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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.

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ihr den Rath ertheilte, sich auf den Besuch des öffentlichen
Gottesdienstes zu beschränken. Alle diese Ermahnungen mach¬
ten auf sie den erwünschten Eindruck, und nachdem sie eine
lange Reihe von Monaten eine volle Gemüthsruhe und Gei¬
stesklarheit in jeder Beziehung documentirt hatte, wurde sie
am 1. Juli 1846 als geheilt entlassen.

15.

Z., 31 Jahre alt, von seinem Vater, einem Bürger¬
meister, vielleicht zu nachsichtig erzogen, trat mit dem 18 Jahre,
nachdem er seine Ausbildung in einer höheren Bürgerschule em¬
pfangen hatte, bei der Artillerie in den Militairdienst. In
seiner Hoffnung, sich zu dem Range eines Officiers aufzu¬
schwingen, bitter getäuscht, da er in den dazu erforderlichen
Prüfungen nicht bestand, grollte er seinen Vorgesetzten, welche
er gewiß ohne Grund einer Zurücksetzung beschuldigte. Sein
gekränkter Ehrgeiz, welcher ihn über seine beschränkten Fähig¬
keiten und Kenntnisse verblendete, wurde dadurch für ihn zur
Quelle einer verdüsterten Lebensansicht und des Argwohns,
welcher seitdem als vorherrschender Zug in seinem Charakter
hervortrat. Mannigfache rheumatische Beschwerden nöthigten
ihn, nach vierjähriger Dienstzeit aus dem Militair auszuschei¬
den, und zu seinem Vater zurückzukehren, bei welchem er seit¬
dem als Privatschreiber lebte. Seine Gemüthsstimmung trübte
sich immer mehr, als er von einer lüderlichen Dirne verklagt,
und vom Gerichte als der Vater eines mit ihr erzeugten Kin¬
des zu den Kosten verurtheilt wurde, welche zu zahlen er sich
völlig außer Stande befand. Er befürchtete in eine Kette von
Unglücksfällen ohne Aussicht auf eine günstige Wendung seines
Schicksals verflochten zu sein, zumal da mehrere Bewerbungen
bei Königlichen Behörden um Anstellung im Civildienste er¬
folglos blieben, ja es bemächtigte sich seiner eine solche Muth¬
losigkeit, daß er oft gegen seine frühere Gewohnheit in Thrä¬
nen ausbrach oder auch seinem gepreßten Gemüth in Aeuße¬
rungen verdrießlicher Laune Luft machte. Der durch einen
unglücklichen Schuß auf der Jagd verursachte Tod eines Freun¬

ihr den Rath ertheilte, ſich auf den Beſuch des oͤffentlichen
Gottesdienſtes zu beſchraͤnken. Alle dieſe Ermahnungen mach¬
ten auf ſie den erwuͤnſchten Eindruck, und nachdem ſie eine
lange Reihe von Monaten eine volle Gemuͤthsruhe und Gei¬
ſtesklarheit in jeder Beziehung documentirt hatte, wurde ſie
am 1. Juli 1846 als geheilt entlaſſen.

15.

