Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite

uns der Frühling mit blühenden Zweigen umfängt, mit glimmenden
Abendwolken beschattet und mit singenden Gärten anredet: o dan
werden wir verbunden ins warme Leben wie in einen Paradieses
Strom einsinken und wir werden nichts mehr haben zur Sprache
als die Umarmung. --5

Man probiert sich jezt neben mir zum heutigen Konzert: die
weichen Töne umgeben meine Gedanken, und ziehen mit harmo-
nischen Wogen und Wirbeln hebend um meine Hofnungen. -- Und
so sei dein Lebenstag, mein Theuerer, wie ein reiner Ton, der durch
unsere trübe kalte Luft durchflattert und darin sich weder besudelt10
noch bricht. Schliesse dich nicht ein! -- Habe ein troknes Auge,
ausser für die Freude und für den Dichter nicht! -- Schreibe bald, und
so lebe recht, recht wol!

Dein
Freund15
J. P. Fried. Richter

N. S. Den Grus deiner Klotilde erwieder' ich mit dem wärmsten,
in dem der Wunsch ist, daß Ihr Leben jährlich 4 Frühlinge und
365 Pfingsttage habe.

253. An Christian Otto.20

Da ich 2 Aufsäze aus einem ältern Schreibbuch in dieses eingebauet:
so kanst du es zum Konfrontieren haben. Ich bin froh, daß ich es dir
dasmal auf längere Zeit, nicht bis heute abends, sondern bis morgen
vormittag, ja abend geben kan: morgen abends gieb mirs wieder25
wegen tausend kleiner Rasuren und Korrekturen.

254. An Christian Otto.

Ich schicke dir sogar die neugeborne Vorrede zu den "Belusti-
gungen" die ich jezt machte, um nur alles aus dem Kopfe und vom30
Halse zu bringen. -- Was wirds denn thun, wenn ich meinem Ge-
liebtesten den Brief an Ahlefeld, der nur für lezteren gemacht wurde,
zuschicke? -- Ich mus allemal mein Ich absondern, wegdenken und
als ein Abstraktum hinausstellen, um an einem zu gutmüthigen[160]
Fremden die Liebe zum Abstraktum zu lieben und zu erwiedern.35

11 Jean Paul Briefe. II.

uns der Frühling mit blühenden Zweigen umfängt, mit glimmenden
Abendwolken beſchattet und mit ſingenden Gärten anredet: o dan
werden wir verbunden ins warme Leben wie in einen Paradieſes
Strom einſinken und wir werden nichts mehr haben zur Sprache
als die Umarmung. —5

Man probiert ſich jezt neben mir zum heutigen Konzert: die
weichen Töne umgeben meine Gedanken, und ziehen mit harmo-
niſchen Wogen und Wirbeln hebend um meine Hofnungen. — Und
ſo ſei dein Lebenstag, mein Theuerer, wie ein reiner Ton, der durch
unſere trübe kalte Luft durchflattert und darin ſich weder beſudelt10
noch bricht. Schlieſſe dich nicht ein! — Habe ein troknes Auge,
auſſer für die Freude und für den Dichter nicht! — Schreibe bald, und
ſo lebe recht, recht wol!

Dein
Freund15
J. P. Fried. Richter

N. S. Den Grus deiner Klotilde erwieder’ ich mit dem wärmſten,
in dem der Wunſch iſt, daß Ihr Leben jährlich 4 Frühlinge und
365 Pfingſttage habe.

253. An Chriſtian Otto.20

Da ich 2 Aufſäze aus einem ältern Schreibbuch in dieſes eingebauet:
ſo kanſt du es zum Konfrontieren haben. Ich bin froh, daß ich es dir
dasmal auf längere Zeit, nicht bis heute abends, ſondern bis morgen
vormittag, ja abend geben kan: morgen abends gieb mirs wieder25
wegen tauſend kleiner Raſuren und Korrekturen.

254. An Chriſtian Otto.

Ich ſchicke dir ſogar die neugeborne Vorrede zu den „Beluſti-
gungen“ die ich jezt machte, um nur alles aus dem Kopfe und vom30
Halſe zu bringen. — Was wirds denn thun, wenn ich meinem Ge-
liebteſten den Brief an Ahlefeld, der nur für lezteren gemacht wurde,
zuſchicke? — Ich mus allemal mein Ich abſondern, wegdenken und
als ein Abſtraktum hinausſtellen, um an einem zu gutmüthigen[160]
Fremden die Liebe zum Abſtraktum zu lieben und zu erwiedern.35

