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Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816.

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zur Mitgift, die jeder Aftersprache mangelt.
Sie ist anschaulich gebildet, und lebt im An-
schaun. Sie senkt sich in die Tiefen des Ge-
müths, wenn sie mit Geistesfittigen aufschwingt.
Sie hat kindliche Einfalt treu bewahrt, ist bün-
dig in der Darstellung, erbaulich in der Rede,
erwecklich im Liede, und kernig und körnig im
Spruch.

Die Deutsche Sprache wird in Wissen-
schaft und Kunst niemals Kenner und Könner
in Stich lassen. Nimmer werden die Stufen-
wörter fehlen, jede Folge und Folgerung wird
auszudrücken sein. Die Sprache wird treu ge-
pflegt mit dem Entwickelungsgange Schritt hal-
ten, für jede neue Gestaltung unsers Volks pas-
sen, für jede Lebensfülle zureichend sein, und mit
dem Wachsthum des Volks an Bildsamkeit
zunehmen. Aber vom Wißdünkel der Aller-
weltsbürgerei müssen wir abstehen. Mit dem
Allerweltsleben hat keine einzelne Sprache zu
schaffen, nur das eigene Volksleben ist ihre Seele.

Wer Ungemeines beginnen will, und zur
That sich anschickt -- braucht in seinem Gewis-
sensrathe nie zu fragen: Hat schon irgend

jemand

zur Mitgift, die jeder Afterſprache mangelt.
Sie iſt anſchaulich gebildet, und lebt im An-
ſchaun. Sie ſenkt ſich in die Tiefen des Ge-
müths, wenn ſie mit Geiſtesfittigen aufſchwingt.
Sie hat kindliche Einfalt treu bewahrt, iſt bün-
dig in der Darſtellung, erbaulich in der Rede,
erwecklich im Liede, und kernig und körnig im
Spruch.

Die Deutſche Sprache wird in Wiſſen-
ſchaft und Kunſt niemals Kenner und Könner
in Stich laſſen. Nimmer werden die Stufen-
wörter fehlen, jede Folge und Folgerung wird
auszudrücken ſein. Die Sprache wird treu ge-
pflegt mit dem Entwickelungsgange Schritt hal-
ten, für jede neue Geſtaltung unſers Volks paſ-
ſen, für jede Lebensfülle zureichend ſein, und mit
dem Wachsthum des Volks an Bildſamkeit
zunehmen. Aber vom Wißdünkel der Aller-
weltsbürgerei müſſen wir abſtehen. Mit dem
Allerweltsleben hat keine einzelne Sprache zu
ſchaffen, nur das eigene Volksleben iſt ihre Seele.

Wer Ungemeines beginnen will, und zur
That ſich anſchickt — braucht in ſeinem Gewiſ-
ſensrathe nie zu fragen: Hat ſchon irgend

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[XXIV/0030] zur Mitgift, die jeder Afterſprache mangelt. Sie iſt anſchaulich gebildet, und lebt im An- ſchaun. Sie ſenkt ſich in die Tiefen des Ge- müths, wenn ſie mit Geiſtesfittigen aufſchwingt. Sie hat kindliche Einfalt treu bewahrt, iſt bün- dig in der Darſtellung, erbaulich in der Rede, erwecklich im Liede, und kernig und körnig im Spruch. Die Deutſche Sprache wird in Wiſſen- ſchaft und Kunſt niemals Kenner und Könner in Stich laſſen. Nimmer werden die Stufen- wörter fehlen, jede Folge und Folgerung wird auszudrücken ſein. Die Sprache wird treu ge- pflegt mit dem Entwickelungsgange Schritt hal- ten, für jede neue Geſtaltung unſers Volks paſ- ſen, für jede Lebensfülle zureichend ſein, und mit dem Wachsthum des Volks an Bildſamkeit zunehmen. Aber vom Wißdünkel der Aller- weltsbürgerei müſſen wir abſtehen. Mit dem Allerweltsleben hat keine einzelne Sprache zu ſchaffen, nur das eigene Volksleben iſt ihre Seele. Wer Ungemeines beginnen will, und zur That ſich anſchickt — braucht in ſeinem Gewiſ- ſensrathe nie zu fragen: Hat ſchon irgend jemand

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816, S. XXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_turnkunst_1816/30>, abgerufen am 26.04.2024.