doppelklagen:
die Theilungsklagen und die interd. retinendae possessionis 111)
und ſetzt das Eigenthümliche darein, daß jeder von beiden Thei-
len die Rolle des Klägers und Beklagten in ſich vereinige. 112)
111) L. 10 fin. reg. (10. 1), L. 2 §. 1 Comm. div. (10. 2) — L. 37
§. 1 de O. et A. (41. 1), L. 2 pr. de interd. (43. 1).
112) L. 10 cit. L. 44 §. 4 fam. erc. (10. 2) und Gaj. IV. 160. Wenn
Gajus ſich außerdem noch ſo ausdrückt: par utriusque litigatoris in his
conditio est nec quisquam praecipue reus vel actor intelligitur, ſo iſt dies
ganz geeignet, den einfachen, klaren Geſichtspunkt zu verwiſchen und der An-
ſicht Raum zu geben, als greife der Gegenſatz der Partheirollen bei dieſen
Klagen gar nicht Platz (eine ähnliche Aeußerung von ihm ſ. in L. 13 de jud.
5. 1), während der Gegenſatz umgekehrt verdoppelt iſt.
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