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Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816.

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lange die Sprache nicht todt ist; kein Wort für
veraltet, so lange die Sprache noch in Jugend-
kraft lebt. Begrabene Wurzeln, die noch grün
sind, und im vollen Wachsthum neue Stämme,
Äste und Zweige treiben können, bringen Segen
und Gedeihen. Die Schossen und Sprossen
alter Herzwurzeln verkünden einen neuen Früh-
ling nach langer Winterstarre. Da befreit
sich die Sprache von Flick- und Stückwerk,
und geht wieder richt und strack. Ohne das
Pflegen der Wurzelkeime wird die Sprache
als Saumroß und Packthier beladen, und muß
endlich unter der Last schwerfugiger Zusammen-
setzung erliegen. Jedes wieder in Gebrauch
kommende Urwort ist eine reichhaltige Quelle,
die den Fahrstrom speiset, den Thalweg austie-
fet, und allen Oberwohnern Vorfluth schafft.
Turn mag als Beispiel dienen. Davon sind
jetzt schon gebildet und bereits redebräuchlich:
Turnen, mitturnen, vorturnen, einturnen, wett-
turnen; Turner, Mitturner, Vorturner,
turnerisch; -- turnlustig, turnfertig,
turnmüde, turnfaul, turnreif, turn-
stark; -- Turnkunst, Turnkünstler,

Turn-

lange die Sprache nicht todt iſt; kein Wort für
veraltet, ſo lange die Sprache noch in Jugend-
kraft lebt. Begrabene Wurzeln, die noch grün
ſind, und im vollen Wachsthum neue Stämme,
Äſte und Zweige treiben können, bringen Segen
und Gedeihen. Die Schoſſen und Sproſſen
alter Herzwurzeln verkünden einen neuen Früh-
ling nach langer Winterſtarre. Da befreit
ſich die Sprache von Flick- und Stückwerk,
und geht wieder richt und ſtrack. Ohne das
Pflegen der Wurzelkeime wird die Sprache
als Saumroß und Packthier beladen, und muß
endlich unter der Laſt ſchwerfugiger Zuſammen-
ſetzung erliegen. Jedes wieder in Gebrauch
kommende Urwort iſt eine reichhaltige Quelle,
die den Fahrſtrom ſpeiſet, den Thalweg austie-
fet, und allen Oberwohnern Vorfluth ſchafft.
Turn mag als Beiſpiel dienen. Davon ſind
jetzt ſchon gebildet und bereits redebräuchlich:
Turnen, mitturnen, vorturnen, einturnen, wett-
turnen; Turner, Mitturner, Vorturner,
turneriſch; — turnluſtig, turnfertig,
turnmüde, turnfaul, turnreif, turn-
ſtark; — Turnkunſt, Turnkünſtler,

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[XXVI/0032] lange die Sprache nicht todt iſt; kein Wort für veraltet, ſo lange die Sprache noch in Jugend- kraft lebt. Begrabene Wurzeln, die noch grün ſind, und im vollen Wachsthum neue Stämme, Äſte und Zweige treiben können, bringen Segen und Gedeihen. Die Schoſſen und Sproſſen alter Herzwurzeln verkünden einen neuen Früh- ling nach langer Winterſtarre. Da befreit ſich die Sprache von Flick- und Stückwerk, und geht wieder richt und ſtrack. Ohne das Pflegen der Wurzelkeime wird die Sprache als Saumroß und Packthier beladen, und muß endlich unter der Laſt ſchwerfugiger Zuſammen- ſetzung erliegen. Jedes wieder in Gebrauch kommende Urwort iſt eine reichhaltige Quelle, die den Fahrſtrom ſpeiſet, den Thalweg austie- fet, und allen Oberwohnern Vorfluth ſchafft. Turn mag als Beiſpiel dienen. Davon ſind jetzt ſchon gebildet und bereits redebräuchlich: Turnen, mitturnen, vorturnen, einturnen, wett- turnen; Turner, Mitturner, Vorturner, turneriſch; — turnluſtig, turnfertig, turnmüde, turnfaul, turnreif, turn- ſtark; — Turnkunſt, Turnkünſtler, Turn-

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816, S. XXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_turnkunst_1816/32>, abgerufen am 26.04.2024.