Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.§. 4. Was dieBestäti- gung im Guten sey? Wir lernen hieraus, worinnen die Be- einer selbst über Lucä, Cap. 2, 52. folgende Anmer-
ckung. "Wie sein (Christi) Leib wuchs, und sei- "ne Vernunfft zunahm natürlicher Weise, als "in andern Menschen, also senckte sich auch im- "mer mehr und mehr der Geist in ihn, daß "er wahrhaftig je älter, je grösser, und je grös- "ser, je vernünfftiger, und je vernünfftiger, je "stärcker im Geiste und voller Weißheit ist wor- "den vor GOtt und ihm selber, und vor den "Leuten. Es ist aber die Rede hier nicht von "der göttlichen Weißheit, die er nach der gött- "lichen Natur wesentlich hatte, in dero Ge- "meinschafft auch die menschliche Natur aufge- "nommen worden, durch die persönliche Ver- "einigung, denn diese kan nicht wachsen; son- "dern von der menschlichen Weißheit, die in "ihm, wie in andern Glaubigen, durch die Ga- "be des Heiligen Geistes, durch Unterweisung "und Erfahrung gewachsen. Welcher Wachs- "thum ein Stück der Erniedrigung Christi ist; "denn hätte er sich der göttlichen Herrlichkeit, "so ihm gebührte, gleich brauchen wollen, so "wäre alles im höchsten Grad der Vollkom- "menheit bey ihm gewesen, und hätte keinen "Wachsthum bedurfft. §. 4. Was dieBeſtaͤti- gung im Guten ſey? Wir lernen hieraus, worinnen die Be- einer ſelbſt uͤber Lucaͤ, Cap. 2, 52. folgende Anmer-
ckung. „Wie ſein (Chriſti) Leib wuchs, und ſei- „ne Vernunfft zunahm natuͤrlicher Weiſe, als „in andern Menſchen, alſo ſenckte ſich auch im- „mer mehr und mehr der Geiſt in ihn, daß „er wahrhaftig je aͤlter, je groͤſſer, und je groͤſ- „ſer, je vernuͤnfftiger, und je vernuͤnfftiger, je „ſtaͤrcker im Geiſte und voller Weißheit iſt wor- „den vor GOtt und ihm ſelber, und vor den „Leuten. Es iſt aber die Rede hier nicht von „der goͤttlichen Weißheit, die er nach der goͤtt- „lichen Natur weſentlich hatte, in dero Ge- „meinſchafft auch die menſchliche Natur aufge- „nommen worden, durch die perſoͤnliche Ver- „einigung, denn dieſe kan nicht wachſen; ſon- „dern von der menſchlichen Weißheit, die in „ihm, wie in andern Glaubigen, durch die Ga- „be des Heiligen Geiſtes, durch Unterweiſung „und Erfahrung gewachſen. Welcher Wachs- „thum ein Stuͤck der Erniedrigung Chriſti iſt; „denn haͤtte er ſich der goͤttlichen Herrlichkeit, „ſo ihm gebuͤhrte, gleich brauchen wollen, ſo „waͤre alles im hoͤchſten Grad der Vollkom- „menheit bey ihm geweſen, und haͤtte keinen „Wachsthum bedurfft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb n="218[214]" facs="#f0250"/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> <note place="foot" n="(*)" xml:id="a30" prev="#a29">ſelbſt uͤber Lucaͤ, Cap. 2, 52. folgende Anmer-<lb/> ckung. „Wie ſein (Chriſti) Leib wuchs, und ſei-<lb/> „ne Vernunfft zunahm natuͤrlicher Weiſe, als<lb/> „in andern Menſchen, alſo ſenckte ſich auch im-<lb/> „mer mehr und mehr der Geiſt in ihn, daß<lb/> „er wahrhaftig je aͤlter, je groͤſſer, und je groͤſ-<lb/> „ſer, je vernuͤnfftiger, und je vernuͤnfftiger, je<lb/> „ſtaͤrcker im Geiſte und voller Weißheit iſt wor-<lb/> „den vor GOtt und ihm ſelber, und vor