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Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682.

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Anderes Buch/ Haus-Vatter.
[Spaltenumbruch] weiter/ als nach Grösse des Nestes ausbreiten. Son-
dern es kan auch in natürlichen Sachen wol statt fin-
den/ wie der weise Redner Cicero lib. 2. offic. bezeuget:
Valetudo sustentatur notitia sui corporis, & observa-
tione, quae res aut prodesse soleant, aut obesse:
daß/
indem ein Mensch seiner Natur Eigenschafft und Ver-
mögen/ was ihm schadet oder nutzet/ was ihm dienlich
oder zuwider/ wol ausgründet; seine Complexion ob sie
in einem oder andern contrario excedire/ oder ob sie be-
ständig und mittelmässiges Temperaments seye; so kan
er durch Praeservativen bald eine Abkühlung in der Hitz/
oder Erwärmung in der Kälte; eine Trocknung in der
Feuchte/ und eine Bedauung in der Dörren/ entweder
selbst finden/ oder doch seinem Medico seine wahre Be-
schaffenheit/ mit desto bessern Gründen/ fürtragen/ und
hat dieser desto mehr Erkanntnis/ so wol seines natürli-
chen Gebrechens/ als auch wie er mit appropriatis
und gebührenden Hülffmitteln desto glücklicher und bäl-
der zu curiren; und wie will ein Medicus errathen/ was
in dem Menschen verborgen ist/ wo ers selbst nicht an-
[Spaltenumbruch] deuten kan; daher der Heiden-Lehrer und grosse Apo-
stel Paulus recht sagt 1. Cor. 2. Quis hominum scit,
quae sunt hominis, nisi Spiritus hominis, qui in ipso
est?
Und wie der edle Venetianer Ludovico Cornaro
in seinem Tractat de Sobrietate schreibt/ auch selbst mit
eignem Exempel bestättiget: L'huomo non ha miglior
Medico che se stesso, ni la piu efficace Medicina che
la Sobrieta.
Also soll ein Mensch beyläuffig die Ur-
sachen seiner Indisposition, wordurch es erweckt und
irritirt worden/ verstehen; obs vom Hirn/ vom Magen/
von der Leber/ vom Geblüt/ durch Unmässigkeit/
Müdigkeit/ Gemüths-Bewegungen/ oder anderwerts
zufälliger Weise/ her entspringet/ und welcher Com-
plexion
Ubermaß darzu Anlaß gegeben/ betrachten.
Er muß einen halben Anatomicum so weit agiren/ daß
er dennoch wisse/ wo zu gegen die vornehmsten innerlichen
Glieder liegen; wann sie wol oder übel temperirt sind/
und wer eine gute Diaet führet/ und mässiglich lebet/ der
kan sich desto leichter darein finden.

Cap. LVII.
Wie das am füglichsten/ durch Beobachtung seiner Gliedmassen/
geschehe.
[Spaltenumbruch]

NJcht vergeblich ist das Nosce teipsum für etwas
Göttliches gehalten worden; weil es der mensch-
lichen Schwachheit sehr schwer fället; und So-
crates
allein darum durch das Oracuium für den Wei-
sesten gehalten worden/ indem er/ seine Unvermöglichkeit
erkennend/ gesagt habe/ er wisse allein dieses/ daß er nichts
wisse. Wir wollen aber allhier die Moralia umgehen/
und allein bey der Natur verbleiben; nichts ausser uns/
ober uns/ neben uns/ unter uns/ sondern allein in uns
selbst suchen; so werden wir die Schwerigkeit dieses
zu practiciren und unverruckt fortzusetzen/ leichtlich greif-
fen können. Der Mensch/ seine Natur zu erlernen/ soll
wissen/ warum er (da alle Thiere gebuckt gehen/) mit
erhöheten Augen gen Himmel sehe/ denn weil der näch-
ste Ursprung und Geburt der Seelen vom Himmel kom-
me/ als habe sie auch ihren vornehmsten Thron und Sitz
genommen an dem Ort/ der dem Himmel am nächsten
ist/ nemlich im Haupt und in dem Hirn/ und daselbst
hat ihr der Allmächtige Schöpffer drey Cabinet oder
Zimmer zubereitet/ darinnen sie ihre geistliche Wirckun-
gen und Verrichtungen ausüben könne; diß sind nun
die drey unterschiedliche Abtheilungen des Hirns/ vor-
nen in der Stirn/ als in dem ersten Wohn-Gemach/ ist
intellectus, der Verstand/ das Gegenwärtige zu erken-
nen/ zu urtheilen und zu unterscheiden; Jm mittlern Zim-
mer ist Fantasia, die Einbildung/ das Abwesende zu be-
sinnen und zu bedencken/ ob es zu verlangen oder zu has-
sen. Jm letzern Zimmer wohnt die Gedächtnis/ die
ihr die vorbeystreichende Gestalten eindrucket und fest
hält/ und allein/ nachdem der Verstand oder das Einbil-
dungs-Urtheil es ansihet/ darnach sich richtet/ heraus
gibt/ oder zuruck hält; und diß alles in schöner und rich-
tiger Ordnung. Jn dem Haupt/ als obristen und vor-
nehmsten Theil des Leibes/ sind auch die fünff sinnlichen
Pforten/ darunter die Augen/ als zwey schöne Liechter/
die höchste Stelle gleich unter dem Hirn einnehmen/ auf
daß/ wann sie gen Himmel sehen/ ihr Vatterland da-
[Spaltenumbruch] selbst bedächten/ und sich dessen nicht unwürdig macheten.
