Ich eilte in Cölln einen Eindruck zu erneuern, welchen mir längst vergangne Zeiten zurückgelas- sen hatten, -- ich besuchte den Dom. Welch ein herrliches Gebäude wäre er in seiner Vollendung geworden; ich fragte ob ihn der Kaiser nicht ge- sehn habe, und wünschte, daß man ihn auffor- dern dürfte diesen Tempel zu vollenden. Ich ging lange in den leeren Säulengängen umher, und genoß die Größe der Kunst und Kraft des Menschen, und dachte der Nichtigkeit alles mensch- lichen Unternehmens, und den eigensinnigen Wil- len des Schicksals. -- Wenn, dachte ich, wird die Zeit einmal zurückkehren, wo der Ueberfluß der Reichen, der Gemeinsinn aller. Mittel zu sol- chen großen Denkmählern herbeischaffen wird? Giebt es deren nothwendigere, so setze man sie zuerst, aber man halte doch nicht einen Vereini- gungsplatz für unnothwendig, seine Würde und
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Vierter Abſchnitt.
Ich eilte in Coͤlln einen Eindruck zu erneuern, welchen mir laͤngſt vergangne Zeiten zuruͤckgelaſ- ſen hatten, — ich beſuchte den Dom. Welch ein herrliches Gebaͤude waͤre er in ſeiner Vollendung geworden; ich fragte ob ihn der Kaiſer nicht ge- ſehn habe, und wuͤnſchte, daß man ihn auffor- dern duͤrfte dieſen Tempel zu vollenden. Ich ging lange in den leeren Saͤulengaͤngen umher, und genoß die Groͤße der Kunſt und Kraft des Menſchen, und dachte der Nichtigkeit alles menſch- lichen Unternehmens, und den eigenſinnigen Wil- len des Schickſals. — Wenn, dachte ich, wird die Zeit einmal zuruͤckkehren, wo der Ueberfluß der Reichen, der Gemeinſinn aller. Mittel zu ſol- chen großen Denkmaͤhlern herbeiſchaffen wird? Giebt es deren nothwendigere, ſo ſetze man ſie zuerſt, aber man halte doch nicht einen Vereini- gungsplatz fuͤr unnothwendig, ſeine Wuͤrde und
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Vierter Abſchnitt.
Ich eilte in Coͤlln einen Eindruck zu erneuern,
welchen mir laͤngſt vergangne Zeiten zuruͤckgelaſ-
ſen hatten, — ich beſuchte den Dom. Welch ein
herrliches Gebaͤude waͤre er in ſeiner Vollendung
geworden; ich fragte ob ihn der Kaiſer nicht ge-
ſehn habe, und wuͤnſchte, daß man ihn auffor-
dern duͤrfte dieſen Tempel zu vollenden. Ich
ging lange in den leeren Saͤulengaͤngen umher,
und genoß die Groͤße der Kunſt und Kraft des
Menſchen, und dachte der Nichtigkeit alles menſch-
lichen Unternehmens, und den eigenſinnigen Wil-
len des Schickſals. — Wenn, dachte ich, wird
die Zeit einmal zuruͤckkehren, wo der Ueberfluß
der Reichen, der Gemeinſinn aller. Mittel zu ſol-
chen großen Denkmaͤhlern herbeiſchaffen wird?
Giebt es deren nothwendigere, ſo ſetze man ſie
zuerſt, aber man halte doch nicht einen Vereini-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/81>, abgerufen am 21.11.2024.
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