Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

die Mittelstrasse gehalten, welche wir in
der Sittenlehre Christi finden.

§. 28.
Fortsetzung
des vori-
gen.

Meine zwote Anmerkung ist diese.
Diejenigen Beweise, welche man anfüh-
ret zu erhärten, daß alle von Moses ange-
führte Verbothe der Ehen in naher Freund-
schaft zu dem allgemeinen und nothwendi-
gen Sittengesetze gehören, und die Chri-
sten verpflichten, sind nicht entscheidend
genug, dasjenige darzuthun, was sie sol-
len. Man berufet sich insonderheit darauf,
daß Gott die Uebertretung aller dieser Ge-
bothe Greuel nenne, um welcher willen er
die Cananiter ausrotten wolle. 3 B. Mos.
C. 18. v. 24-29. Allein, daß dieser Aus-
spruch sich nicht auf dieses ganze Capitel,
sondern nur auf einige nächst vorhergehen-
de Verse, und die darinne benannten
Greuel beziehe, ist gar zu deutlich. Erst-
lich, wie könnte Gott sagen, daß er die
Cananiter mit aus dieser Ursache ausrot-
ten, und den Jsraeliten ihr Land geben
wollte, weil Brüder ihre Halbschwestern,
und ein Mann zwo Schwestern zugleich
heirathete, da selbst Abraham, dieser Lieb-
ling Gottes, eine Halbschwester, und Ja-
cob zwo Schwestern zugleich zu Frauen
gehabt? Wie konnte Gott sagen, er rotte
die Cananiter unter andern deswegen aus,

weil

die Mittelſtraſſe gehalten, welche wir in
der Sittenlehre Chriſti finden.

§. 28.
Fortſetzung
des vori-
gen.

Meine zwote Anmerkung iſt dieſe.
Diejenigen Beweiſe, welche man anfuͤh-
ret zu erhaͤrten, daß alle von Moſes ange-
fuͤhrte Verbothe der Ehen in naher Freund-
ſchaft zu dem allgemeinen und nothwendi-
gen Sittengeſetze gehoͤren, und die Chri-
ſten verpflichten, ſind nicht entſcheidend
genug, dasjenige darzuthun, was ſie ſol-
len. Man berufet ſich inſonderheit darauf,
daß Gott die Uebertretung aller dieſer Ge-
bothe Greuel nenne, um welcher willen er
die Cananiter ausrotten wolle. 3 B. Moſ.
C. 18. v. 24-29. Allein, daß dieſer Aus-
ſpruch ſich nicht auf dieſes ganze Capitel,
ſondern nur auf einige naͤchſt vorhergehen-
de Verſe, und die darinne benannten
Greuel beziehe, iſt gar zu deutlich. Erſt-
lich, wie koͤnnte Gott ſagen, daß er die
Cananiter mit aus dieſer Urſache ausrot-
ten, und den Jſraeliten ihr Land geben
wollte, weil Bruͤder ihre Halbſchweſtern,
und ein Mann zwo Schweſtern zugleich
heirathete, da ſelbſt Abraham, dieſer Lieb-
ling Gottes, eine Halbſchweſter, und Ja-
cob zwo Schweſtern zugleich zu Frauen
gehabt? Wie konnte Gott ſagen, er rotte
die Cananiter unter andern deswegen aus,

