Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. 2. Die hausherrliche Gewalt insbesondere. Das Haus ein Asyl -- äußere und innere Abgeschlossenheit des- XXXII. Das Haus hat für die privatrechtliche Herrschaft An das Haus knüpft das natürliche Gefühl die Vorstel- beharrte, auch durchzusetzen, aber es war doch vorher Gelegenheit gegeben auf ihn einzuwirken. Die alte Testamentsform ersetzte vielleicht die querela inofficiosi testamenti, wie umgekehrt das Aufkommen schriftlicher Testa- mente auf die Einführung dieser Klage einen großen Einfluß geübt haben mag. 205) Beruht auf dieser Vorstellung vielleicht der Gegensatz der beiden
Ausdrücke, mit denen das ältere Recht das Vermögen bezeichnet, familia (Ausgangspunkt: das Haus s. Note 214) und pecunia (Ausgangspunkt: pe- cus)? Vom Vermögen des Volks wird nur pecunia gebraucht, nicht fami- lia, es hat keine Beziehung zur hausherrlichen Gewalt, ist ein bloßes Werth- objekt (wie das peculium des Sklaven). Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. 2. Die hausherrliche Gewalt insbeſondere. Das Haus ein Aſyl — äußere und innere Abgeſchloſſenheit deſ- XXXII. Das Haus hat für die privatrechtliche Herrſchaft An das Haus knüpft das natürliche Gefühl die Vorſtel- beharrte, auch durchzuſetzen, aber es war doch vorher Gelegenheit gegeben auf ihn einzuwirken. Die alte Teſtamentsform erſetzte vielleicht die querela inofficiosi testamenti, wie umgekehrt das Aufkommen ſchriftlicher Teſta- mente auf die Einführung dieſer Klage einen großen Einfluß geübt haben mag. 205) Beruht auf dieſer Vorſtellung vielleicht der Gegenſatz der beiden
Ausdrücke, mit denen das ältere Recht das Vermögen bezeichnet, familia (Ausgangspunkt: das Haus ſ. Note 214) und pecunia (Ausgangspunkt: pe- cus)? Vom Vermögen des Volks wird nur pecunia gebraucht, nicht fami- lia, es hat keine Beziehung zur hausherrlichen Gewalt, iſt ein bloßes Werth- objekt (wie das peculium des Sklaven). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <pb facs="#f0178" n="164"/> <fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw> </div><lb/> <div n="7"> <head>2. <hi rendition="#g">Die hausherrliche Gewalt insbeſondere</hi>.</head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Das Haus ein Aſyl — äußere und innere Abgeſchloſſenheit deſ-<lb/> ſelben — Die drei Gewalten des Hauſes (über Sklaven, Kinder,<lb/> Frauen) — abſtract-rechtlicher Inhalt derſelben — wirkliche<lb/> Geſtalt derſelben im römiſchen Leben. Der Einfluß der<lb/> Familie.</hi> </p> </argument><lb/> <p><hi rendition="#aq">XXXII.</hi> Das Haus hat für die privatrechtliche Herrſchaft<lb/> eine hohe Bedeutung. Es iſt nicht bloß der Urſitz derſelben und<lb/> ihr urſprüngliches Territorium, ſondern es behält auch, nach-<lb/> dem ſie ſich weit über die engen Gränzen deſſelben ausgedehnt<lb/> hat, einen beſonders ausgezeichneten Charakter für ſie bei, der<lb/> ſich auch auf das Vermögen erſtreckt, das das Haus in ſich<lb/> birgt. In dieſer räumlichen Gemeinſchaft der Perſonen und<lb/> Sachen, in dieſer Beſtimmung der <hi rendition="#g">Sachen</hi> für die unmittel-<lb/> bare perſönliche Exiſtenz und das Familienleben liegt für die<lb/> Sache ſelbſt ein ſittliches Moment, das dem von dieſer Aeußer-<lb/> lichkeit losgeriſſenen Vermögen völlig abgeht. <note place="foot" n="205)">Beruht auf dieſer Vorſtellung vielleicht der Gegenſatz der beiden<lb/> Ausdrücke, mit denen das ältere Recht das Vermögen bezeichnet, <hi rendition="#aq">familia</hi><lb/> (Ausgangspunkt: das Haus ſ. Note 214) und <hi rendition="#aq">pecunia</hi> (Ausgangspunkt: <hi rendition="#aq">pe-<lb/> cus</hi>)? Vom Vermögen des Volks wird nur <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">pecunia</hi></hi> gebraucht, nicht <hi rendition="#aq">fami-<lb/> lia,</hi> es hat keine Beziehung zur hausherrlichen Gewalt, iſt ein bloßes Werth-<lb/> objekt (wie das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">peculium</hi></hi> des Sklaven).