Sie sind Wächter und Hüter des gantzen Leibs/ worin-
nen das Liecht eingeschlossen/ und daraus die Gedan-
cken und Bewegungen des Hertzens gleichsam zu erra-
then. Ober ihnen ist die Stirn/ die ebenmässig ein be-
friedigt oder betrübtes Gemüth andeutet. Die übrigen
Sinne-Pforten/ als Ohren/ Nasen/ Mund/ hat jedes
seine absonderliche Wohnung; die Empfindlichkeit aber
des Angriffs ist durch den gantzen Leib ausgebreitet/ da-
mit man überall das Gute geniessen/ und das Böse em-
pfinden und abwenden könnte. Das Haupt ist durch
den Hals und Achseln von den andern Gliedern abgeson-
dert/ sowol damit das Gehirn die Unreinigkeit des ko-
chenden Magens nicht so beschwerlich erdulten/ und dan-
noch das kalte Gehirn so wol vom Feuer des Magens/ als
der Leber und des Hertzens möchte gemässiget bleiben. Die
Brust ist von der Gegend des Bauchs durch das Dia-
phragma
als ein Fell abgetheilt/ damit das Hertz dar-
zwischen seine Lebens-Geschäffte/ unter so vielen Ein-
wicklungen/ und beederseits mit den Ribben/ als Palis-
saden verwahret/ desto bequemlicher verrichten könnte/
nicht gedrengt/ und von der Unsauberkeit der im Magen
liegenden Speisen nicht verunruhigt würde. Der Ma-
gen/ als die Kuchen/ ligt in der Mitten des Leibs/ so wol
durch den Mund und Hals-Röhren die Nahrung zu er-
greiffen/ jedem Glied seinen gebührlichen Unterhalt zuzu-
theilen/ als auch die groben und unverdäulichen Feuchtig-
keiten auszuwerffen. Die Natur hat dem Menschen
zween Füsse gegeben/ damit/ wann der eine im Gehen
fortrucket/ der gantze Leib auf dem andern/ als einer
Seulen/ ruhen möchte; zwey Hände/ mit solcher Kunst
und Geradigkeit/ daß sich so wol die Geschicklichkeit in
den Fingern/ als die Stärcke in den Armen dabey ver-
einigen sollten; Der Mund ist mit den Zähnen nicht nur
zur Zierd/ sondern auch/ weil sie in doppelter Ordnung
stehen/ gleichsam Mühlstein sind/ durch welche die Spei-
sen vorher zermalmet/ dem Magen zu leichterer Ver-

dauung
U

Anderes Buch/ Haus-Vatter.