weil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0410" n="390"/>
die Mittel&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e gehalten, welche wir in<lb/>
der Sittenlehre Chri&#x017F;ti finden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 28.</head><lb/>
          <note place="left">Fort&#x017F;etzung<lb/>
des vori-<lb/>
gen.</note>
          <p>Meine zwote Anmerkung i&#x017F;t die&#x017F;e.<lb/>
Diejenigen Bewei&#x017F;e, welche man anfu&#x0364;h-<lb/>
ret zu erha&#x0364;rten, daß alle von Mo&#x017F;es ange-<lb/>
fu&#x0364;hrte Verbothe der Ehen in naher Freund-<lb/>
&#x017F;chaft zu dem allgemeinen und nothwendi-<lb/>
gen Sittenge&#x017F;etze geho&#x0364;ren, und die Chri-<lb/>
&#x017F;ten verpflichten, &#x017F;ind nicht ent&#x017F;cheidend<lb/>
genug, dasjenige darzuthun, was &#x017F;ie &#x017F;ol-<lb/>
len. Man berufet &#x017F;ich in&#x017F;onderheit darauf,<lb/>
daß Gott die Uebertretung aller die&#x017F;er Ge-<lb/>
bothe <hi rendition="#fr">Greuel</hi> nenne, um welcher willen er<lb/>
die Cananiter ausrotten wolle. 3 B. Mo&#x017F;.<lb/>
C. 18. v. 24-29. Allein, daß die&#x017F;er Aus-<lb/>
&#x017F;pruch &#x017F;ich nicht auf die&#x017F;es ganze Capitel,<lb/>
&#x017F;ondern nur auf einige na&#x0364;ch&#x017F;t vorhergehen-<lb/>
de Ver&#x017F;e, und die darinne benannten<lb/>
Greuel beziehe, i&#x017F;t gar zu deutlich. Er&#x017F;t-<lb/>
lich, wie ko&#x0364;nnte Gott &#x017F;agen, daß er die<lb/>
Cananiter mit aus die&#x017F;er Ur&#x017F;ache ausrot-<lb/>
ten, und den J&#x017F;raeliten ihr Land geben<lb/>
wollte, weil Bru&#x0364;der ihre Halb&#x017F;chwe&#x017F;tern,<lb/>
und ein Mann zwo Schwe&#x017F;tern zugleich<lb/>
heirathete, da &#x017F;elb&#x017F;t Abraham, die&#x017F;er Lieb-<lb/>
ling Gottes, eine Halb&#x017F;chwe&#x017F;ter, und Ja-<lb/>
cob zwo Schwe&#x017F;tern zugleich zu Frauen<lb/>
gehabt? Wie konnte Gott &#x017F;agen, er rotte<lb/>
die Cananiter unter andern deswegen aus,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weil</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0410] die Mittelſtraſſe gehalten, welche wir in der Sittenlehre Chriſti finden. §. 28. Meine zwote Anmerkung iſt dieſe. Diejenigen Beweiſe, welche man anfuͤh- ret zu erhaͤrten, daß alle von Moſes ange- fuͤhrte Verbothe der Ehen in naher Freund- ſchaft zu dem allgemeinen und nothwendi- gen Sittengeſetze gehoͤren, und die Chri- ſten verpflichten, ſind nicht entſcheidend genug, dasjenige darzuthun, was ſie ſol- len. Man berufet ſich inſonderheit darauf, daß Gott die Uebertretung aller dieſer Ge- bothe Greuel nenne, um welcher willen er die Cananiter ausrotten wolle. 3 B. Moſ. C. 18. v. 24-29. Allein, daß dieſer Aus- ſpruch ſich nicht auf dieſes ganze Capitel, ſondern nur auf einige naͤchſt vorhergehen- de Verſe, und die darinne benannten Greuel beziehe, iſt gar zu deutlich. Erſt- lich, wie koͤnnte Gott ſagen, daß er die Cananiter mit aus dieſer Urſache ausrot- ten, und den Jſraeliten ihr Land geben wollte, weil Bruͤder ihre Halbſchweſtern, und ein Mann zwo Schweſtern zugleich heirathete, da ſelbſt Abraham, dieſer Lieb- ling Gottes, eine Halbſchweſter, und Ja- cob zwo Schweſtern zugleich zu Frauen gehabt? Wie konnte Gott ſagen, er rotte die Cananiter unter andern deswegen aus, weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/410
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/410>, abgerufen am 21.12.2024.