Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Wunder im Spessart.


Waldmährchen.


Bist du wohl schon, Lisbeth, an einem klaren
Sonnenmorgen durch einen schönen Wald gegangen,
zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro-
nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie
ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den
Spitzen der Gräser tausend blitzende Perlen streifte?

Wohl bin ich das, Oswald, erst noch neu-
lich, als ich durch das Gebirg nach den Zinsen und
Gülten ging. Es ist gar herrlich im grünen, fri-
schen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern,
ohne einem Menschen zu begegnen, und fürchtete mich
nicht. Der Rasen ist der Mantel Gottes, man ist
von tausend Englein beschirmt, man stehe oder sitze
darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich
lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter schwebe
der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen

Die Wunder im Speſſart.


Waldmährchen.


Biſt du wohl ſchon, Lisbeth, an einem klaren
Sonnenmorgen durch einen ſchönen Wald gegangen,
zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro-
nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie
ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den
Spitzen der Gräſer tauſend blitzende Perlen ſtreifte?

Wohl bin ich das, Oswald, erſt noch neu-
lich, als ich durch das Gebirg nach den Zinſen und
Gülten ging. Es iſt gar herrlich im grünen, fri-
ſchen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern,
ohne einem Menſchen zu begegnen, und fürchtete mich
nicht. Der Raſen iſt der Mantel Gottes, man iſt
von tauſend Englein beſchirmt, man ſtehe oder ſitze
darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich
lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter ſchwebe
der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0155" n="141"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Die Wunder im Spe&#x017F;&#x017F;art</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Waldmährchen</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Bi&#x017F;t du wohl &#x017F;chon, Lisbeth, an einem klaren<lb/>
Sonnenmorgen durch einen &#x017F;chönen Wald gegangen,<lb/>
zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro-<lb/>
nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie<lb/>
ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den<lb/>
Spitzen der Grä&#x017F;er tau&#x017F;end blitzende Perlen &#x017F;treifte?</p><lb/>
          <p>Wohl bin ich das, Oswald, er&#x017F;t noch neu-<lb/>
lich, als ich durch das Gebirg nach den Zin&#x017F;en und<lb/>
Gülten ging. Es i&#x017F;t gar herrlich im grünen, fri-<lb/>
&#x017F;chen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern,<lb/>
ohne einem Men&#x017F;chen zu begegnen, und fürchtete mich<lb/>
nicht. Der Ra&#x017F;en i&#x017F;t der Mantel Gottes, man i&#x017F;t<lb/>
von tau&#x017F;end Englein be&#x017F;chirmt, man &#x017F;tehe oder &#x017F;itze<lb/>
darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich<lb/>
lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter &#x017F;chwebe<lb/>
der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0155] Die Wunder im Speſſart. Waldmährchen. Biſt du wohl ſchon, Lisbeth, an einem klaren Sonnenmorgen durch einen ſchönen Wald gegangen, zu dem der blaue Himmel durch die grünen Kro- nen einblickte, wo dich der Othem der Bäume wie ein Hauch Gottes anwehte und dein Fuß von den Spitzen der Gräſer tauſend blitzende Perlen ſtreifte? Wohl bin ich das, Oswald, erſt noch neu- lich, als ich durch das Gebirg nach den Zinſen und Gülten ging. Es iſt gar herrlich im grünen, fri- ſchen Wald; ich könnte Tagelang hindurchwandern, ohne einem Menſchen zu begegnen, und fürchtete mich nicht. Der Raſen iſt der Mantel Gottes, man iſt von tauſend Englein beſchirmt, man ſtehe oder ſitze darauf. Jetzt ein Hügel und dann eine Ecke; ich lief und lief, weil ich immer dachte, dahinter ſchwebe der Wundervogel mit blauen und rothen Schwingen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/155
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/155>, abgerufen am 03.12.2024.