Z.‚ 31 Jahre alt, von ſeinem Vater, einem Buͤrger¬
meiſter, vielleicht zu nachſichtig erzogen, trat mit dem 18 Jahre,
nachdem er ſeine Ausbildung in einer hoͤheren Buͤrgerſchule em¬
pfangen hatte, bei der Artillerie in den Militairdienſt. In
ſeiner Hoffnung, ſich zu dem Range eines Officiers aufzu¬
ſchwingen, bitter getaͤuſcht, da er in den dazu erforderlichen
Pruͤfungen nicht beſtand, grollte er ſeinen Vorgeſetzten, welche
er gewiß ohne Grund einer Zuruͤckſetzung beſchuldigte. Sein
gekraͤnkter Ehrgeiz, welcher ihn uͤber ſeine beſchraͤnkten Faͤhig¬
keiten und Kenntniſſe verblendete, wurde dadurch fuͤr ihn zur
Quelle einer verduͤſterten Lebensanſicht und des Argwohns,
welcher ſeitdem als vorherrſchender Zug in ſeinem Charakter
hervortrat. Mannigfache rheumatiſche Beſchwerden noͤthigten
ihn, nach vierjaͤhriger Dienſtzeit aus dem Militair auszuſchei¬
den, und zu ſeinem Vater zuruͤckzukehren, bei welchem er ſeit¬
dem als Privatſchreiber lebte. Seine Gemuͤthsſtimmung truͤbte
ſich immer mehr, als er von einer luͤderlichen Dirne verklagt,
und vom Gerichte als der Vater eines mit ihr erzeugten Kin¬
des zu den Koſten verurtheilt wurde, welche zu zahlen er ſich
voͤllig außer Stande befand. Er befuͤrchtete in eine Kette von
Ungluͤcksfaͤllen ohne Ausſicht auf eine guͤnſtige Wendung ſeines
Schickſals verflochten zu ſein, zumal da mehrere Bewerbungen
bei Koͤniglichen Behoͤrden um Anſtellung im Civildienſte er¬
folglos blieben, ja es bemaͤchtigte ſich ſeiner eine ſolche Muth¬
loſigkeit, daß er oft gegen ſeine fruͤhere Gewohnheit in Thraͤ¬
nen ausbrach oder auch ſeinem gepreßten Gemuͤth in Aeuße¬
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[165/0173] ihr den Rath ertheilte, ſich auf den Beſuch des oͤffentlichen Gottesdienſtes zu beſchraͤnken. Alle dieſe Ermahnungen mach¬ ten auf ſie den erwuͤnſchten Eindruck, und nachdem ſie eine lange Reihe von Monaten eine volle Gemuͤthsruhe und Gei¬ ſtesklarheit in jeder Beziehung documentirt hatte, wurde ſie am 1. Juli 1846 als geheilt entlaſſen. 15. Z.‚ 31 Jahre alt, von ſeinem Vater, einem Buͤrger¬ meiſter, vielleicht zu nachſichtig erzogen, trat mit dem 18 Jahre, nachdem er ſeine Ausbildung in einer hoͤheren Buͤrgerſchule em¬ pfangen hatte, bei der Artillerie in den Militairdienſt. In ſeiner Hoffnung, ſich zu dem Range eines Officiers aufzu¬ ſchwingen, bitter getaͤuſcht, da er in den dazu erforderlichen Pruͤfungen nicht beſtand, grollte er ſeinen Vorgeſetzten, welche er gewiß ohne Grund einer Zuruͤckſetzung beſchuldigte. Sein gekraͤnkter Ehrgeiz, welcher ihn uͤber ſeine beſchraͤnkten Faͤhig¬ keiten und Kenntniſſe verblendete, wurde dadurch fuͤr ihn zur Quelle einer verduͤſterten Lebensanſicht und des Argwohns, welcher ſeitdem als vorherrſchender Zug in ſeinem Charakter hervortrat. Mannigfache rheumatiſche Beſchwerden noͤthigten ihn, nach vierjaͤhriger Dienſtzeit aus dem Militair auszuſchei¬ den, und zu ſeinem Vater zuruͤckzukehren, bei welchem er ſeit¬ dem als Privatſchreiber lebte. Seine Gemuͤthsſtimmung truͤbte ſich immer mehr, als er von einer luͤderlichen Dirne verklagt, und vom Gerichte als der Vater eines mit ihr erzeugten Kin¬ des zu den Koſten verurtheilt wurde, welche zu zahlen er ſich voͤllig außer Stande befand. Er befuͤrchtete in eine Kette von Ungluͤcksfaͤllen ohne Ausſicht auf eine guͤnſtige Wendung ſeines Schickſals verflochten zu ſein, zumal da mehrere Bewerbungen bei Koͤniglichen Behoͤrden um Anſtellung im Civildienſte er¬ folglos blieben, ja es bemaͤchtigte ſich ſeiner eine ſolche Muth¬ loſigkeit, daß er oft gegen ſeine fruͤhere Gewohnheit in Thraͤ¬ nen ausbrach oder auch ſeinem gepreßten Gemuͤth in Aeuße¬ rungen verdrießlicher Laune Luft machte. Der durch einen ungluͤcklichen Schuß auf der Jagd verurſachte Tod eines Freun¬

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Zitationshilfe: Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/173>, abgerufen am 21.11.2024.