Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682.Anderes Buch/ Haus-Vatter. [Spaltenumbruch]
males sein Bewegung und Vegetation ausspendet/ undwie ein Baum übersich seinen Stamm und Aeste aus- treibet/ also treibt das Hirn abwerts/ die Medullam spinalem durch den Ruckgrad/ davon auch alle Nerven und Flächsen/ als Aeste entspringen. Der Baum muß Erden und Wasser haben/ wann er gedeyen solle/ und der Mensch essen und trincken zu Unterhalt seines Lebens; des Baums Vermehrung geschihet durch den Safft/ der von dessen Wurtzen aus der Erden gesogen/ und dem Stamm und Aesten zugeflöset wird. Wo- her dem Menschen die Zunehmung des Wachsens komme/ sind die Medici nicht einerley Meinungen; die meisten halten dafür/ daß es durch die in den Magen kommen- de Nahrung/ Speis und Tranck entstehe/ darinnen sie verdauet/ verkocht/ und jedwederm Glied/ nach Pro- portion, sein Theil zugeschickt wird. Andere wieder- sprechen diß zwar nicht/ limitiren es aber also/ daß das Gehirne nicht weniger zur Augmentation des Cör- pers beytrage. Denn indem die Speisse in dem Munde von den Zähnen gekauet und zermalmet werde/ ziehe das Gehirne/ die edlesten und subtilesten Geister davon übersich/ formire daraus einen weissen Chilum, (den Thomas Willis, ein Engelländer/ in Anatome Ce- rebri cap. 20. Humorem mollem & alibilem nennet) dieser Safft werde durch die Commissuras Cranii, meistens aber durch die Weiche/ oder den Wirbel (der bey den Kindern darum offen bleibt/ weil sie mehr nutrition zu ihrem Wachsthum bedörffen) zwischen der Haut und Fleisch in den gantzen menschlichen Cörper ausgegossen/ so wol auch durch die Nerven/ so von dem Hirn ihren Ursprung haben/ als auch in die Blut- Adern untertheilet. Dieser Safft führet die Spiritus animales mit sich/ die gleichsam sein Vehiculum sind. Und wie Willis am obbesagten Ort spricht: Succus nervosus, qui seminis masculini instar est, humori [Spaltenumbruch] nutricio copiose ab arteriis suggesto, tanquam alte- rius sexus genitivo ubique in singulis partibus suf- funditur, quodque iste prior elementis activis praedi- tus, hanc materiam crafsiorem, velut fermento quo- dam imbuit, Spirituque animali impraegnat, cumq; adeo ipsam mutua subitione dissolvi, inque partes secedere facit; ejus particulae aliae ab aliis extricatae (Spiritu infuso manuducente) corporibus sibimet commensuratis adponuntur, inque illorum substan- tiam assimilantur. Gleich auch wie im menschlichen Leib/ die in unzehlich viel Aeste hin und wieder zer- streuten Blut-Adern/ alle der Microcosmischen Oeco- nomiae Durchgänge und Winkel durchkriechet/ daß auch nicht das geringste Plätzlein oder Pünetlein am Leib überig/ dahin die Haar-Aederlein oder Venae Capillares ihre Quotam des Geblüts nicht führeten/ daß/ wo man auch am Leib einen Menschen mit einer Nadel würde ritzen/ es stracks Blut gibet: also theilet sich in einen Baum der Safft theils in den Kern/ theils in das Holtz/ und theils in die Rinden/ daraus die Ergrösse- rung und Vegetation entspringet; und ist kein Aestlein oder Blätlein am Baum so klein/ das nicht diesen Safft an sich ziehe. Wiewol auch das Hirn nicht weniger im Schlaff die aus den Magen evaporirende Exha- lationen an sich locket/ und durch seine angeborne Kälte zu einen Safft oder weissen Liquorem machet/ davon hernach mit mehrerm. Jetzt wollen wir allein bey des Platonis Gleichnis verbleiben. Also wie ein Baum/ wann er aus untauglicher/ schweblichter/ marastiger/ stinckender Erden die Nahrung an sich ziehen muß/ von Brand/ Wurm/ Gummi und andern Zufällen belästiget wird: Also wann dieser in den gantzen Leib zur Nahrung ausgebreitete Safft von guten Alimenten herrühret/ verursacht er die Gesundheit; von unbe- quemlichen aber/ ist er ein Ursprung aller Kranckheiten. Cap. LX. [Spaltenumbruch]
Vom Hirn. DAs Hirn ist unter den vornehmsten Gliedern Puls- U ij