</note> Die hervor-<lb/> ragendſte Stelle nimmt aber das Haus ſelber ein.</p><lb/> <p>An das Haus knüpft das natürliche Gefühl die Vorſtel-<lb/> lung eines beſondern Friedens, der hier herrſchen ſoll, eines<lb/> Aſyls, das dem Bewohner einen Schutz gegen die Außenwelt<lb/> gewähren ſoll. Das Verlangen nach Selbſtändigkeit und Un-<lb/> abhängigkeit, dem die Außenwelt ſo oft die Gewährung ver-<lb/> ſagt, <hi rendition="#g">hier</hi> ſucht und verlangt es um ſo mehr ſeine Befriedi-<lb/> gung; in dieſem Zuſtande der räumlichen Abgeſchiedenheit und<lb/> des natürlichen Für-Sich-Seins iſt auch das Gefühl der recht-<lb/><note xml:id="seg2pn_20_2" prev="#seg2pn_20_1" place="foot" n="204)">beharrte, auch durchzuſetzen, aber es war doch vorher Gelegenheit gegeben<lb/> auf ihn einzuwirken. Die alte Teſtamentsform erſetzte vielleicht die <hi rendition="#aq">querela<lb/> inofficiosi testamenti,</hi> wie umgekehrt das Aufkommen <hi rendition="#g">ſchriftlicher</hi> Teſta-<lb/> mente auf die Einführung dieſer Klage einen großen Einfluß geübt haben mag.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0178]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
2. Die hausherrliche Gewalt insbeſondere.
Das Haus ein Aſyl — äußere und innere Abgeſchloſſenheit deſ-
ſelben — Die drei Gewalten des Hauſes (über Sklaven, Kinder,
Frauen) — abſtract-rechtlicher Inhalt derſelben — wirkliche
Geſtalt derſelben im römiſchen Leben. Der Einfluß der
Familie.
XXXII. Das Haus hat für die privatrechtliche Herrſchaft
eine hohe Bedeutung. Es iſt nicht bloß der Urſitz derſelben und
ihr urſprüngliches Territorium, ſondern es behält auch, nach-
dem ſie ſich weit über die engen Gränzen deſſelben ausgedehnt
hat, einen beſonders ausgezeichneten Charakter für ſie bei, der
ſich auch auf das Vermögen erſtreckt, das das Haus in ſich
birgt. In dieſer räumlichen Gemeinſchaft der Perſonen und
Sachen, in dieſer Beſtimmung der Sachen für die unmittel-
bare perſönliche Exiſtenz und das Familienleben liegt für die
Sache ſelbſt ein ſittliches Moment, das dem von dieſer Aeußer-
lichkeit losgeriſſenen Vermögen völlig abgeht. 205) Die hervor-
ragendſte Stelle nimmt aber das Haus ſelber ein.
An das Haus knüpft das natürliche Gefühl die Vorſtel-
lung eines beſondern Friedens, der hier herrſchen ſoll, eines
Aſyls, das dem Bewohner einen Schutz gegen die Außenwelt
gewähren ſoll. Das Verlangen nach Selbſtändigkeit und Un-
abhängigkeit, dem die Außenwelt ſo oft die Gewährung ver-
ſagt, hier ſucht und verlangt es um ſo mehr ſeine Befriedi-
gung; in dieſem Zuſtande der räumlichen Abgeſchiedenheit und
des natürlichen Für-Sich-Seins iſt auch das Gefühl der recht-
204)
205) Beruht auf dieſer Vorſtellung vielleicht der Gegenſatz der beiden
Ausdrücke, mit denen das ältere Recht das Vermögen bezeichnet, familia
(Ausgangspunkt: das Haus ſ. Note 214) und pecunia (Ausgangspunkt: pe-
cus)? Vom Vermögen des Volks wird nur pecunia gebraucht, nicht fami-
lia, es hat keine Beziehung zur hausherrlichen Gewalt, iſt ein bloßes Werth-
objekt (wie das peculium des Sklaven).
204) beharrte, auch durchzuſetzen, aber es war doch vorher Gelegenheit gegeben
auf ihn einzuwirken. Die alte Teſtamentsform erſetzte vielleicht die querela
inofficiosi testamenti, wie umgekehrt das Aufkommen ſchriftlicher Teſta-
mente auf die Einführung dieſer Klage einen großen Einfluß geübt haben mag.
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