setzet wird. Denn dasjenige Blut, welches uns die erste Nahrung und das Leben giebt, hat zugleich einen starcken Gift bey sich, welches die Maschine, so es belebt, auch bald wieder unbrauch- bar machet, und in den vorigen Staub auflöset. Es würde zwar dieser Gift nicht so geschwind würcken können, wenn nicht die bösen Begierden und un- ordentlichen Leidenschaften der Seele seine Kraft vermehreten. Diese aber beschleunigen die an sich kurtze Reise nach der Gruft, und endigen unsere Wallfahrt, da wir selbige kaum ange- fangen haben.
§. 22.
Ein Zweifel.
Einen Zweifel muß ich noch aufheben, welcher vielleicht einigen bey der gege- benen Muthmassung von der Fortpflan- tzung der Neigungen einfallen möchte. Es werden vielleicht viele gedencken, mit meiner Meynung streite dieses, daß nicht alle Kinder, so von einer Mutter geboh- ren werden, einerley Neigung haben, welches doch wol seyn müste, wenn die Neigungen auf die Art forterbeten, wie wir oben angenommen. Denn werden dem Kinde diejenigen Leidenschaften ein- gedruckt, welchen die Mutter ergeben ist, so müssen alle ihre Kinder eben den-
sel-
ſetzet wird. Denn dasjenige Blut, welches uns die erſte Nahrung und das Leben giebt, hat zugleich einen ſtarcken Gift bey ſich, welches die Maſchine, ſo es belebt, auch bald wieder unbrauch- bar machet, und in den vorigen Staub aufloͤſet. Es wuͤrde zwar dieſer Gift nicht ſo geſchwind wuͤrcken koͤnnen, wenn nicht die boͤſen Begierden und un- ordentlichen Leidenſchaften der Seele ſeine Kraft vermehreten. Dieſe aber beſchleunigen die an ſich kurtze Reiſe nach der Gruft, und endigen unſere Wallfahrt, da wir ſelbige kaum ange- fangen haben.
§. 22.
Ein Zweifel.
Einen Zweifel muß ich noch aufheben, welcher vielleicht einigen bey der gege- benen Muthmaſſung von der Fortpflan- tzung der Neigungen einfallen moͤchte. Es werden vielleicht viele gedencken, mit meiner Meynung ſtreite dieſes, daß nicht alle Kinder, ſo von einer Mutter geboh- ren werden, einerley Neigung haben, welches doch wol ſeyn muͤſte, wenn die Neigungen auf die Art forterbeten, wie wir oben angenommen. Denn werden dem Kinde diejenigen Leidenſchaften ein- gedruckt, welchen die Mutter ergeben iſt, ſo muͤſſen alle ihre Kinder eben den-
ſel-
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[276[272]/0308]
ſetzet wird. Denn dasjenige Blut,
welches uns die erſte Nahrung und das
Leben giebt, hat zugleich einen ſtarcken
Gift bey ſich, welches die Maſchine, ſo
es belebt, auch bald wieder unbrauch-
bar machet, und in den vorigen Staub
aufloͤſet. Es wuͤrde zwar dieſer Gift
nicht ſo geſchwind wuͤrcken koͤnnen,
wenn nicht die boͤſen Begierden und un-
ordentlichen Leidenſchaften der Seele
ſeine Kraft vermehreten. Dieſe aber
beſchleunigen die an ſich kurtze Reiſe
nach der Gruft, und endigen unſere
Wallfahrt, da wir ſelbige kaum ange-
fangen haben.
§. 22.
Einen Zweifel muß ich noch aufheben,
welcher vielleicht einigen bey der gege-
benen Muthmaſſung von der Fortpflan-
tzung der Neigungen einfallen moͤchte.
Es werden vielleicht viele gedencken, mit
meiner Meynung ſtreite dieſes, daß nicht
alle Kinder, ſo von einer Mutter geboh-
ren werden, einerley Neigung haben,
welches doch wol ſeyn muͤſte, wenn die
Neigungen auf die Art forterbeten, wie
wir oben angenommen. Denn werden
dem Kinde diejenigen Leidenſchaften ein-
gedruckt, welchen die Mutter ergeben
iſt, ſo muͤſſen alle ihre Kinder eben den-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 276[272]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/308>, abgerufen am 21.12.2024.
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