Anderes Buch/ Haus-Vatter. [Spaltenumbruch]
males ſein Bewegung und Vegetation ausſpendet/ undwie ein Baum uͤberſich ſeinen Stamm und Aeſte aus- treibet/ alſo treibt das Hirn abwerts/ die Medullam ſpinalem durch den Ruckgrad/ davon auch alle Nerven und Flaͤchſen/ als Aeſte entſpringen. Der Baum muß Erden und Waſſer haben/ wann er gedeyen ſolle/ und der Menſch eſſen und trincken zu Unterhalt ſeines Lebens; des Baums Vermehrung geſchihet durch den Safft/ der von deſſen Wurtzen aus der Erden geſogen/ und dem Stamm und Aeſten zugefloͤſet wird. Wo- her dem Menſchen die Zunehmung des Wachſens kom̃e/ ſind die Medici nicht einerley Meinungen; die meiſten halten dafuͤr/ daß es durch die in den Magen kommen- de Nahrung/ Speis und Tranck entſtehe/ darinnen ſie verdauet/ verkocht/ und jedwederm Glied/ nach Pro- portion, ſein Theil zugeſchickt wird. Andere wieder- ſprechen diß zwar nicht/ limitiren es aber alſo/ daß das Gehirne nicht weniger zur Augmentation des Coͤr- pers beytrage. Denn indem die Speiſſe in dem Munde von den Zaͤhnen gekauet und zermalmet werde/ ziehe das Gehirne/ die edleſten und ſubtileſten Geiſter davon uͤberſich/ formire daraus einen weiſſen Chilum, (den Thomas Willis, ein Engellaͤnder/ in Anatome Ce- rebri cap. 20. Humorem mollem & alibilem nennet) dieſer Safft werde durch die Commiſſuras Cranii, meiſtens aber durch die Weiche/ oder den Wirbel (der bey den Kindern darum offen bleibt/ weil ſie mehr nutrition zu ihrem Wachsthum bedoͤrffen) zwiſchen der Haut und Fleiſch in den gantzen menſchlichen Coͤrper ausgegoſſen/ ſo wol auch durch die Nerven/ ſo von dem Hirn ihren Urſprung haben/ als auch in die Blut- Adern untertheilet. Dieſer Safft fuͤhret die Spiritus animales mit ſich/ die gleichſam ſein Vehiculum ſind. Und wie Willis am obbeſagten Ort ſpricht: Succus nervoſus, qui ſeminis maſculini inſtar eſt, humori [Spaltenumbruch] nutricio copioſè ab arteriis ſuggeſto, tanquam alte- rius ſexus genitivo ubiquè in ſingulis partibus ſuf- funditur, quodque iſte prior elementis activis prædi- tus, hanc materiam crafſiorem, velut fermento quo- dam imbuit, Spirituquè animali imprægnat, cumq; adeò ipſam mutuâ ſubitione diſſolvi, inque partes ſecedere facit; ejus particulæ aliæ ab aliis extricatæ (Spiritu infuſo manuducente) corporibus ſibimet commenſuratis adponuntur, inque illorum ſubſtan- tiam aſſimilantur. Gleich auch wie im menſchlichen Leib/ die in unzehlich viel Aeſte hin und wieder zer- ſtreuten Blut-Adern/ alle der Microcosmiſchen Oeco- nomiæ Durchgaͤnge und Winkel durchkriechet/ daß auch nicht das geringſte Plaͤtzlein oder Puͤnetlein am Leib uͤberig/ dahin die Haar-Aederlein oder Venæ Capillares ihre Quotam des Gebluͤts nicht fuͤhreten/ daß/ wo man auch am Leib einen Menſchen mit einer Nadel wuͤrde ritzen/ es ſtracks Blut gibet: alſo theilet ſich in einen Baum der Safft theils in den Kern/ theils in das Holtz/ und theils in die Rinden/ daraus die Ergroͤſſe- rung und Vegetation entſpringet; und iſt kein Aeſtlein oder Blaͤtlein am Baum ſo klein/ das nicht dieſen Safft an ſich ziehe. Wiewol auch das Hiꝛn nicht weniger im Schlaff die aus den Magen evaporirende Exha- lationen an ſich locket/ und durch ſeine angeborne Kaͤlte zu einen Safft oder weiſſen Liquorem machet/ davon hernach mit mehrerm. Jetzt wollen wir allein bey des Platonis Gleichnis verbleiben. Alſo wie ein Baum/ wann er aus untauglicher/ ſchweblichter/ maraſtiger/ ſtinckender Erden die Nahrung an ſich ziehen muß/ von Brand/ Wurm/ Gummi und andern Zufaͤllen belaͤſtiget wird: Alſo wann dieſer in den gantzen Leib zur Nahrung ausgebreitete Safft von guten Alimenten herruͤhret/ verurſacht er die Geſundheit; von unbe- quemlichen aber/ iſt er ein Urſprung aller Kranckheiten. Cap. LX. [Spaltenumbruch]
Vom Hirn. DAs Hirn iſt unter den vornehmſten Gliedern Puls- U ij
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Anderes Buch/ Haus-Vatter.