[Spaltenumbruch] weiter/ als nach Groͤſſe des Neſtes ausbreiten. Son-
dern es kan auch in natuͤrlichen Sachen wol ſtatt fin-
den/ wie der weiſe Redner Cicero lib. 2. offic. bezeuget:
Valetudo ſuſtentatur notitiâ ſui corporis, & obſerva-
tione, quæ res aut prodeſſe ſoleant, aut obeſſe:
daß/
indem ein Menſch ſeiner Natur Eigenſchafft und Ver-
moͤgen/ was ihm ſchadet oder nutzet/ was ihm dienlich
oder zuwider/ wol ausgruͤndet; ſeine Complexion ob ſie
in einem oder andern contrario excedire/ oder ob ſie be-
ſtaͤndig und mittelmaͤſſiges Temperaments ſeye; ſo kan
er durch Præſervativen bald eine Abkuͤhlung in der Hitz/
oder Erwaͤrmung in der Kaͤlte; eine Trocknung in der
Feuchte/ und eine Bedauung in der Doͤrren/ entweder
ſelbſt finden/ oder doch ſeinem Medico ſeine wahre Be-
ſchaffenheit/ mit deſto beſſern Gruͤnden/ fuͤrtragen/ und
hat dieſer deſto mehr Erkanntnis/ ſo wol ſeines natuͤrli-
chen Gebrechens/ als auch wie er mit appropriatis
und gebuͤhrenden Huͤlffmitteln deſto gluͤcklicher und baͤl-
der zu curiren; und wie will ein Medicus errathen/ was
in dem Menſchen verborgen iſt/ wo ers ſelbſt nicht an-
[Spaltenumbruch] deuten kan; daher der Heiden-Lehrer und groſſe Apo-
ſtel Paulus recht ſagt 1. Cor. 2. Quis hominum ſcit,
quæ ſunt hominis, niſi Spiritus hominis, qui in ipſo
eſt?
Und wie der edle Venetianer Ludovico Cornaro
in ſeinem Tractat de Sobrietate ſchreibt/ auch ſelbſt mit
eignem Exempel beſtaͤttiget: L’huomo non ha miglior
Medico che ſe ſteſſo, ni la più efficace Medicina che
la Sobrietà.
Alſo ſoll ein Menſch beylaͤuffig die Ur-
ſachen ſeiner Indiſpoſition, wordurch es erweckt und
irritirt worden/ verſtehen; obs vom Hirn/ vom Magen/
von der Leber/ vom Gebluͤt/ durch Unmaͤſſigkeit/
Muͤdigkeit/ Gemuͤths-Bewegungen/ oder anderwerts
zufaͤlliger Weiſe/ her entſpringet/ und welcher Com-
plexion
Ubermaß darzu Anlaß gegeben/ betrachten.
Er muß einen halben Anatomicum ſo weit agiren/ daß
er dennoch wiſſe/ wo zu gegen die vornehmſten innerlichen
Glieder liegen; wann ſie wol oder uͤbel temperirt ſind/
und wer eine gute Diæt fuͤhret/ und maͤſſiglich lebet/ der
kan ſich deſto leichter darein finden.

Cap. LVII.
Wie das am fuͤglichſten/ durch Beobachtung ſeiner Gliedmaſſen/
geſchehe.
[Spaltenumbruch]

NJcht vergeblich iſt das Noſce teipſum fuͤr etwas
Goͤttliches gehalten worden; weil es der menſch-
lichen Schwachheit ſehr ſchwer faͤllet; und So-
crates
allein darum durch das Oracuium fuͤr den Wei-
ſeſten gehalten worden/ indem er/ ſeine Unvermoͤglichkeit
erkennend/ geſagt habe/ er wiſſe allein dieſes/ daß er nichts
wiſſe. Wir wollen aber allhier die Moralia umgehen/
und allein bey der Natur verbleiben; nichts auſſer uns/
ober uns/ neben uns/ unter uns/ ſondern allein in uns
ſelbſt ſuchen; ſo werden wir die Schwerigkeit dieſes
zu practiciren und unverruckt fortzuſetzen/ leichtlich greif-
fen koͤnnen. Der Menſch/ ſeine Natur zu erlernen/ ſoll
wiſſen/ warum er (da alle Thiere gebuckt gehen/) mit
erhoͤheten Augen gen Himmel ſehe/ denn weil der naͤch-
ſte Urſprung und Geburt der Seelen vom Himmel kom-
me/ als habe ſie auch ihren vornehmſten Thron und Sitz
genommen an dem Ort/ der dem Himmel am naͤchſten
iſt/ nemlich im Haupt und in dem Hirn/ und daſelbſt
