Sehr natürlich war es auch, daß die Collegien-Hefte oder die schriftlichen Anmer- kungen eines gelehrten, oder für gelehrt ge- haltenen Professors noch mehr galten, als der Text selbst, zumahl als der Text des Römischen Rechts, das so alt war, daß gar manches nicht mehr geradezu angewendet werden konnte. In der Glosse war immer der neuste Gerichtsgebrauch, und wer Latein sprach, wie dieses Malo pro me glossam quam textum, quia subtilis ratio non ita intrat in caput iudicis sicut glossa, der mußte schon deswegen mehr mit den Glossatoren, als mit den Classikern, sympathisiren, weil er jene allein verstand. Daher kam es denn auch, daß der Gerichtsgebrauch öfter mit dem Ca- nonischen Rechte übereinstimmte, es war das neuere Recht aus demselben Zeitalter, und die Glossatoren konnten vom Pabste, aber nicht von Justinian gefragt werden.
§. 188.
Noch ehe man im 14ten Jahrhundert auch in Deutschland selbst Universitäten be- kam, fing man an, deutsche Rechtsgewohn- heiten zu sammeln, auch wieder vielleicht mehr aus Nachahmung, weil man nun häu- figer schrieb, als um dem einreißenden frem-
den
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bis auf unſere Zeiten.
§. 187.
Sehr natuͤrlich war es auch, daß die Collegien-Hefte oder die ſchriftlichen Anmer- kungen eines gelehrten, oder fuͤr gelehrt ge- haltenen Profeſſors noch mehr galten, als der Text ſelbſt, zumahl als der Text des Roͤmiſchen Rechts, das ſo alt war, daß gar manches nicht mehr geradezu angewendet werden konnte. In der Gloſſe war immer der neuſte Gerichtsgebrauch, und wer Latein ſprach, wie dieſes Malo pro me gloſſam quam textum, quia ſubtilis ratio non ita intrat in caput iudicis ſicut gloſſa, der mußte ſchon deswegen mehr mit den Gloſſatoren, als mit den Claſſikern, ſympathiſiren, weil er jene allein verſtand. Daher kam es denn auch, daß der Gerichtsgebrauch oͤfter mit dem Ca- noniſchen Rechte uͤbereinſtimmte, es war das neuere Recht aus demſelben Zeitalter, und die Gloſſatoren konnten vom Pabſte, aber nicht von Juſtinian gefragt werden.
§. 188.
Noch ehe man im 14ten Jahrhundert auch in Deutſchland ſelbſt Univerſitaͤten be- kam, fing man an, deutſche Rechtsgewohn- heiten zu ſammeln, auch wieder vielleicht mehr aus Nachahmung, weil man nun haͤu- figer ſchrieb, als um dem einreißenden frem-
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bis auf unſere Zeiten.
§. 187.
Sehr natuͤrlich war es auch, daß die
Collegien-Hefte oder die ſchriftlichen Anmer-
kungen eines gelehrten, oder fuͤr gelehrt ge-
haltenen Profeſſors noch mehr galten, als
der Text ſelbſt, zumahl als der Text des
Roͤmiſchen Rechts, das ſo alt war, daß
gar manches nicht mehr geradezu angewendet
werden konnte. In der Gloſſe war immer
der neuſte Gerichtsgebrauch, und wer Latein
ſprach, wie dieſes Malo pro me gloſſam quam
textum, quia ſubtilis ratio non ita intrat in
caput iudicis ſicut gloſſa, der mußte ſchon
deswegen mehr mit den Gloſſatoren, als mit
den Claſſikern, ſympathiſiren, weil er jene
allein verſtand. Daher kam es denn auch,
daß der Gerichtsgebrauch oͤfter mit dem Ca-
noniſchen Rechte uͤbereinſtimmte, es war das
neuere Recht aus demſelben Zeitalter, und
die Gloſſatoren konnten vom Pabſte, aber
nicht von Juſtinian gefragt werden.
§. 188.
Noch ehe man im 14ten Jahrhundert
auch in Deutſchland ſelbſt Univerſitaͤten be-
kam, fing man an, deutſche Rechtsgewohn-
heiten zu ſammeln, auch wieder vielleicht
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Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/237>, abgerufen am 03.07.2024.
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