males ſein Bewegung und Vegetation ausſpendet/ und
wie ein Baum uͤberſich ſeinen Stamm und Aeſte aus-
treibet/ alſo treibt das Hirn abwerts/ die Medullam
ſpinalem durch den Ruckgrad/ davon auch alle Nerven
und Flaͤchſen/ als Aeſte entſpringen. Der Baum muß
Erden und Waſſer haben/ wann er gedeyen ſolle/
und der Menſch eſſen und trincken zu Unterhalt ſeines
Lebens; des Baums Vermehrung geſchihet durch den
Safft/ der von deſſen Wurtzen aus der Erden geſogen/
und dem Stamm und Aeſten zugefloͤſet wird. Wo-
her dem Menſchen die Zunehmung des Wachſens kom̃e/
ſind die Medici nicht einerley Meinungen; die meiſten
halten dafuͤr/ daß es durch die in den Magen kommen-
de Nahrung/ Speis und Tranck entſtehe/ darinnen ſie
verdauet/ verkocht/ und jedwederm Glied/ nach Pro-
portion, ſein Theil zugeſchickt wird. Andere wieder-
ſprechen diß zwar nicht/ limitiren es aber alſo/ daß
das Gehirne nicht weniger zur Augmentation des Coͤr-
pers beytrage. Denn indem die Speiſſe in dem Munde
von den Zaͤhnen gekauet und zermalmet werde/ ziehe das
Gehirne/ die edleſten und ſubtileſten Geiſter davon
uͤberſich/ formire daraus einen weiſſen Chilum, (den
Thomas Willis, ein Engellaͤnder/ in Anatome Ce-
rebri cap. 20. Humorem mollem & alibilem nennet)
dieſer Safft werde durch die Commiſſuras Cranii,
meiſtens aber durch die Weiche/ oder den Wirbel (der
bey den Kindern darum offen bleibt/ weil ſie mehr
nutrition zu ihrem Wachsthum bedoͤrffen) zwiſchen der
Haut und Fleiſch in den gantzen menſchlichen Coͤrper
ausgegoſſen/ ſo wol auch durch die Nerven/ ſo von dem
Hirn ihren Urſprung haben/ als auch in die Blut-
Adern untertheilet. Dieſer Safft fuͤhret die Spiritus
animales mit ſich/ die gleichſam ſein Vehiculum ſind.
Und wie Willis am obbeſagten Ort ſpricht: Succus
nervoſus, qui ſeminis maſculini inſtar eſt, humori
nutricio copioſè ab arteriis ſuggeſto, tanquam alte-
rius ſexus genitivo ubiquè in ſingulis partibus ſuf-
funditur, quodque iſte prior elementis activis prædi-
tus, hanc materiam crafſiorem, velut fermento quo-
dam imbuit, Spirituquè animali imprægnat, cumq;
adeò ipſam mutuâ ſubitione diſſolvi, inque partes
ſecedere facit; ejus particulæ aliæ ab aliis extricatæ
(Spiritu infuſo manuducente) corporibus ſibimet
commenſuratis adponuntur, inque illorum ſubſtan-
tiam aſſimilantur. Gleich auch wie im menſchlichen
Leib/ die in unzehlich viel Aeſte hin und wieder zer-
ſtreuten Blut-Adern/ alle der Microcosmiſchen Oeco-
nomiæ Durchgaͤnge und Winkel durchkriechet/ daß
auch nicht das geringſte Plaͤtzlein oder Puͤnetlein am Leib
uͤberig/ dahin die Haar-Aederlein oder Venæ Capillares
ihre Quotam des Gebluͤts nicht fuͤhreten/ daß/ wo man
auch am Leib einen Menſchen mit einer Nadel wuͤrde
ritzen/ es ſtracks Blut gibet: alſo theilet ſich in einen
Baum der Safft theils in den Kern/ theils in das
Holtz/ und theils in die Rinden/ daraus die Ergroͤſſe-
rung und Vegetation entſpringet; und iſt kein Aeſtlein
oder Blaͤtlein am Baum ſo klein/ das nicht dieſen
Safft an ſich ziehe. Wiewol auch das Hiꝛn nicht weniger
im Schlaff die aus den Magen evaporirende Exha-
lationen an ſich locket/ und durch ſeine angeborne Kaͤlte
zu einen Safft oder weiſſen Liquorem machet/ davon
hernach mit mehrerm. Jetzt wollen wir allein bey des
Platonis Gleichnis verbleiben. Alſo wie ein Baum/
wann er aus untauglicher/ ſchweblichter/ maraſtiger/
ſtinckender Erden die Nahrung an ſich ziehen muß/
von Brand/ Wurm/ Gummi und andern Zufaͤllen
belaͤſtiget wird: Alſo wann dieſer in den gantzen Leib
zur Nahrung ausgebreitete Safft von guten Alimenten
herruͤhret/ verurſacht er die Geſundheit; von unbe-
quemlichen aber/ iſt er ein Urſprung aller Kranckheiten.
