Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

und oftmals auch von ihr ernannter Landräthe befinden;
erwägt man die den städtischen Verhandlungen vollkom-
men entzogene Oeffentlichkeit, die daher rührende bei Wah-
len wie überall sich offenbarende Gleichgültigkeit der ge-
bildeten Classen, endlich die zweimal (im Jahre 1826 und
1833) von den liberalen rheinpreussischen Ständen erfolgte
Ablehnung einer derartigen Gemeindeverfassung: -- so wird
man wohl schwerlich geneigt sein die vielgerühmte preus-
sische Städte-Ordnung als Gegengewicht des selbstständi-
gen Volksbewußtseins gegen Ministerwillkühr, geschweige,
als ein Surrogat constitutioneller Vertretung gelten zu
lassen. --

Sehen wir, ob etwa
die Provinzial-Stände
das Vermißte darbieten. Im Sinn des Gesetzes vom 22.
Mai 1815 lag es allerdings, daß dies Institut durch all-
mählige Entwickelung zu einer wahrhaft volksthümlichen
Repräsentation heranreifen sollte. Fünf und zwanzig Frie-
densjahre sind seitdem verflossen; die Einrichtung der Land-
tage ist unverändert dieselbe geblieben, wie sie bei der er-
sten des Jahres 1824 war, und diese 16jährige Dauer
dürfte wohl als ein genügender Zeitraum erscheinen, um
nach den Früchten ihrer Arbeit zu fragen. Die Volks-
stimme hat bereits das Urtheil gesprochen; kaum wird
man ein Institut auffinden können, das eine geringere Po-
pularität zu beklagen hat, das von dem gesunden Volks-

und oftmals auch von ihr ernannter Landraͤthe befinden;
erwaͤgt man die den ſtaͤdtiſchen Verhandlungen vollkom-
men entzogene Oeffentlichkeit, die daher ruͤhrende bei Wah-
len wie uͤberall ſich offenbarende Gleichguͤltigkeit der ge-
bildeten Claſſen, endlich die zweimal (im Jahre 1826 und
1833) von den liberalen rheinpreuſſiſchen Staͤnden erfolgte
Ablehnung einer derartigen Gemeindeverfaſſung: — ſo wird
man wohl ſchwerlich geneigt ſein die vielgeruͤhmte preus-
ſiſche Staͤdte-Ordnung als Gegengewicht des ſelbſtſtaͤndi-
gen Volksbewußtſeins gegen Miniſterwillkuͤhr, geſchweige,
als ein Surrogat conſtitutioneller Vertretung gelten zu
laſſen. —

