Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.22. O du lieber, linder Sommerabend, Bist so süß wie zarte Frauenhuld, Wenn dein tiefgeheimer Zauber labend Mich in wunderholde Träume lullt. Bin ich singend über Land gezogen Wohl den ganzen Tag im Sonnenschein Und nun schreit ich durch den Thoresbogen In die altersgraue Stadt hinein. Von den holzgeschnitzten Giebelspitzen
Sich schon längst der letzte Schimmer stahl, Nur die hohen Kirchenkreuze blitzen Golden noch im späten Abendstrahl. Kinder auf den Treppensteinen hocken, Spielen Haschen oder Blindekuh, Und dazwischen läuten fromm die Glocken Von den Thürmen Feierabendruh. 22. O du lieber, linder Sommerabend, Biſt ſo ſüß wie zarte Frauenhuld, Wenn dein tiefgeheimer Zauber labend Mich in wunderholde Träume lullt. Bin ich ſingend über Land gezogen Wohl den ganzen Tag im Sonnenſchein Und nun ſchreit ich durch den Thoresbogen In die altersgraue Stadt hinein. Von den holzgeſchnitzten Giebelſpitzen
Sich ſchon längſt der letzte Schimmer ſtahl, Nur die hohen Kirchenkreuze blitzen Golden noch im ſpäten Abendſtrahl. Kinder auf den Treppenſteinen hocken, Spielen Haſchen oder Blindekuh, Und dazwiſchen läuten fromm die Glocken Von den Thürmen Feierabendruh. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="230" facs="#f0252"/> </div> <div n="2"> <head>22.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">O</hi> du lieber, linder Sommerabend,</l><lb/> <l>Biſt ſo ſüß wie zarte Frauenhuld,</l><lb/> <l>Wenn dein tiefgeheimer Zauber labend</l><lb/> <l>Mich in wunderholde Träume lullt.</l><lb/> <l>Bin ich ſingend über Land gezogen</l><lb/> <l>Wohl den ganzen Tag im Sonnenſchein</l><lb/> <l>Und nun ſchreit ich durch den Thoresbogen</l><lb/> <l>In die altersgraue Stadt hinein.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Von den holzgeſchnitzten Giebelſpitzen</l><lb/> <l>Sich ſchon längſt der letzte Schimmer ſtahl,</l><lb/> <l>Nur die hohen Kirchenkreuze blitzen</l><lb/> <l>Golden noch im ſpäten Abendſtrahl.</l><lb/> <l>Kinder auf den Treppenſteinen hocken,</l><lb/> <l>Spielen Haſchen oder Blindekuh,</l><lb/> <l>Und dazwiſchen läuten fromm die Glocken</l><lb/> <l>Von den Thürmen Feierabendruh.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0252]
22.
O du lieber, linder Sommerabend,
Biſt ſo ſüß wie zarte Frauenhuld,
Wenn dein tiefgeheimer Zauber labend
Mich in wunderholde Träume lullt.
Bin ich ſingend über Land gezogen
Wohl den ganzen Tag im Sonnenſchein
Und nun ſchreit ich durch den Thoresbogen
In die altersgraue Stadt hinein.
Von den holzgeſchnitzten Giebelſpitzen
Sich ſchon längſt der letzte Schimmer ſtahl,
Nur die hohen Kirchenkreuze blitzen
Golden noch im ſpäten Abendſtrahl.
Kinder auf den Treppenſteinen hocken,
Spielen Haſchen oder Blindekuh,
Und dazwiſchen läuten fromm die Glocken
Von den Thürmen Feierabendruh.
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Zitationshilfe: | Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/252>, abgerufen am 03.03.2025. |