11 Jean Paul Briefe. II.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="161"/>
uns der Frühling mit blühenden Zweigen umfängt, mit glimmenden<lb/>
Abendwolken be&#x017F;chattet und mit &#x017F;ingenden Gärten anredet: o dan<lb/>
werden wir verbunden ins warme Leben wie in einen Paradie&#x017F;es<lb/>
Strom ein&#x017F;inken und wir werden nichts mehr haben zur Sprache<lb/>
als die Umarmung. &#x2014;<lb n="5"/>
</p>
        <p>Man probiert &#x017F;ich jezt neben mir zum heutigen Konzert: die<lb/>
weichen Töne umgeben meine Gedanken, und ziehen mit harmo-<lb/>
ni&#x017F;chen Wogen und Wirbeln hebend um meine Hofnungen. &#x2014; Und<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ei dein Lebenstag, mein Theuerer, wie ein reiner Ton, der durch<lb/>
un&#x017F;ere <hi rendition="#g">trübe kalte</hi> Luft durchflattert und darin &#x017F;ich weder be&#x017F;udelt<lb n="10"/>
noch bricht. Schlie&#x017F;&#x017F;e dich nicht ein! &#x2014; Habe ein troknes Auge,<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er für die Freude und für den Dichter nicht! &#x2014; Schreibe bald, und<lb/>
&#x017F;o lebe recht, recht wol!</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Dein<lb/>
Freund<lb n="15"/>
J. P. Fried. Richter</hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p>N. S. Den Grus deiner Klotilde erwieder&#x2019; ich mit dem wärm&#x017F;ten,<lb/>
in dem der Wun&#x017F;ch i&#x017F;t, daß Ihr Leben jährlich 4 Frühlinge und<lb/>
365 Pfing&#x017F;ttage habe.</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>253. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi><lb n="20"/>
</head>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 1. März 1796]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Da ich 2 Auf&#x017F;äze aus einem ältern Schreibbuch in die&#x017F;es eingebauet:<lb/>
&#x017F;o kan&#x017F;t du es zum Konfrontieren haben. Ich bin froh, daß ich es dir<lb/>
dasmal auf längere Zeit, nicht bis heute abends, &#x017F;ondern bis morgen<lb/>
vormittag, ja abend geben kan: morgen abends gieb mirs wieder<lb n="25"/>
wegen tau&#x017F;end kleiner Ra&#x017F;uren und Korrekturen.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>254. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 1. März 1796]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich &#x017F;chicke dir &#x017F;ogar die neugeborne Vorrede zu den &#x201E;Belu&#x017F;ti-<lb/>
gungen&#x201C; die ich jezt machte, um nur alles aus dem Kopfe und vom<lb n="30"/>
Hal&#x017F;e zu bringen. &#x2014; Was wirds denn thun, wenn ich meinem Ge-<lb/>
liebte&#x017F;ten den Brief an Ahlefeld, der nur für lezteren gemacht wurde,<lb/>
zu&#x017F;chicke? &#x2014; Ich mus allemal mein Ich ab&#x017F;ondern, wegdenken und<lb/>
als ein Ab&#x017F;traktum hinaus&#x017F;tellen, um an einem zu gutmüthigen<note place="right"><ref target="1922_Bd2_160">[160]</ref></note><lb/>
Fremden die Liebe zum Ab&#x017F;traktum zu lieben und zu erwiedern.<lb n="35"/>
</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">11 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">II.</hi></fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0172] uns der Frühling mit blühenden Zweigen umfängt, mit glimmenden Abendwolken beſchattet und mit ſingenden Gärten anredet: o dan werden wir verbunden ins warme Leben wie in einen Paradieſes Strom einſinken und wir werden nichts mehr haben zur Sprache als die Umarmung. — 5 Man probiert ſich jezt neben mir zum heutigen Konzert: die weichen Töne umgeben meine Gedanken, und ziehen mit harmo- niſchen Wogen und Wirbeln hebend um meine Hofnungen. — Und ſo ſei dein Lebenstag, mein Theuerer, wie ein reiner Ton, der durch unſere trübe kalte Luft durchflattert und darin ſich weder beſudelt 10 noch bricht. Schlieſſe dich nicht ein! — Habe ein troknes Auge, auſſer für die Freude und für den Dichter nicht! — Schreibe bald, und ſo lebe recht, recht wol! Dein Freund 15 J. P. Fried. Richter N. S. Den Grus deiner Klotilde erwieder’ ich mit dem wärmſten, in dem der Wunſch iſt, daß Ihr Leben jährlich 4 Frühlinge und 365 Pfingſttage habe. 253. An Chriſtian Otto. 20 [Hof, 1. März 1796] Da ich 2 Aufſäze aus einem ältern Schreibbuch in dieſes eingebauet: ſo kanſt du es zum Konfrontieren haben. Ich bin froh, daß ich es dir dasmal auf längere Zeit, nicht bis heute abends, ſondern bis morgen vormittag, ja abend geben kan: morgen abends gieb mirs wieder 25 wegen tauſend kleiner Raſuren und Korrekturen. 254. An Chriſtian Otto. [Hof, 1. März 1796] Ich ſchicke dir ſogar die neugeborne Vorrede zu den „Beluſti- gungen“ die ich jezt machte, um nur alles aus dem Kopfe und vom 30 Halſe zu bringen. — Was wirds denn thun, wenn ich meinem Ge- liebteſten den Brief an Ahlefeld, der nur für lezteren gemacht wurde, zuſchicke? — Ich mus allemal mein Ich abſondern, wegdenken und als ein Abſtraktum hinausſtellen, um an einem zu gutmüthigen Fremden die Liebe zum Abſtraktum zu lieben und zu erwiedern. 35 [160] 11 Jean Paul Briefe. II.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/172
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/172>, abgerufen am 26.04.2024.