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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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freilich oft zu verdoppeln: so wäre jene bald glücklich. -- Mich
drückt eine öffentliche Ungerechtigkeit -- wie Ihre Kontribuzion --
halbe Tage lange; und der Druck überrascht mich wie ein Herz-
gespann, oft mitten in der Freude.

An die Lochner hab' ich geschrieben; mit Feldmann will ich5
reden -- und damit gut; nicht einmal die tolle Bittschrift an die
Berliner schreiben, welche ohnehin, da ich nicht da wohne, zu viel
Anmassung meines Namens voraus setzte. Aber vollends an
Deutschland? Zwei solche, des Weltlaufs kundige Männer, wie
Sie und O[tto] können so etwas Phantastisches rathen? -- Soll10
ich meinen Namen, den ich einmal für ein bedeutenderes Unglück
eines Menschen oder Orts gebrauchen kann, auf diese Weise
verschwenden? Wär' ich in Dresden gewesen, so hätt' ich für die
polnischen Familien etwas geschrieben. Was geht sie Deutschland
an? Müßt' ich mich nicht schämen, es zu bekennen, daß ich für15
eine Person, welche als Adeliche noch immer Hülfsquellen haben
muß, welche selber ökonomisch so oft mit Phantasterei und Leicht-
sinn handelte, und deren Leiden doch z. B. gegen das Leiden eines
Hausvaters mit Familie ein kleines ist, ganz Deutschland auf-
gerufen? Ich wüßte nicht einmal die Anzeige wirkend und treffend20
zu schreiben. Fragen Sie doch Otto: "wohin haben Sie gedacht,
lieber Otto?"

Eben kommt Ihr Billet.

152. An Emanuel.
25

Ein solcher Brief kann nicht schnell genug umkehren. -- Auch
ich fand im ganzen Briefe der Wilh[elmine] Krankheit und Über-
spannung durch letztere. Vor Freunden mach' ich gern so bittere
Brief-Einschiebsel; indeß in meinem Innern auch nicht die geringste
Essigmutter ist. -- Wie heißt denn der Bamberger Kaufmann, der30
mir einmal Wein zuschickte?

*153. An Carl Friedrich Kunz in Bamberg.

-- Nun wende ich mich an Sie mit einer Bitte, die mir Bayreuth
nicht erfüllen kann. Ich wünschte nämlich 12 Bouteillen alten35

freilich oft zu verdoppeln: ſo wäre jene bald glücklich. — Mich
drückt eine öffentliche Ungerechtigkeit — wie Ihre Kontribuzion —
halbe Tage lange; und der Druck überraſcht mich wie ein Herz-
geſpann, oft mitten in der Freude.

An die Lochner hab’ ich geſchrieben; mit Feldmann will ich5
reden — und damit gut; nicht einmal die tolle Bittſchrift an die
Berliner ſchreiben, welche ohnehin, da ich nicht da wohne, zu viel
Anmaſſung meines Namens voraus ſetzte. Aber vollends an
Deutſchland? Zwei ſolche, des Weltlaufs kundige Männer, wie
Sie und O[tto] können ſo etwas Phantaſtiſches rathen? — Soll10
ich meinen Namen, den ich einmal für ein bedeutenderes Unglück
eines Menſchen oder Orts gebrauchen kann, auf dieſe Weiſe
verſchwenden? Wär’ ich in Dresden geweſen, ſo hätt’ ich für die
polniſchen Familien etwas geſchrieben. Was geht ſie Deutſchland
an? Müßt’ ich mich nicht ſchämen, es zu bekennen, daß ich für15
eine Perſon, welche als Adeliche noch immer Hülfsquellen haben
muß, welche ſelber ökonomiſch ſo oft mit Phantaſterei und Leicht-
ſinn handelte, und deren Leiden doch z. B. gegen das Leiden eines
Hausvaters mit Familie ein kleines iſt, ganz Deutſchland auf-
gerufen? Ich wüßte nicht einmal die Anzeige wirkend und treffend20
zu ſchreiben. Fragen Sie doch Otto: „wohin haben Sie gedacht,
lieber Otto?“

Eben kommt Ihr Billet.

152. An Emanuel.
25

Ein ſolcher Brief kann nicht ſchnell genug umkehren. — Auch
ich fand im ganzen Briefe der Wilh[elmine] Krankheit und Über-
ſpannung durch letztere. Vor Freunden mach’ ich gern ſo bittere
Brief-Einſchiebſel; indeß in meinem Innern auch nicht die geringſte
Eſſigmutter iſt. — Wie heißt denn der Bamberger Kaufmann, der30
mir einmal Wein zuſchickte?

*153. An Carl Friedrich Kunz in Bamberg.

— Nun wende ich mich an Sie mit einer Bitte, die mir Bayreuth
nicht erfüllen kann. Ich wünſchte nämlich 12 Bouteillen alten35

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[52/0061] freilich oft zu verdoppeln: ſo wäre jene bald glücklich. — Mich drückt eine öffentliche Ungerechtigkeit — wie Ihre Kontribuzion — halbe Tage lange; und der Druck überraſcht mich wie ein Herz- geſpann, oft mitten in der Freude. An die Lochner hab’ ich geſchrieben; mit Feldmann will ich 5 reden — und damit gut; nicht einmal die tolle Bittſchrift an die Berliner ſchreiben, welche ohnehin, da ich nicht da wohne, zu viel Anmaſſung meines Namens voraus ſetzte. Aber vollends an Deutſchland? Zwei ſolche, des Weltlaufs kundige Männer, wie Sie und O[tto] können ſo etwas Phantaſtiſches rathen? — Soll 10 ich meinen Namen, den ich einmal für ein bedeutenderes Unglück eines Menſchen oder Orts gebrauchen kann, auf dieſe Weiſe verſchwenden? Wär’ ich in Dresden geweſen, ſo hätt’ ich für die polniſchen Familien etwas geſchrieben. Was geht ſie Deutſchland an? Müßt’ ich mich nicht ſchämen, es zu bekennen, daß ich für 15 eine Perſon, welche als Adeliche noch immer Hülfsquellen haben muß, welche ſelber ökonomiſch ſo oft mit Phantaſterei und Leicht- ſinn handelte, und deren Leiden doch z. B. gegen das Leiden eines Hausvaters mit Familie ein kleines iſt, ganz Deutſchland auf- gerufen? Ich wüßte nicht einmal die Anzeige wirkend und treffend 20 zu ſchreiben. Fragen Sie doch Otto: „wohin haben Sie gedacht, lieber Otto?“ Eben kommt Ihr Billet. 152. An Emanuel. [Bayreuth, 9. Sept. 1809] 25 Ein ſolcher Brief kann nicht ſchnell genug umkehren. — Auch ich fand im ganzen Briefe der Wilh[elmine] Krankheit und Über- ſpannung durch letztere. Vor Freunden mach’ ich gern ſo bittere Brief-Einſchiebſel; indeß in meinem Innern auch nicht die geringſte Eſſigmutter iſt. — Wie heißt denn der Bamberger Kaufmann, der 30 mir einmal Wein zuſchickte? *153. An Carl Friedrich Kunz in Bamberg. [Bayreuth, 10. Sept. 1809] — Nun wende ich mich an Sie mit einer Bitte, die mir Bayreuth nicht erfüllen kann. Ich wünſchte nämlich 12 Bouteillen alten 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/61>, abgerufen am 27.04.2024.