den<lb/> „Leuten. Es iſt aber die Rede hier nicht von<lb/> „der goͤttlichen Weißheit, die er nach der goͤtt-<lb/> „lichen Natur weſentlich hatte, in dero Ge-<lb/> „meinſchafft auch die menſchliche Natur aufge-<lb/> „nommen worden, durch die perſoͤnliche Ver-<lb/> „einigung, denn dieſe kan nicht wachſen; ſon-<lb/> „dern von der menſchlichen Weißheit, die in<lb/> „ihm, wie in andern Glaubigen, durch die <hi rendition="#fr">Ga-<lb/> „be des Heiligen Geiſtes,</hi> durch <hi rendition="#fr">Unterweiſung</hi><lb/> „und <hi rendition="#fr">Erfahrung</hi> gewachſen. Welcher Wachs-<lb/> „thum ein Stuͤck der Erniedrigung Chriſti iſt;<lb/> „denn haͤtte er ſich der goͤttlichen Herrlichkeit,<lb/> „ſo ihm gebuͤhrte, gleich brauchen wollen, ſo<lb/> „waͤre alles im hoͤchſten Grad der Vollkom-<lb/> „menheit bey ihm geweſen, und haͤtte keinen<lb/> „Wachsthum bedurfft.</note> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 4.</head><lb/> <note place="left">Was die<lb/> Beſtaͤti-<lb/> gung im<lb/> Guten<lb/> ſey?</note> <p>Wir lernen hieraus, worinnen die Be-<lb/> kraͤfftigung im Guten (<hi rendition="#aq">confirmatio in<lb/> bono</hi>) bey einem endlichen Geiſte beſte-<lb/> he, und wodurch ſelbige erhalten werde?<lb/> Chriſtus wurde im Guten bekraͤfftiget, in-<lb/> dem er durch allerhand Ubungen, bey wel-<lb/> chen die Macht GOttes mitwuͤrckete, zu<lb/> <fw type="catch" place="bottom">einer</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218[214]/0250]
(*)
§. 4.
Wir lernen hieraus, worinnen die Be-
kraͤfftigung im Guten (confirmatio in
bono) bey einem endlichen Geiſte beſte-
he, und wodurch ſelbige erhalten werde?
Chriſtus wurde im Guten bekraͤfftiget, in-
dem er durch allerhand Ubungen, bey wel-
chen die Macht GOttes mitwuͤrckete, zu
einer
(*) ſelbſt uͤber Lucaͤ, Cap. 2, 52. folgende Anmer-
ckung. „Wie ſein (Chriſti) Leib wuchs, und ſei-
„ne Vernunfft zunahm natuͤrlicher Weiſe, als
„in andern Menſchen, alſo ſenckte ſich auch im-
„mer mehr und mehr der Geiſt in ihn, daß
„er wahrhaftig je aͤlter, je groͤſſer, und je groͤſ-
„ſer, je vernuͤnfftiger, und je vernuͤnfftiger, je
„ſtaͤrcker im Geiſte und voller Weißheit iſt wor-
„den vor GOtt und ihm ſelber, und vor den
„Leuten. Es iſt aber die Rede hier nicht von
„der goͤttlichen Weißheit, die er nach der goͤtt-
„lichen Natur weſentlich hatte, in dero Ge-
„meinſchafft auch die menſchliche Natur aufge-
„nommen worden, durch die perſoͤnliche Ver-
„einigung, denn dieſe kan nicht wachſen; ſon-
„dern von der menſchlichen Weißheit, die in
„ihm, wie in andern Glaubigen, durch die Ga-
„be des Heiligen Geiſtes, durch Unterweiſung
„und Erfahrung gewachſen. Welcher Wachs-
„thum ein Stuͤck der Erniedrigung Chriſti iſt;
„denn haͤtte er ſich der goͤttlichen Herrlichkeit,
„ſo ihm gebuͤhrte, gleich brauchen wollen, ſo
„waͤre alles im hoͤchſten Grad der Vollkom-
„menheit bey ihm geweſen, und haͤtte keinen
„Wachsthum bedurfft.
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Zitationshilfe: | Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 218[214]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/250>, abgerufen am 03.03.2025. |