hat ihr der Allmaͤchtige Schoͤpffer drey Cabinet oder
Zimmer zubereitet/ darinnen ſie ihre geiſtliche Wirckun-
gen und Verrichtungen ausuͤben koͤnne; diß ſind nun
die drey unterſchiedliche Abtheilungen des Hirns/ vor-
nen in der Stirn/ als in dem erſten Wohn-Gemach/ iſt
intellectus, der Verſtand/ das Gegenwaͤrtige zu erken-
nen/ zu urtheilen und zu unterſcheiden; Jm mittlern Zim-
mer iſt Fantaſia, die Einbildung/ das Abweſende zu be-
ſinnen und zu bedencken/ ob es zu verlangen oder zu haſ-
ſen. Jm letzern Zimmer wohnt die Gedaͤchtnis/ die
ihr die vorbeyſtreichende Geſtalten eindrucket und feſt
haͤlt/ und allein/ nachdem der Verſtand oder das Einbil-
dungs-Urtheil es anſihet/ darnach ſich richtet/ heraus
gibt/ oder zuruck haͤlt; und diß alles in ſchoͤner und rich-
tiger Ordnung. Jn dem Haupt/ als obriſten und vor-
nehmſten Theil des Leibes/ ſind auch die fuͤnff ſinnlichen
Pforten/ darunter die Augen/ als zwey ſchoͤne Liechter/
die hoͤchſte Stelle gleich unter dem Hirn einnehmen/ auf
daß/ wann ſie gen Himmel ſehen/ ihr Vatterland da-
[Spaltenumbruch] ſelbſt bedaͤchten/ und ſich deſſen nicht unwuͤrdig macheten.
Sie ſind Waͤchter und Huͤter des gantzen Leibs/ worin-
nen das Liecht eingeſchloſſen/ und daraus die Gedan-
cken und Bewegungen des Hertzens gleichſam zu erra-
then. Ober ihnen iſt die Stirn/ die ebenmaͤſſig ein be-
friedigt oder betruͤbtes Gemuͤth andeutet. Die uͤbrigen
Sinne-Pforten/ als Ohren/ Naſen/ Mund/ hat jedes
ſeine abſonderliche Wohnung; die Empfindlichkeit aber
des Angriffs iſt durch den gantzen Leib ausgebreitet/ da-
mit man uͤberall das Gute genieſſen/ und das Boͤſe em-
pfinden und abwenden koͤnnte. Das Haupt iſt durch
den Hals und Achſeln von den andern Gliedern abgeſon-
dert/ ſowol damit das Gehirn die Unreinigkeit des ko-
chenden Magens nicht ſo beſchwerlich erdulten/ und dan-
noch das kalte Gehirn ſo wol vom Feuer des Magens/ als
der Leber uñ des Hertzens moͤchte gemaͤſſiget bleiben. Die
Bruſt iſt von der Gegend des Bauchs durch das Dia-
phragma
als ein Fell abgetheilt/ damit das Hertz dar-
zwiſchen ſeine Lebens-Geſchaͤffte/ unter ſo vielen Ein-
wicklungen/ und beederſeits mit den Ribben/ als Paliſ-
ſaden verwahret/ deſto bequemlicher verrichten koͤnnte/
nicht gedrengt/ und von der Unſauberkeit der im Magen
liegenden Speiſen nicht verunruhigt wuͤrde. Der Ma-
gen/ als die Kuchen/ ligt in der Mitten des Leibs/ ſo wol
durch den Mund und Hals-Roͤhren die Nahrung zu er-
greiffen/ jedem Glied ſeinen gebuͤhrlichen Unterhalt zuzu-
theilen/ als auch die groben und unverdaͤulichen Feuchtig-
keiten auszuwerffen. Die Natur hat dem Menſchen
zween Fuͤſſe gegeben/ damit/ wann der eine im Gehen
fortrucket/ der gantze Leib auf dem andern/ als einer
Seulen/ ruhen moͤchte; zwey Haͤnde/ mit ſolcher Kunſt
und Geradigkeit/ daß ſich ſo wol die Geſchicklichkeit in
den Fingern/ als die Staͤrcke in den Armen dabey ver-
einigen ſollten; Der Mund iſt mit den Zaͤhnen nicht nur
zur Zierd/ ſondern auch/ weil ſie in doppelter Ordnung
ſtehen/ gleichſam Muͤhlſtein ſind/ durch welche die Spei-
ſen vorher zermalmet/ dem Magen zu leichterer Ver-

dauung
U