Cap. LX.
Vom Hirn.
DAs Hirn iſt unter den vornehmſten Gliedern
das erſte in dem Menſchen/ und gleichſam radix
principalis, daher der Coͤrper ſeinen Wachs-
thum und Vermehrung empfaͤhet/ daher es den hoͤch-
ſten Sitz in dem menſchlichen Coͤrper/ und zu naͤchſt den
Himmel ſeine Reſidenz nimmet; um ſo wol den ſinnli-
chen/ als auch den Thieriſchen Kraͤfften/ ihren Unter-
halt und Verpflegung auszuſpenden; von allen deſſen
Stucken und Eintheilungen wollen wir dem Tugend-
liebenden Haus-Vatter nicht beſchwerlich ſeyn/ ſondern
zu denen Anatomicis Authoribus hingewieſen haben/
das iſt aber gewiß/ daß daraus alle Lebens- und Thie-
riſche Geiſter in die Nerven und Lufft-Adern des menſch-
lichen Leibes herwallen/ indem das gantze Gehirn ſo
wol mit der Blut- als Lufft-Adern Grund und Aus-
theilung erfuͤllet iſt/ davon auch der Anfang der Spinæ
medullaris ſich ereignet/ daher nicht weniger faſt alle
ſpontaneæ motiones und eigenthaͤtige Bewegungen
angetrieben werden/ alſo daß Plato in Timæo nicht un-
billich Caput membrum diviniſſimum heiſſet/ reli-
quorum membrorum Princeps, cui totum corpus
Dii parere juſſerunt. Jn dem Hirn iſt das Schloß und
die Wohnung der Gedaͤchtnis/ des Senſus commu-
nis, der Einbildung/ daher alle motus ſpontanei
kommen; das hindere kleine Gehirn oder Cerebell a-
ber/ iſt officina actionum præcipuarum, quæ ſunt
homini propriæ, ein Brunnquelle der Thieriſchen Gei-
ſter und natuͤrlichen Bewegungen/ als des Hertz-
Klopffens/ der Pulßruͤhrung/ der Athem-Schoͤpf-
fung/ der Verdaͤuung und Austheilung des Chyli.
Und ſo fort an. Joh. Ludovicus Hannemann in fa-
ſciculo miſcellanearum quæſt. Decad. 4. quæſt. 7. auf
die Frag/ ob das Hertz ein Sitz und Wohnhaus der
Seelen ſey? antwortet alſo: Negamus, eſt quidem
anima in toto tota, & in qualibet ejus, particula tota:
Non tantum ſecundum ſubſtantiam ſuam, ſed & ſe-
cundum facultates ſuas, quæ ab ipſâ non ſunt ſepara-
biles; attamen in toto non eſt tota æqualiter, ſed di-
verſo reſpectu, ut primariò & ſecundariò. Sic pri-
mariò ineſt cerebro, quia illud eſt ſenſorium pri-
mum, & medium, per quod anima ſuas facultates
ſenſuum organis diſtribuit, hocque læſo, ratio, memo-
ria & judicium laborant, læſis verò aliis partibus,
illæſa hæc manere poſſunt. Secundariò in reliquis
corporis partibus habitat. So hat auch/ wie die A-
natomici ſagen/ das Hirn ſeine ſtaͤtige Bewegung und
Puls-
U ij
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Zitationshilfe: | Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/173>, abgerufen am 23.02.2025. |