Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.107. An Emanuel. Hof d. 7. Mai 1795.Mein lieber Emanuel, Dieses eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage -- ausser der, ob Sie wissen, daß eine Studierstube nichts ist als ein Kaufladen vol Ihrem Freund25 Richter. 108. An Christian Otto. Hof. d. 8 Mai 95.Lieber Christian, Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den30 107. An Emanuel. Hof d. 7. Mai 1795.Mein lieber Emanuel, Dieſes eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage — auſſer der, ob Sie wiſſen, daß eine Studierſtube nichts iſt als ein Kaufladen vol Ihrem Freund25 Richter. 108. An Chriſtian Otto. Hof. d. 8 Mai 95.Lieber Chriſtian, Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den30 <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0092" n="82"/> <div type="letter" n="1"> <head>107. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof</hi> d. 7. Mai 1795.</hi> </dateline><lb/> <opener> <salute> <hi rendition="#et">Mein lieber Emanuel,</hi> </salute> </opener><lb/> <p>Dieſes eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage — auſſer der, ob<lb/> Sie die <hi rendition="#aq">Hundsposttage</hi> bekommen haben —; und dieſe iſt: ob ich eine<lb n="5"/> andere thun darf an Schäfer? —</p><lb/> <p>Sie wiſſen, daß eine Studierſtube nichts iſt als ein Kaufladen vol<lb/> Manuſkripte und daß der Autor darin ſteht und mit ſeinen Laden-<lb/> kunden, den Verlegern, handelt, zankt, ſchreiet und ſo fort — — Dazu<lb/> taugt nun niemand weniger als ich; zumal da man bei dieſem merkantili-<lb n="10"/> ſchen Hochamte ſeine Waare (d. h. am Ende ſeine Perſon) vorrühmen<lb/> mus. Daher bin ich auf der einen Seite allemal um etliche 100 fl. zu<lb/> kurz gekommen; auf der andern hab’ ich allemal durch Gelehrte — z. B.<lb/> bei den <hi rendition="#aq">Mumien</hi> durch den ſeel. Hofrath Moriz in Berlin — meine<lb/> merkantiliſche Wenigkeit und Nichtsheit repräſentieren laſſen. Dies-<lb n="15"/> mal möcht ichs bei einem kleinen Werkgen nun wieder und zwar bei dem<lb/> bayreuther Buchhändler. Würd’ es alſo den H. Schäfer nicht kompro-<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd2_76">[76]</ref></note>mittieren, ein ſolcher litterariſcher <hi rendition="#aq">Chargé d’affaires</hi> zu ſein; und wär’<lb/> es nicht zu kühn, den jungen blühenden Sprösling unſerer Freundſchaft<lb/> ſchon mit einer Laſt zu behängen: ſo würd’ ich ihm die Bitte und das<lb n="20"/> Buch ſchicken. Und an Sie thu’ ich die, mir meine Frage bald aufzulöſen.<lb/> Leben Sie wol, mein Lieber, und vergeben Sie dieſen in der Eile und im<lb/> Arbeitshauſe gemachten blos merkantiliſchen Brief</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Ihrem<lb/> Freund<lb n="25"/> Richter.</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>108. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">Citissime</hi> </byline> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof.</hi> d. 8 Mai 95.</hi> </dateline><lb/> <opener> <salute> <hi rendition="#et">Lieber Chriſtian,</hi> </salute> </opener><lb/> <p>Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den<lb n="30"/> Kopf gefahren iſt, wozu ich dein Ja bedarf, deſſen Verweigerung mir der<lb/> gröſte Tort wäre. Es betrift den Herman. Du weiſt, daß ſein gröſter<lb/> Gehalt nicht in den Paar von ihm abgeſprungnen Goldglimmern ſeiner<lb/><hi rendition="#g">Schriften,</hi> ſondern in der ganzen Textur und Kryſtalliſazion ſeines<lb/> Weſens und <hi rendition="#g">Karakters</hi> beſteht. Um ihn alſo darzuſtellen, mus man<lb n="35"/> weder blos <hi rendition="#g">jene</hi> geben noch <hi rendition="#g">dieſen</hi> blos beſchreiben. Denn kein Karak-<lb/> ter kan in todten vagen Zügen ſondern blos in Handlungen und Reden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0092]
107. An Emanuel.
Hof d. 7. Mai 1795.
Mein lieber Emanuel,
Dieſes eilige Briefgen thut nur eine kleine Frage — auſſer der, ob
Sie die Hundsposttage bekommen haben —; und dieſe iſt: ob ich eine 5
andere thun darf an Schäfer? —
Sie wiſſen, daß eine Studierſtube nichts iſt als ein Kaufladen vol
Manuſkripte und daß der Autor darin ſteht und mit ſeinen Laden-
kunden, den Verlegern, handelt, zankt, ſchreiet und ſo fort — — Dazu
taugt nun niemand weniger als ich; zumal da man bei dieſem merkantili- 10
ſchen Hochamte ſeine Waare (d. h. am Ende ſeine Perſon) vorrühmen
mus. Daher bin ich auf der einen Seite allemal um etliche 100 fl. zu
kurz gekommen; auf der andern hab’ ich allemal durch Gelehrte — z. B.
bei den Mumien durch den ſeel. Hofrath Moriz in Berlin — meine
merkantiliſche Wenigkeit und Nichtsheit repräſentieren laſſen. Dies- 15
mal möcht ichs bei einem kleinen Werkgen nun wieder und zwar bei dem
bayreuther Buchhändler. Würd’ es alſo den H. Schäfer nicht kompro-
mittieren, ein ſolcher litterariſcher Chargé d’affaires zu ſein; und wär’
es nicht zu kühn, den jungen blühenden Sprösling unſerer Freundſchaft
ſchon mit einer Laſt zu behängen: ſo würd’ ich ihm die Bitte und das 20
Buch ſchicken. Und an Sie thu’ ich die, mir meine Frage bald aufzulöſen.
Leben Sie wol, mein Lieber, und vergeben Sie dieſen in der Eile und im
Arbeitshauſe gemachten blos merkantiliſchen Brief
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Ihrem
Freund 25
Richter.
108. An Chriſtian Otto.
CitissimeHof. d. 8 Mai 95.
Lieber Chriſtian,
Eben komm ich vom Spaziergang, wo mir etwas Kühnes durch den 30
Kopf gefahren iſt, wozu ich dein Ja bedarf, deſſen Verweigerung mir der
gröſte Tort wäre. Es betrift den Herman. Du weiſt, daß ſein gröſter
Gehalt nicht in den Paar von ihm abgeſprungnen Goldglimmern ſeiner
Schriften, ſondern in der ganzen Textur und Kryſtalliſazion ſeines
Weſens und Karakters beſteht. Um ihn alſo darzuſtellen, mus man 35
weder blos jene geben noch dieſen blos beſchreiben. Denn kein Karak-
ter kan in todten vagen Zügen ſondern blos in Handlungen und Reden
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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