Sehen wir, ob etwa
die Provinzial-Staͤnde
das Vermißte darbieten. Im Sinn des Geſetzes vom 22.
Mai 1815 lag es allerdings, daß dies Inſtitut durch all-
maͤhlige Entwickelung zu einer wahrhaft volksthuͤmlichen
Repraͤſentation heranreifen ſollte. Fuͤnf und zwanzig Frie-
densjahre ſind ſeitdem verfloſſen; die Einrichtung der Land-
tage iſt unveraͤndert dieſelbe geblieben, wie ſie bei der er-
ſten des Jahres 1824 war, und dieſe 16jaͤhrige Dauer
duͤrfte wohl als ein genuͤgender Zeitraum erſcheinen, um
nach den Fruͤchten ihrer Arbeit zu fragen. Die Volks-
ſtimme hat bereits das Urtheil geſprochen; kaum wird
man ein Inſtitut auffinden koͤnnen, das eine geringere Po-
pularitaͤt zu beklagen hat, das von dem geſunden Volks-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="14"/>
und oftmals auch von ihr ernannter Landra&#x0364;the befinden;<lb/>
erwa&#x0364;gt man die den &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen Verhandlungen vollkom-<lb/>
men entzogene Oeffentlichkeit, die daher ru&#x0364;hrende bei Wah-<lb/>
len wie u&#x0364;berall &#x017F;ich offenbarende Gleichgu&#x0364;ltigkeit der ge-<lb/>
bildeten Cla&#x017F;&#x017F;en, endlich die zweimal (im Jahre 1826 und<lb/>
1833) von den liberalen rheinpreu&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Sta&#x0364;nden erfolgte<lb/>
Ablehnung einer derartigen Gemeindeverfa&#x017F;&#x017F;ung: &#x2014; &#x017F;o wird<lb/>
man wohl &#x017F;chwerlich geneigt &#x017F;ein die vielgeru&#x0364;hmte preus-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;che Sta&#x0364;dte-Ordnung als Gegengewicht des &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
gen Volksbewußt&#x017F;eins gegen Mini&#x017F;terwillku&#x0364;hr, ge&#x017F;chweige,<lb/>
als ein Surrogat con&#x017F;titutioneller Vertretung gelten zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; </p><lb/>
          <p>Sehen wir, ob etwa<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#g">die Provinzial-Sta&#x0364;nde</hi></hi><lb/>
das Vermißte darbieten. Im Sinn des Ge&#x017F;etzes vom 22.<lb/>
Mai 1815 lag es allerdings, daß dies In&#x017F;titut durch all-<lb/>
ma&#x0364;hlige Entwickelung zu einer wahrhaft volksthu&#x0364;mlichen<lb/>
Repra&#x0364;&#x017F;entation heranreifen &#x017F;ollte. Fu&#x0364;nf und zwanzig Frie-<lb/>
densjahre &#x017F;ind &#x017F;eitdem verflo&#x017F;&#x017F;en; die Einrichtung der Land-<lb/>
tage i&#x017F;t unvera&#x0364;ndert die&#x017F;elbe geblieben, wie &#x017F;ie bei der er-<lb/>
&#x017F;ten des Jahres 1824 war, und die&#x017F;e 16ja&#x0364;hrige Dauer<lb/>
du&#x0364;rfte wohl als ein genu&#x0364;gender Zeitraum er&#x017F;cheinen, um<lb/>
nach den Fru&#x0364;chten ihrer Arbeit zu fragen. Die Volks-<lb/>
&#x017F;timme hat bereits das Urtheil ge&#x017F;prochen; kaum wird<lb/>
man ein In&#x017F;titut auffinden ko&#x0364;nnen, das eine geringere Po-<lb/>
pularita&#x0364;t zu beklagen hat, das von dem ge&#x017F;unden Volks-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0020] und oftmals auch von ihr ernannter Landraͤthe befinden; erwaͤgt man die den ſtaͤdtiſchen Verhandlungen vollkom- men entzogene Oeffentlichkeit, die daher ruͤhrende bei Wah- len wie uͤberall ſich offenbarende Gleichguͤltigkeit der ge- bildeten Claſſen, endlich die zweimal (im Jahre 1826 und 1833) von den liberalen rheinpreuſſiſchen Staͤnden erfolgte Ablehnung einer derartigen Gemeindeverfaſſung: — ſo wird man wohl ſchwerlich geneigt ſein die vielgeruͤhmte preus- ſiſche Staͤdte-Ordnung als Gegengewicht des ſelbſtſtaͤndi- gen Volksbewußtſeins gegen Miniſterwillkuͤhr, geſchweige, als ein Surrogat conſtitutioneller Vertretung gelten zu laſſen. — Sehen wir, ob etwa die Provinzial-Staͤnde das Vermißte darbieten. Im Sinn des Geſetzes vom 22. Mai 1815 lag es allerdings, daß dies Inſtitut durch all- maͤhlige Entwickelung zu einer wahrhaft volksthuͤmlichen Repraͤſentation heranreifen ſollte. Fuͤnf und zwanzig Frie- densjahre ſind ſeitdem verfloſſen; die Einrichtung der Land- tage iſt unveraͤndert dieſelbe geblieben, wie ſie bei der er- ſten des Jahres 1824 war, und dieſe 16jaͤhrige Dauer duͤrfte wohl als ein genuͤgender Zeitraum erſcheinen, um nach den Fruͤchten ihrer Arbeit zu fragen. Die Volks- ſtimme hat bereits das Urtheil geſprochen; kaum wird man ein Inſtitut auffinden koͤnnen, das eine geringere Po- pularitaͤt zu beklagen hat, das von dem geſunden Volks-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/20
Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/20>, abgerufen am 26.04.2024.