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[153/0171] Anderes Buch/ Haus-Vatter. weiter/ als nach Groͤſſe des Neſtes ausbreiten. Son- dern es kan auch in natuͤrlichen Sachen wol ſtatt fin- den/ wie der weiſe Redner Cicero lib. 2. offic. bezeuget: Valetudo ſuſtentatur notitiâ ſui corporis, & obſerva- tione, quæ res aut prodeſſe ſoleant, aut obeſſe: daß/ indem ein Menſch ſeiner Natur Eigenſchafft und Ver- moͤgen/ was ihm ſchadet oder nutzet/ was ihm dienlich oder zuwider/ wol ausgruͤndet; ſeine Complexion ob ſie in einem oder andern contrario excedire/ oder ob ſie be- ſtaͤndig und mittelmaͤſſiges Temperaments ſeye; ſo kan er durch Præſervativen bald eine Abkuͤhlung in der Hitz/ oder Erwaͤrmung in der Kaͤlte; eine Trocknung in der Feuchte/ und eine Bedauung in der Doͤrren/ entweder ſelbſt finden/ oder doch ſeinem Medico ſeine wahre Be- ſchaffenheit/ mit deſto beſſern Gruͤnden/ fuͤrtragen/ und hat dieſer deſto mehr Erkanntnis/ ſo wol ſeines natuͤrli- chen Gebrechens/ als auch wie er mit appropriatis und gebuͤhrenden Huͤlffmitteln deſto gluͤcklicher und baͤl- der zu curiren; und wie will ein Medicus errathen/ was in dem Menſchen verborgen iſt/ wo ers ſelbſt nicht an- deuten kan; daher der Heiden-Lehrer und groſſe Apo- ſtel Paulus recht ſagt 1. Cor. 2. Quis hominum ſcit, quæ ſunt hominis, niſi Spiritus hominis, qui in ipſo eſt? Und wie der edle Venetianer Ludovico Cornaro in ſeinem Tractat de Sobrietate ſchreibt/ auch ſelbſt mit eignem Exempel beſtaͤttiget: L’huomo non ha miglior Medico che ſe ſteſſo, ni la più efficace Medicina che la Sobrietà. Alſo ſoll ein Menſch beylaͤuffig die Ur- ſachen ſeiner Indiſpoſition, wordurch es erweckt und irritirt worden/ verſtehen; obs vom Hirn/ vom Magen/ von der Leber/ vom Gebluͤt/ durch Unmaͤſſigkeit/ Muͤdigkeit/ Gemuͤths-Bewegungen/ oder anderwerts zufaͤlliger Weiſe/ her entſpringet/ und welcher Com- plexion Ubermaß darzu Anlaß gegeben/ betrachten. Er muß einen halben Anatomicum ſo weit agiren/ daß er dennoch wiſſe/ wo zu gegen die vornehmſten innerlichen Glieder liegen; wann ſie wol oder uͤbel temperirt ſind/ und wer eine gute Diæt fuͤhret/ und maͤſſiglich lebet/ der kan ſich deſto leichter darein finden. Cap. LVII. Wie das am fuͤglichſten/ durch Beobachtung ſeiner Gliedmaſſen/ geſchehe. NJcht vergeblich iſt das Noſce teipſum fuͤr etwas Goͤttliches gehalten worden; weil es der menſch- lichen Schwachheit ſehr ſchwer faͤllet; und So- crates allein darum durch das Oracuium fuͤr den Wei- ſeſten gehalten worden/ indem er/ ſeine Unvermoͤglichkeit erkennend/ geſagt habe/ er wiſſe allein dieſes/ daß er nichts wiſſe. Wir wollen aber allhier die Moralia umgehen/ und allein bey der Natur verbleiben; nichts auſſer uns/ ober uns/ neben uns/ unter uns/ ſondern allein in uns ſelbſt ſuchen; ſo werden wir die Schwerigkeit dieſes zu practiciren und unverruckt fortzuſetzen/ leichtlich greif- fen koͤnnen. Der Menſch/ ſeine Natur zu erlernen/ ſoll wiſſen/ warum er (da alle Thiere gebuckt gehen/) mit erhoͤheten Augen gen Himmel ſehe/ denn weil der naͤch- ſte Urſprung und Geburt der Seelen vom Himmel kom- me/ als habe ſie auch ihren vornehmſten Thron und Sitz genommen an dem Ort/ der dem Himmel am naͤchſten iſt/ nemlich im Haupt und in dem Hirn/ und daſelbſt hat ihr der Allmaͤchtige Schoͤpffer drey Cabinet oder Zimmer zubereitet/ darinnen ſie ihre geiſtliche