nimmt wahr, daß er als der oberste Kö- nig zulässet, wenn diejenigen, so er glück- lich machen wollen, sich durch ihre freye Handlungen in das gröste Elend stür- tzen. Man würde zweifeln müssen, daß GOtt bey dieser Zulassung des Bö- sen sich als ein gütiger Vater bezeigte, wenn nicht die Offenbahrung behaupte- te, daß alle Wege des HERRN vol- ler Güte wären, (siehe Ps. 25. v. 10.) und die Vernunft versicherte, daß ein unendliches Wesen unmöglich seiner Gü- te in einer eintzigen Handlung absagen könte.
§. 4.
Die Zu- lassung des Bö sen ist bes- ser, als die ge- waltsame Verhin- derung desselben.
Jst es aber der Weisheit und Güte GOttes gemässer, die bösen Handlun- gen, und das Verderben, so daraus ent- stehet, zuzugeben, als selbige durch seine Allmacht zu verhindern; so ist klar, daß diese Zulassung des Bösen mehr Voll- kommenheiten nach sich ziehe, als die gewaltsame Verhinderung desselben. Man kan sich nicht überreden, daß das vollkommenste Wesen das schlechtere dem bessern vorziehen solte. Es fehlt ihm nicht am Verstande das Bessere ein- zusehen. Die Weisheit, das Bessere durch geschickte Mittel auszuführen, man- gelt ihm auch nicht. Seine Macht
schränckt
nimmt wahr, daß er als der oberſte Koͤ- nig zulaͤſſet, wenn diejenigen, ſo er gluͤck- lich machen wollen, ſich durch ihre freye Handlungen in das groͤſte Elend ſtuͤr- tzen. Man wuͤrde zweifeln muͤſſen, daß GOtt bey dieſer Zulaſſung des Boͤ- ſen ſich als ein guͤtiger Vater bezeigte, wenn nicht die Offenbahrung behaupte- te, daß alle Wege des HERRN vol- ler Guͤte waͤren, (ſiehe Pſ. 25. v. 10.) und die Vernunft verſicherte, daß ein unendliches Weſen unmoͤglich ſeiner Guͤ- te in einer eintzigen Handlung abſagen koͤnte.
§. 4.
Die Zu- laſſung des Boͤ ſen iſt beſ- ſer, als die ge- waltſame Verhin- derung deſſelben.
Jſt es aber der Weisheit und Guͤte GOttes gemaͤſſer, die boͤſen Handlun- gen, und das Verderben, ſo daraus ent- ſtehet, zuzugeben, als ſelbige durch ſeine Allmacht zu verhindern; ſo iſt klar, daß dieſe Zulaſſung des Boͤſen mehr Voll- kommenheiten nach ſich ziehe, als die gewaltſame Verhinderung deſſelben. Man kan ſich nicht uͤberreden, daß das vollkommenſte Weſen das ſchlechtere dem beſſern vorziehen ſolte. Es fehlt ihm nicht am Verſtande das Beſſere ein- zuſehen. Die Weisheit, das Beſſere durch geſchickte Mittel auszufuͤhren, man- gelt ihm auch nicht. Seine Macht
ſchraͤnckt
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[288[284]/0320]
nimmt wahr, daß er als der oberſte Koͤ-
nig zulaͤſſet, wenn diejenigen, ſo er gluͤck-
lich machen wollen, ſich durch ihre freye
Handlungen in das groͤſte Elend ſtuͤr-
tzen. Man wuͤrde zweifeln muͤſſen,
daß GOtt bey dieſer Zulaſſung des Boͤ-
ſen ſich als ein guͤtiger Vater bezeigte,
wenn nicht die Offenbahrung behaupte-
te, daß alle Wege des HERRN vol-
ler Guͤte waͤren, (ſiehe Pſ. 25. v. 10.)
und die Vernunft verſicherte, daß ein
unendliches Weſen unmoͤglich ſeiner Guͤ-
te in einer eintzigen Handlung abſagen
koͤnte.
§. 4.
Jſt es aber der Weisheit und Guͤte
GOttes gemaͤſſer, die boͤſen Handlun-
gen, und das Verderben, ſo daraus ent-
ſtehet, zuzugeben, als ſelbige durch ſeine
Allmacht zu verhindern; ſo iſt klar, daß
dieſe Zulaſſung des Boͤſen mehr Voll-
kommenheiten nach ſich ziehe, als die
gewaltſame Verhinderung deſſelben.
Man kan ſich nicht uͤberreden, daß das
vollkommenſte Weſen das ſchlechtere
dem beſſern vorziehen ſolte. Es fehlt
ihm nicht am Verſtande das Beſſere ein-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 288[284]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/320>, abgerufen am 21.12.2024.
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