Noch ver- schiedene Zweifel wider die Allwissen- heit GOt- tes.
Man wird einwenden, bey einigen Din- gen sey es gar zu klar, daß die Absicht des Schöpfers dabey gantz und gar nicht errei- chet werde. Man wird mir vorhalten, die Geburths-Glieder solcher, die in der Kindheit sterben, die unzählbare Menge der Thierchen, (*) so sich in dem Semine masculino durch die Vergrösserungs-Glä- ser sehen lassen, und unter welchen von etli- chen Millionen kaum ein einiges zu seiner gehörigen Reife kommt, die vielen Fisch- Eyer, so von Menschen und Raub-Thieren verzehret werden, und die Keimen, so sich in allen Körnern finden, die von Menschen und Vieh zermalmet werden. Man wird sagen, ja man saget es würcklich, es sey gar zu klar, daß die Absichten dieser Dinge kei- nesweges erreicht würden, sondern es seyn selbige ein unwidersprechlicher Beweiß, daß der Schöpfer nur versuche, was von so vielem Stoff zu Menschen, Thieren und Gewächsen könne zu Stande und zu seiner Vollkommenheit gebracht werden. Jch will auf ein jedes besonders antworten.
(*) Was ich hier und in dem folgenden mit la- teinischen Wörtern ausdrucke, hatte ich an- fänglich auch, wie das Uebrige, in reinem
Teutsch
§. 5.
Noch ver- ſchiedene Zweifel wider die Allwiſſen- heit GOt- tes.
Man wird einwenden, bey einigen Din- gen ſey es gar zu klar, daß die Abſicht des Schoͤpfers dabey gantz und gar nicht errei- chet werde. Man wird mir vorhalten, die Geburths-Glieder ſolcher, die in der Kindheit ſterben, die unzaͤhlbare Menge der Thierchen, (*) ſo ſich in dem Semine maſculino durch die Vergroͤſſerungs-Glaͤ- ſer ſehen laſſen, und unter welchen von etli- chen Millionen kaum ein einiges zu ſeiner gehoͤrigen Reife kommt, die vielen Fiſch- Eyer, ſo von Menſchen und Raub-Thieren verzehret werden, und die Keimen, ſo ſich in allen Koͤrnern finden, die von Menſchen und Vieh zermalmet werden. Man wird ſagen, ja man ſaget es wuͤrcklich, es ſey gar zu klar, daß die Abſichten dieſer Dinge kei- nesweges erreicht wuͤrden, ſondern es ſeyn ſelbige ein unwiderſprechlicher Beweiß, daß der Schoͤpfer nur verſuche, was von ſo vielem Stoff zu Menſchen, Thieren und Gewaͤchſen koͤnne zu Stande und zu ſeiner Vollkommenheit gebracht werden. Jch will auf ein jedes beſonders antworten.
(*) Was ich hier und in dem folgenden mit la- teiniſchen Woͤrtern ausdrucke, hatte ich an- faͤnglich auch, wie das Uebrige, in reinem
Teutſch
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0294"n="276"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head>§. 5.</head><lb/><noteplace="left">Noch ver-<lb/>ſchiedene<lb/>
Zweifel<lb/>
wider die<lb/>
Allwiſſen-<lb/>
heit GOt-<lb/>
tes.</note><p>Man wird einwenden, bey einigen Din-<lb/>
gen ſey es gar zu klar, daß die Abſicht des<lb/>
Schoͤpfers dabey gantz und gar nicht errei-<lb/>
chet werde. Man wird mir vorhalten,<lb/>
die Geburths-Glieder ſolcher, die in der<lb/>
Kindheit ſterben, die unzaͤhlbare Menge<lb/>
der Thierchen, <notexml:id="a41"next="#a42"place="foot"n="(*)">Was ich hier und in dem folgenden mit la-<lb/>
teiniſchen Woͤrtern ausdrucke, hatte ich an-<lb/>
faͤnglich auch, wie das Uebrige, in reinem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Teutſch</fw></note>ſo ſich in dem <hirendition="#aq">Semine<lb/>
maſculino</hi> durch die Vergroͤſſerungs-Glaͤ-<lb/>ſer ſehen laſſen, und unter welchen von etli-<lb/>
chen Millionen kaum ein einiges zu ſeiner<lb/>
gehoͤrigen Reife kommt, die vielen Fiſch-<lb/>
Eyer, ſo von Menſchen und Raub-Thieren<lb/>
verzehret werden, und die Keimen, ſo ſich<lb/>
in allen Koͤrnern finden, die von Menſchen<lb/>
und Vieh zermalmet werden. Man wird<lb/>ſagen, ja man ſaget es wuͤrcklich, es ſey gar<lb/>
zu klar, daß die Abſichten dieſer Dinge kei-<lb/>
nesweges erreicht wuͤrden, ſondern es ſeyn<lb/>ſelbige ein unwiderſprechlicher Beweiß,<lb/>
daß der Schoͤpfer nur verſuche, was von ſo<lb/>
vielem Stoff zu Menſchen, Thieren und<lb/>
Gewaͤchſen koͤnne zu Stande und zu ſeiner<lb/>
Vollkommenheit gebracht werden. Jch<lb/>
will auf ein jedes beſonders antworten.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[276/0294]
§. 5.
Man wird einwenden, bey einigen Din-
gen ſey es gar zu klar, daß die Abſicht des
Schoͤpfers dabey gantz und gar nicht errei-
chet werde. Man wird mir vorhalten,
die Geburths-Glieder ſolcher, die in der
Kindheit ſterben, die unzaͤhlbare Menge
der Thierchen, (*) ſo ſich in dem Semine
maſculino durch die Vergroͤſſerungs-Glaͤ-
ſer ſehen laſſen, und unter welchen von etli-
chen Millionen kaum ein einiges zu ſeiner
gehoͤrigen Reife kommt, die vielen Fiſch-
Eyer, ſo von Menſchen und Raub-Thieren
verzehret werden, und die Keimen, ſo ſich
in allen Koͤrnern finden, die von Menſchen
und Vieh zermalmet werden. Man wird
ſagen, ja man ſaget es wuͤrcklich, es ſey gar
zu klar, daß die Abſichten dieſer Dinge kei-
nesweges erreicht wuͤrden, ſondern es ſeyn
ſelbige ein unwiderſprechlicher Beweiß,
daß der Schoͤpfer nur verſuche, was von ſo
vielem Stoff zu Menſchen, Thieren und
Gewaͤchſen koͤnne zu Stande und zu ſeiner
Vollkommenheit gebracht werden. Jch
will auf ein jedes beſonders antworten.
(*) Was ich hier und in dem folgenden mit la-
teiniſchen Woͤrtern ausdrucke, hatte ich an-
faͤnglich auch, wie das Uebrige, in reinem
Teutſch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/294>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.