Wirckun- gen und Verrichtungen ausuͤben koͤnne; diß ſind nun die drey unterſchiedliche Abtheilungen des Hirns/ vor- nen in der Stirn/ als in dem erſten Wohn-Gemach/ iſt intellectus, der Verſtand/ das Gegenwaͤrtige zu erken- nen/ zu urtheilen und zu unterſcheiden; Jm mittlern Zim- mer iſt Fantaſia, die Einbildung/ das Abweſende zu be- ſinnen und zu bedencken/ ob es zu verlangen oder zu haſ- ſen. Jm letzern Zimmer wohnt die Gedaͤchtnis/ die ihr die vorbeyſtreichende Geſtalten eindrucket und feſt haͤlt/ und allein/ nachdem der Verſtand oder das Einbil- dungs-Urtheil es anſihet/ darnach ſich richtet/ heraus gibt/ oder zuruck haͤlt; und diß alles in ſchoͤner und rich- tiger Ordnung. Jn dem Haupt/ als obriſten und vor- nehmſten Theil des Leibes/ ſind auch die fuͤnff ſinnlichen Pforten/ darunter die Augen/ als zwey ſchoͤne Liechter/ die hoͤchſte Stelle gleich unter dem Hirn einnehmen/ auf daß/ wann ſie gen Himmel ſehen/ ihr Vatterland da- ſelbſt bedaͤchten/ und ſich deſſen nicht unwuͤrdig macheten. Sie ſind Waͤchter und Huͤter des gantzen Leibs/ worin- nen das Liecht eingeſchloſſen/ und daraus die Gedan- cken und Bewegungen des Hertzens gleichſam zu erra- then. Ober ihnen iſt die Stirn/ die ebenmaͤſſig ein be- friedigt oder betruͤbtes Gemuͤth andeutet. Die uͤbrigen Sinne-Pforten/ als Ohren/ Naſen/ Mund/ hat jedes ſeine abſonderliche Wohnung; die Empfindlichkeit aber des Angriffs iſt durch den gantzen Leib ausgebreitet/ da- mit man uͤberall das Gute genieſſen/ und das Boͤſe em- pfinden und abwenden koͤnnte. Das Haupt iſt durch den Hals und Achſeln von den andern Gliedern abgeſon- dert/ ſowol damit das Gehirn die Unreinigkeit des ko- chenden Magens nicht ſo beſchwerlich erdulten/ und dan- noch das kalte Gehirn ſo wol vom Feuer des Magens/ als der Leber uñ des Hertzens moͤchte gemaͤſſiget bleiben. Die Bruſt iſt von der Gegend des Bauchs durch das Dia- phragma als ein Fell abgetheilt/ damit das Hertz dar- zwiſchen ſeine Lebens-Geſchaͤffte/ unter ſo vielen Ein- wicklungen/ und beederſeits mit den Ribben/ als Paliſ- ſaden verwahret/ deſto bequemlicher verrichten koͤnnte/ nicht gedrengt/ und von der Unſauberkeit der im Magen liegenden Speiſen nicht verunruhigt wuͤrde. Der Ma- gen/ als die Kuchen/ ligt in der Mitten des Leibs/ ſo wol durch den Mund und Hals-Roͤhren die Nahrung zu er- greiffen/ jedem Glied ſeinen gebuͤhrlichen Unterhalt zuzu- theilen/ als auch die groben und unverdaͤulichen Feuchtig- keiten auszuwerffen. Die Natur hat dem Menſchen zween Fuͤſſe gegeben/ damit/ wann der eine im Gehen fortrucket/ der gantze Leib auf dem andern/ als einer Seulen/ ruhen moͤchte; zwey Haͤnde/ mit ſolcher Kunſt und Geradigkeit/ daß ſich ſo wol die Geſchicklichkeit in den Fingern/ als die Staͤrcke in den Armen dabey ver- einigen ſollten; Der Mund iſt mit den Zaͤhnen nicht nur zur Zierd/ ſondern auch/ weil ſie in doppelter Ordnung ſtehen/ gleichſam Muͤhlſtein ſind/ durch welche die Spei- ſen vorher zermalmet/ dem Magen zu leichterer Ver- dauung U

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Zitationshilfe: Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 1. Nürnberg, 1682, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica01_1682/171>, abgerufen am 21.12.2024.