sten Schlage die Eltern verlassen und nim- mermehr wieder kommen? Woher wür- de alsdenn die Fertigkeit zu sprechen kom- men, und wie würde der Verstand zu eini- ger Vernunft gebracht werden? Gewiß, es würden die Menschen eben als das Vieh ohne rechte Gesellschafft und ohne Ver- nunfft in den Wäldern herum irren, und also der Glückseligkeit nicht theilhafftig werden, der sie doch von der Natur fähig sind.
§. 10.
Mir deucht ich muthmasse nicht unrechtDie Schwach- heit der Kinder machet sie gesellig. wenn ich die grosse Schwachheit, Unver- mögen und Nothdurfft der Kinder als eine Haupt-Ursache mit annehme, wodurch auch die wildesten Völcker der Erden, als die Hottentotten in Africa, die Hurons, Jroquois und andere in America unter sich ein gesellschafftliches Leben führen, und sich der Herrschafft ihrer Könige un- terwerffen. Diese Leute bauen keinen Acker, sondern leben, wie das Land sehr wenige Einwohner hat, von dem Wildpret und Gewächsen, welche sie in den dortigen grossen Wäldern von hundert und mehr Meilen antreffen. Sie bauen keine Häusser, sondern nur kleine Hütten.
Es
D 2
ſten Schlage die Eltern verlaſſen und nim- mermehr wieder kommen? Woher wuͤr- de alsdenn die Fertigkeit zu ſprechen kom- men, und wie wuͤrde der Verſtand zu eini- ger Vernunft gebracht werden? Gewiß, es wuͤrden die Menſchen eben als das Vieh ohne rechte Geſellſchafft und ohne Ver- nunfft in den Waͤldern herum irren, und alſo der Gluͤckſeligkeit nicht theilhafftig werden, der ſie doch von der Natur faͤhig ſind.
§. 10.
Mir deucht ich muthmaſſe nicht unrechtDie Schwach- heit der Kinder machet ſie geſellig. wenn ich die groſſe Schwachheit, Unver- moͤgen und Nothdurfft der Kinder als eine Haupt-Urſache mit annehme, wodurch auch die wildeſten Voͤlcker der Erden, als die Hottentotten in Africa, die Hurons, Jroquois und andere in America unter ſich ein geſellſchafftliches Leben fuͤhren, und ſich der Herrſchafft ihrer Koͤnige un- terwerffen. Dieſe Leute bauen keinen Acker, ſondern leben, wie das Land ſehr wenige Einwohner hat, von dem Wildpret und Gewaͤchſen, welche ſie in den dortigen groſſen Waͤldern von hundert und mehr Meilen antreffen. Sie bauen keine Haͤuſſer, ſondern nur kleine Huͤtten.
Es
D 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0087"n="51"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſten Schlage die Eltern verlaſſen und nim-<lb/>
mermehr wieder kommen? Woher wuͤr-<lb/>
de alsdenn die Fertigkeit zu ſprechen kom-<lb/>
men, und wie wuͤrde der Verſtand zu eini-<lb/>
ger Vernunft gebracht werden? Gewiß, es<lb/>
wuͤrden die Menſchen eben als das Vieh<lb/>
ohne rechte Geſellſchafft und ohne Ver-<lb/>
nunfft in den Waͤldern herum irren, und<lb/>
alſo der Gluͤckſeligkeit nicht theilhafftig<lb/>
werden, der ſie doch von der Natur faͤhig<lb/>ſind.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 10.</head><lb/><p>Mir deucht ich muthmaſſe nicht unrecht<noteplace="right">Die<lb/>
Schwach-<lb/>
heit der<lb/>
Kinder<lb/>
machet ſie<lb/>
geſellig.</note><lb/>
wenn ich die groſſe Schwachheit, Unver-<lb/>
moͤgen und Nothdurfft der Kinder als eine<lb/>
Haupt-Urſache mit annehme, wodurch<lb/>
auch die wildeſten Voͤlcker der Erden, als<lb/>
die Hottentotten in Africa, die Hurons,<lb/>
Jroquois und andere in America unter<lb/>ſich ein geſellſchafftliches Leben fuͤhren,<lb/>
und ſich der Herrſchafft ihrer Koͤnige un-<lb/>
terwerffen. Dieſe Leute bauen keinen<lb/>
Acker, ſondern leben, wie das Land<lb/>ſehr wenige Einwohner hat, von dem<lb/>
Wildpret und Gewaͤchſen, welche ſie in<lb/>
den dortigen groſſen Waͤldern von hundert<lb/>
und mehr Meilen antreffen. Sie bauen<lb/>
keine Haͤuſſer, ſondern nur kleine Huͤtten.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[51/0087]
ſten Schlage die Eltern verlaſſen und nim-
mermehr wieder kommen? Woher wuͤr-
de alsdenn die Fertigkeit zu ſprechen kom-
men, und wie wuͤrde der Verſtand zu eini-
ger Vernunft gebracht werden? Gewiß, es
wuͤrden die Menſchen eben als das Vieh
ohne rechte Geſellſchafft und ohne Ver-
nunfft in den Waͤldern herum irren, und
alſo der Gluͤckſeligkeit nicht theilhafftig
werden, der ſie doch von der Natur faͤhig
ſind.
§. 10.
Mir deucht ich muthmaſſe nicht unrecht
wenn ich die groſſe Schwachheit, Unver-
moͤgen und Nothdurfft der Kinder als eine
Haupt-Urſache mit annehme, wodurch
auch die wildeſten Voͤlcker der Erden, als
die Hottentotten in Africa, die Hurons,
Jroquois und andere in America unter
ſich ein geſellſchafftliches Leben fuͤhren,
und ſich der Herrſchafft ihrer Koͤnige un-
terwerffen. Dieſe Leute bauen keinen
Acker, ſondern leben, wie das Land
ſehr wenige Einwohner hat, von dem
Wildpret und Gewaͤchſen, welche ſie in
den dortigen groſſen Waͤldern von hundert
und mehr Meilen antreffen. Sie bauen
keine Haͤuſſer, ſondern nur kleine Huͤtten.
Es
Die
Schwach-
heit der
Kinder
machet ſie
geſellig.
D 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/87>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.